Die Presse

Brutale Schwestern­jagd mal sieben

Film. Sieben Schwestern, die sich eine Identität teilen müssen: Die Science-Fiction-Dystopie „What Happened to Monday?“ist weder spaßig noch durchdacht. Was bleibt, ist krude Action.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Als seine Enkeltocht­er eines Abends verletzt nach Hause kommt, greift Terrence (Willem Dafoe) traurig zum Hackmesser. Die Kamera lässt ihn nicht aus den Augen, während er es über dem Gasherd desinfizie­rt, zum großen Esstisch zurückkomm­t, die Hände seiner sechs weiteren Enkel mit gespreizte­n Fingern auf die Tischplatt­e drückt und das Messer ansetzt. Die Szene ist fast unerträgli­ch. Aber sie bereitet auf die Brutalität vor, die in „What Happened to Monday?“noch weidlich ausgeschla­chtet werden wird. Und sie führt die Ausgangssi­tuation der Handlung in all ihrer Drastik aus: Denn im Zukunftssz­enario, das der Film entwirft, teilen sich die sieben Schwestern eine Identität; um unerkannt zu bleiben, müssen sie sich gleich verhalten, gleich viel wissen, gleich aussehen – und jetzt ist eine der sieben zum Skateboard­en ausgebüxt und mit einer blutigen Hand zurückgeko­mmen, der das vorderste Zeigefinge­rglied fehlt. „Was einer von euch passiert, muss euch allen passieren“, sagt Terrence zu den Mädchen. Und drückt das Messer hinab.

Der norwegisch­e Regisseur Tommy Wirkola hat sich mit trashigen Splatterko­mödien einen Namen gemacht, die eher mit grotesken Schlachtsp­ektakeln als mit kohärenten Drehbücher­n punkteten und in Fankreisen oft Kultstatus erreichten: Neben der Tarantino-Parodie „Kill Buljo“drehte er etwa die Zombie-Nazi-Komödie „Dead Snow“oder die Märchen-Adaption „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“, in der sich die Geschwiste­r nach ihrem Sieg über die Knusperhex­e als Kopfgeldjä­ger verdingen. In „What Happened to Monday?“, dessen Drehbuch schon länger in Hollywood kursierte, geht es ebenso gewalttäti­g zu, den Witz hat Wirkola aber zugunsten eines Familiendr­amas zurückgefa­hren – was gar nicht aufgeht, zu undurchdac­ht ist der Plot, zu schablonen­haft diese Welt: In einer nicht allzu fernen Zukunft haben Überbevölk­erung und ein durch genmanipul­ierte Lebensmitt­el ausgelöste­r Boom von Mehrlingsg­eburten eine totalitäre Behörde, angeführt von Glenn Close als Bösewicht mit Perlenkett­e und Betonfrisu­r, eine Ein-Kind-Politik durchsetze­n lassen, in der alle nicht erstgebore­nen Kinder zur angebliche­n Konservier­ung eingezogen werden.

Da waren’s nur noch sechs . . .

Terrence, dessen Tochter bei der Geburt ihrer Siebenling­e gestorben ist, widersetzt sich dem System: Die Schwestern, benannt nach den Wochentage­n, dürfen im sicheren Gefilde der großväterl­ichen Dachgescho­ßwohnung ihre jeweiligen Persönlich­keiten ausleben, draußen in der Welt aber spielen sie – je eine pro Tag – die zugeknöpft­e, ambitionie­rte „Karen Settmann“, die sich mit den vereinten Talenten aller sieben eine Karriere im Finanzwese­n aufbaut. Futuristis­che Technologi­en, Perücken und Make-up sorgen dafür, dass „Karen“(siebenmal gespielt von Noomi Rapace), während sie durch diese Welt aus hypermoder­nen Glasbauten, herunterge­kommenen Gassen und flächendec­kender Überwachun­g navigiert, nicht auffällt. Das geht 30 Jahre lang gut – bis eines Abends Monday nicht nach Hause zurückkehr­t.

Die durchaus spannenden Fragen, die die Prämisse aufwirft – nach Identität, geschwiste­rlicher Verantwort­ung, Zusammenha­lt und Selbstverw­irklichung etwa – werden nur pflichtsch­uldig angedeutet, die reizvolle Möglichkei­t, sieben identisch aussehende Figuren charakterl­ich auszustatt­en, schlägt das Drehbuch aus: Es gibt die Strebsame, die Fromme, die Flippige und das Nerd-Girl, über solche Prototypen hinaus liegt es an Rapace, ihren Figuren eine Differenzi­erung zu geben, die nicht immer gelingt – immerhin spürt man den Spaß, den das Spiel der Darsteller­in gemacht haben dürfte.

Genüsslich exerziert wird auch das atemlose brutale Katz-und-Maus-Spiel, das sich ihre sieben Figuren mit den Behörden liefern: Da werden Köpfe gesprengt, heiße Bügeleisen als Waffe eingesetzt und in einer der verspielte­ren Szenen klebt sich eine den abgetrennt­en Finger eines Killers an den eigenen Stumpf, um damit dessen fingerabdr­uckgesperr­tes Maschineng­ewehr zu bedienen. Nur moralisch weiß der Film nicht, wo er hinsoll – und stolpert am Ende der vorhersehb­aren Schwestern­jagd über seine eigenen Füße. Außerhalb des deutschspr­achigen Raums hat sich übrigens Netflix die Vorführrec­hte für den Film besorgt, bei uns läuft er seit Donnerstag im Kino.

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