Kastanienmännchen bauen
Als Rahmenhandlung des vielschichtigen Werks kommt die Biografie eines Kindes um 1950 zur Sprache, das einen exotischen Namen (Mauritius) verpasst erhielt, sich aber lieber „Fredi“nennt. Hier zeichnet der Autor das Schicksal von Nachkommen bildungsbeflissener Eltern nach. Entgegen der väterlichen Anordnung, Kastanienmännchen zu basteln, spielt das Kind lieber mit diesen, ehe die fragilen Zündholzverbindungen zu Bruch gehen – eine Metaphorik, die auf die Psyche weist.
Fredi wird zum Schweiger, er ist ein Kind auf dem Rückzug. In der Ära der in Wiesbaden erlebten Kindheit des Autors dominieren die Erwachsenen. Der bildungshungrige Vater gibt gerne sein Wissen zum Besten, aber sein Bildungshorizont ist inaktuell. Vor allem Bücher, die man antiquarisch erwirbt, haben ihren Reiz, geben indes oft den Bildungsstand vergangener Generationen wieder. Auf diese Weise eckt auch der Belesene an, wenn er mit moderner Terminologie oder Forschungsergebnissen nicht vertraut ist.
Bolz räumt mit Bildungsvorurteilen auf, erklärt Zugänge zu Wissen und Methodik in einem beschwingten und unprätentiösen Schreibstil, der das Lesen vergnüglich macht. Zahlreiche Naturaufnahmen illustrieren und beleben den gelungenen Text. Das Werk ist solid gebunden, es erfüllt auch bibliophile Ansprüche bei einem moderaten Preis.
Martin Bolz Helden – Anno Domini 1950 und später Wahrhafte Begebenheiten inmitten des Bilderbuchs der Gefühle. 116 S., brosch., € 19,80 (Edition Noack & Block, Berlin)
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