Brutale Schwesternjagd mal sieben
Film. Sieben Schwestern, die sich eine Identität teilen müssen: Die Science-Fiction-Dystopie „What Happened to Monday?“ist weder spaßig noch durchdacht. Was bleibt, ist krude Action.
Als seine Enkeltochter eines Abends verletzt nach Hause kommt, greift Terrence (Willem Dafoe) traurig zum Hackmesser. Die Kamera lässt ihn nicht aus den Augen, während er es über dem Gasherd desinfiziert, zum großen Esstisch zurückkommt, die Hände seiner sechs weiteren Enkel mit gespreizten Fingern auf die Tischplatte drückt und das Messer ansetzt. Die Szene ist fast unerträglich. Aber sie bereitet auf die Brutalität vor, die in „What Happened to Monday?“noch weidlich ausgeschlachtet werden wird. Und sie führt die Ausgangssituation der Handlung in all ihrer Drastik aus: Denn im Zukunftsszenario, das der Film entwirft, teilen sich die sieben Schwestern eine Identität; um unerkannt zu bleiben, müssen sie sich gleich verhalten, gleich viel wissen, gleich aussehen – und jetzt ist eine der sieben zum Skateboarden ausgebüxt und mit einer blutigen Hand zurückgekommen, der das vorderste Zeigefingerglied fehlt. „Was einer von euch passiert, muss euch allen passieren“, sagt Terrence zu den Mädchen. Und drückt das Messer hinab.
Der norwegische Regisseur Tommy Wirkola hat sich mit trashigen Splatterkomödien einen Namen gemacht, die eher mit grotesken Schlachtspektakeln als mit kohärenten Drehbüchern punkteten und in Fankreisen oft Kultstatus erreichten: Neben der Tarantino-Parodie „Kill Buljo“drehte er etwa die Zombie-Nazi-Komödie „Dead Snow“oder die Märchen-Adaption „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“, in der sich die Geschwister nach ihrem Sieg über die Knusperhexe als Kopfgeldjäger verdingen. In „What Happened to Monday?“, dessen Drehbuch schon länger in Hollywood kursierte, geht es ebenso gewalttätig zu, den Witz hat Wirkola aber zugunsten eines Familiendramas zurückgefahren – was gar nicht aufgeht, zu undurchdacht ist der Plot, zu schablonenhaft diese Welt: In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Überbevölkerung und ein durch genmanipulierte Lebensmittel ausgelöster Boom von Mehrlingsgeburten eine totalitäre Behörde, angeführt von Glenn Close als Bösewicht mit Perlenkette und Betonfrisur, eine Ein-Kind-Politik durchsetzen lassen, in der alle nicht erstgeborenen Kinder zur angeblichen Konservierung eingezogen werden.
Da waren’s nur noch sechs . . .
Terrence, dessen Tochter bei der Geburt ihrer Siebenlinge gestorben ist, widersetzt sich dem System: Die Schwestern, benannt nach den Wochentagen, dürfen im sicheren Gefilde der großväterlichen Dachgeschoßwohnung ihre jeweiligen Persönlichkeiten ausleben, draußen in der Welt aber spielen sie – je eine pro Tag – die zugeknöpfte, ambitionierte „Karen Settmann“, die sich mit den vereinten Talenten aller sieben eine Karriere im Finanzwesen aufbaut. Futuristische Technologien, Perücken und Make-up sorgen dafür, dass „Karen“(siebenmal gespielt von Noomi Rapace), während sie durch diese Welt aus hypermodernen Glasbauten, heruntergekommenen Gassen und flächendeckender Überwachung navigiert, nicht auffällt. Das geht 30 Jahre lang gut – bis eines Abends Monday nicht nach Hause zurückkehrt.
Die durchaus spannenden Fragen, die die Prämisse aufwirft – nach Identität, geschwisterlicher Verantwortung, Zusammenhalt und Selbstverwirklichung etwa – werden nur pflichtschuldig angedeutet, die reizvolle Möglichkeit, sieben identisch aussehende Figuren charakterlich auszustatten, schlägt das Drehbuch aus: Es gibt die Strebsame, die Fromme, die Flippige und das Nerd-Girl, über solche Prototypen hinaus liegt es an Rapace, ihren Figuren eine Differenzierung zu geben, die nicht immer gelingt – immerhin spürt man den Spaß, den das Spiel der Darstellerin gemacht haben dürfte.
Genüsslich exerziert wird auch das atemlose brutale Katz-und-Maus-Spiel, das sich ihre sieben Figuren mit den Behörden liefern: Da werden Köpfe gesprengt, heiße Bügeleisen als Waffe eingesetzt und in einer der verspielteren Szenen klebt sich eine den abgetrennten Finger eines Killers an den eigenen Stumpf, um damit dessen fingerabdruckgesperrtes Maschinengewehr zu bedienen. Nur moralisch weiß der Film nicht, wo er hinsoll – und stolpert am Ende der vorhersehbaren Schwesternjagd über seine eigenen Füße. Außerhalb des deutschsprachigen Raums hat sich übrigens Netflix die Vorführrechte für den Film besorgt, bei uns läuft er seit Donnerstag im Kino.