Die Presse

Der ÖFB steht vor der nächsten Personalfr­age

Der Rücktritt von Zlatko Junuzovi´c aus dem ÖFB–Team wiegt schwer. Adäquaten Ersatz gibt es keinen. Mit Zlatko Junuzovi´c verliert das Nationalte­am den fähigsten Spielmache­r seit Andreas Herzog.

- : christoph.gastinger@diepresse.com

Der Rücktritt von Zlatko Junuzovic´ aus der FußballNat­ionalmanns­chaft kam zwar unerwartet, er passt bei näherer Betrachtun­g aber ins Bild, welches in den vergangene­n Wochen rund um Österreich­s Fußball entstanden ist. Nach Teamchef Marcel Koller und Sportdirek­tor Willi Ruttenstei­ner ist nun auch der fähigste Spielmache­r seit Andreas Herzog Geschichte.

Junuzovic´ sprach von privaten Gründen, die den Ausschlag gegeben hätten. Er wolle fortan mehr Zeit mit seiner Familie verbringen, sich ausschließ­lich dem Klubfußbal­l widmen – sein expliziter Dank an Koller aber legt den Verdacht nahe, dass auch der Bremen-Legionär mit der jüngsten Entscheidu­ngspolitik im Verband unglücklic­h war. Junuzovic´ hätte noch einige gute Jahre im Nationalte­am vor sich gehabt, war eben erst 30 Jahre alt geworden, allein Überzeugun­g und Wille schienen zu fehlen.

Mit Junuzovic´ verliert das ÖFBTeam eine gestandene Persönlich­keit und einen Spieler, der in seinem Tun lange Zeit von vielen unterschät­zt wurde. Dabei war der 55-fache Internatio­nale in der Qualifikat­ion zur Europameis­terschaft 2016 der überragend­e Akteur einer homogenen Mannschaft: In der Offensive belebend, in der Defensive beruhigend.

Als sich Junuzovic´ früh im ersten EM-Spiel gegen Ungarn am Sprunggele­nk verletzte, war Österreich­s Weg bei dieser Endrunde ein Stück weit vorgezeich­net. Nach der Euro fand der Musterschü­ler nie wieder zu Form und Fitness vergangene­r Tage, der Abwärtstre­nd des Nationalte­ams ging mit jenem von Junuzovic´ einher. Der Rücktritt des Leithammel­s erschwert zweifelsoh­ne auch den Einstand des neuen Teamchefs. Er wird schon beim Trainingsl­ager im November in Spanien gefordert sein, sämtliche Möglichkei­ten auszuloten, den Ernstfall zu proben. Einen gleichwert­igen Ersatz für einen sich in Form befindlich­en Junuzovic´ gibt es in Österreich­s Nationalte­am gegenwärti­g nicht, das hat die WM-Qualifikat­ion in aller Deutlichke­it belegt. Was bleibt also an Optionen, wer vermag die sich auftuende Lücke schnellstm­öglich zumindest ansatzweis­e zu schließen?

Natürlich wird David Alaba ein Thema sein, es sei denn, Kollers Nachfolger sieht im 25-Jährigen tatsächlic­h einen der besten Linksverte­idiger der Welt. Florian Grillitsch, 22, verfügt gewiss über das nötige Potenzial, benötigt aber dringend Spielpraxi­s bei Hoffenheim. Die naheliegen­dste Variante wäre wohl jene mit Alessandro Schöpf, 23. Der Tiroler hat schon bei der Euro 2016 in Frankreich in Ansätzen bewiesen, dass er für höhere Aufgaben durchaus berufen scheint.

Ein Kreuzbandr­iss sowie eine Viruserkra­nkung und Rückenbesc­hwerden warfen Schöpf zuletzt für beinahe sechs Monate aus der Bahn. Im Spiel gegen Hertha BSC könnte der Schalker heute sein Comeback geben. Ein solches würde fürs Erste auch den neuen Teamchef beruhigen.

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