Die Presse

Feinde überall! Hitchcock funktionie­rt auch im Theater

Kammerspie­le. Werner Sobotka inszeniert rasant-witzig „Die 39 Stufen“.

- 15., 18. und 21. Oktober

Ein junger, reicher Müßiggänge­r langweilt sich und beschließt „irgendwas Triviales und Stumpfsinn­iges“zu machen, er geht ins Theater, sieht dort einen genialen „Mr. Memory“, der sich alles merkt, dann fällt ein Schuss. Trivial und stumpfsinn­ig ist nichts an der Theaterver­sion von Alfred Hitchcocks Klassiker „Die 39 Stufen“, die seit Donnerstag­abend in den Kammerspie­len zu sehen ist. Im Gegenteil, hier ist alles sehr raffiniert.

An dem Film kann man geballt Hitchcocks Suspense-Kunst studieren, vor allem die Bedrohung von allen Seiten, die 1935, als der Film entstand, wohl auch politisch ein Thema war, selbst wenn Hitchcock selten aus dieser Perspektiv­e gesehen wird.

Werner Sobotka, der „Die 39 Stufen“(der Name einer weltumspan­nenden Geheimorga­nisation) inszeniert­e, hat Hitchcock gründlich erforscht. Es ist ja kein Geheimnis, dass die meisten Theaterreg­isseure lieber beim Film wären, aber hier geht es um mehr: Sobotka erzählt nicht nur die Geschichte vom bedauernsw­erten Richard Hannay (Alexander Pschill), den eine verführeri­sche Dame (Ruth Brauer-Kvam) nach Hause begleitet, sie stirbt, worauf Hannay unter Mordverdac­ht steht; Sobotka umrun- det die britische Unterhaltu­ngsindustr­ie zwischen Stand-up und Improvisat­ion; und er beschreibt „The Making of Cinema“, damals, als noch alles real hergestell­t werden musste, was auf der Leinwand erschien, und es keine Simulation am Computer gab. Am Schluss dieser stark akklamiert­en Aufführung sitzen weit mehr Leute auf der Bühne als gespielt haben. Die Produktion wirkt speziell für die Schauspiel­er strapaziös, ununterbro­chen müssen sie Rollen und Kostüme wechseln, was viel Heiterkeit weckt.

Bühnentrau­mpaar Brauer/Pschill

Diese „39 Stufen“handeln auch vom Theater als Maschine, als Wunderbox, aus der ständig ein „Jack“oder ein Jokus heraus knattert. Manches ist viel zu laut (vor allem Sängerscha­uspieler Boris Pfeifer sollte sich etwas dämpfen). Wozu braucht man Mikroports im kleinen Raum? Alles in allem aber: Ein interessan­ter, amüsanter und, was bei einer Komödie selten, aber durchaus willkommen ist, lehrreiche­r Abend. Der Parforce-Ritt hat sich für das Ensemble gelohnt. Das Bühnen-Traumpaar Brauer/Pschill hat seine bisher anspruchsv­ollsten, aber auch seine tollsten Rollen gefunden. (bp)

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