Die Hamptons von Toronto
Kanada. Prince Edward County, das alte Farm- und Scheunenland zwei Stunden nördlich von Toronto, wurde von Weinpionieren wachgeküsst. Mittlerweile folgen den Winzern erste Designhotels und Architekturtouristen.
Uralte Kellermauern? Durchdesignte Verkosträume? Fehlanzeige! Der ganze Stolz der 35 Weingüter in Prince Edward County sind ihre Barns. Dass diese alten Stallungen oder Lagergebäude wirken, als sei die Zeit stehen geblieben, liegt daran, dass diese es tatsächlich lang war, hier im ländlichen Ontario. Die teilweise aus dem 19. Jahrhundert stammenden Landwirtschaftsgebäude der nicht mit der kanadischen Provinz Prince Edward Island zu verwechselnden Region hatten ihre beste Zeit hinter sich, als die ersten Bodenprofile um die Jahrtausendwende Winzer hellhörig machten. Heute dienen die Scheunen, mitunter unorthodox um eine klimatisierte Wellblechgarage erweitert, als mustergültig renoviertes Heim für Pinot noir und Chardonnay.
Kalkanteil und Kultgehalt
Die Lockerheit, mit der man die architektonische Substanz umfunktionierte, färbt ab. Auch Verkostungen, zu denen man mit dem SUV vorfährt, den Hund mitnimmt und dazu Pizza in der spätherbstlichen Sonne genießt, haben nichts vom angestrengten Wein-SmallTalk. Nur so viel Fachwissen muss sein: Hoher Kalkgehalt im Boden und die Nähe zu Toronto haben die Weine der Aussteiger trotz minimaler Produktion zu mittlerweile internationaler Bekanntheit gebracht. „Es ist ebenso sehr der As- phalt wie der Kalk, der hinter dem Hype steht“, grantelt etwa Beppi Crosariol vom „Globe and Mail“. Denn die meisten Winzer, vielfach Aussteiger wie der deutschstämmige Bäcker in Rente Anton Sproll
Als „rough-luxe boutique property“definiert sich der Seeableger des Drake Hotel Toronto mit 13 Zimmern und Toprestaurant. 24, Wharf Street, Wellington, www.drakedevonshire.ca
Vom einstigen Motorhome über die Zimmer im 1869er-Herrenhaus bis zur Luxusholzhütte: Angeline’s liegt zentral. Zimmerwahl nach Gästebudget. Top-Frühstück. 433, Main Street, Bloomfield, www.angelines.ca („Trail Winery“) sind keine zehn Jahre in ihrem Metier tätig. Das merkt man auch dem Sortenspiegel an; Riesling und Marechal´ Foch findet man selten auf so engem Raum nebeneinander. Mit schel-
Samstags versammeln sich Food Trucks vor Prince Eddy’s Brauerei in Picton. Statt Kaffee gibt’s Aaaron Mc Kinneys Milk Shaka Stout. 13, Macsteven Drive, Picton, www.princeeddys.com
PR-Maschine Norman Hardie hat seine Winery nicht nur als „dog friendly“annonciert, zum Pinot noir serviert man Holzofenpizza mitten in den Reben. 1152, Greer Road, Welllington, www.normanhardie.com mischem Lächeln schenkt auch Claude Arsenault ihren neuen Lieblingsroten ein: „Den wirst du vielleicht kennen, er heißt Zweigelt.“
Denn der Frost stellt den härtesten Gegner der Pioniere, nicht
Winzer Geoff Webb ist einer der PEC-Pioniere. Heute macht er Chardonnay-Ahorn-Essig und HanfCuvee.´ 13370, Loyalist Parkway, Pictonwww.blackprincewinery.com
Jamie Kennedy eröffnete mit dem White House ein Minihotel in Hillier, wo der kanadische Spitzenkoch Gemüse anbaut, u. a. für sein Windows. 18662 Loyalist Parkway, Hillier, https://jamiekennedy.ca nur bei Norm Hardie dar. Früher standen hier auch die großen Konservenfabriken, dafür nahm man gern das Gemüse aus PEC, wie man die hippe Halbinsel am Ontario-See abkürzt. Der neue Pioniergeist hat längst Baristas, Käseproduzenten und Craft-Brauereien hergelockt. Den finalen Ritterschlag gab den „kanadischen Hamptons“aber die Eröffnung einer Dependance des The Drake aus Toronto. Denn mit dem Umbau des ehemaligen Bordells an der Queen Street West zum Galerie-Hotel samt Rockbühne begann der Aufstieg des In-Viertels der kanadischen Metropole.
Goldenes Dreieck
Die urbane Klientel verbringt ihre Wochenenden nun im Devonshire, das inoffiziell längst Drake on the Lake heißt – und sei es nur, um hier das Abendessen einzunehmen. Umgewöhnen brauchen sich die Hipster nicht wirklich, selbst die Namen im goldenen Dreieck zwischen Toronto, Ottawa und Montreal erinnern teilweise mehr an Kleinbrauereien: Three Dogs Winery, Devil’s Wishbone Winery oder Hinterland Wine Company. Konkurrenz macht den elf Zimmern des Drake demnächst das White House, das der Spitzenkoch Jamie Kennedy renoviert hat. Dann kann man seine Gemüsesorten frisch von der Farm genießen – so, als hätte sich gar nichts geändert in PEC. Und doch ist alles neu. Aufregend neu.