Graue Steine, ein Brückengerippe
QIch ging in die Gheorghe-Asachi-Bezirksbibliothek. Direktorin Elena brauchte keine Atempausen, weder als wir rumänisch noch als wir russisch sprachen. Sie behauptete, selbst keinen rumänischen Pass zu haben, empörte sich aber über ihren Präsidenten: „Die Leute hier haben sich Pässe nicht aus politischen, sondern aus ökonomischen Gründen geholt. Um ihre Familie zu ernähren!“Ich fragte in die kleine Damenrunde, wie sie im Notfall entscheiden würden. Die junge Kinderbibliothekarin zeigte in die Himmelsrichtung, in der Rumänien lag.
Ich ließ mich über einen Feldweg aus grauen Steinen fahren und über das Gerippe einer Brücke, von der Bukowina nach Bessarabien. Jenseits des Prut, im Bezirk Nowoselyzja, deklarieren sich 58 Prozent als Moldawier und sieben als Rumänen. Die Bezirksbibliothek in Nowoselyzja war größer. Das Dutzend Bibliothekarinnen saß vor Setzkästen mit Karteikärtchen, halbwegs Rumänisch konnten nur zwei oder drei. Eine zitternde Alte zeigte auf den grauen Neubau nebenan: „Dort war schon Österreich, dort stand das alte Zollhaus.“
Um persönlich werden zu können, führte mich Vizedirektorin Adela in den letzten Raum. Obwohl auch sie abstritt, einen rumänischen Pass zu haben, sprach sie mit leiser Bitterkeit über Poroschenkos Projekt. Sie war neun Jahre Kindermädchen in Kalabrien gewesen, ohne Sohn und Mann. Hier verdiente sie 80 Euro. Sie sagte: „Man baut an, was geht. Eine von uns hat drei Kühe und verkauft die Milch.“Ich fuhr nach Rumänien zurück. Mein letzter Fahrer, ein alter Czernowitzer Rumäne, schlug vor: „Alle Abgeordneten erschießen und dann auch noch alle, die aufs Begräbnis gehen. Nur so kommt Ordnung in unsere verhurte Ukraine.“