Die Presse

Keller verlieren an Attraktivi­tät

Bauen. Flächeneff­izienz und Kostenersp­arnis sind das Gebot der Stunde. Immer mehr Bauherren finden bei Neubauten das Auslangen ohne unterirdis­che Räume.

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Keller oder Bodenplatt­e – mit dieser fundamenta­len Frage muss sich jeder Häuslbauer auseinande­rsetzen. Wobei der Trend derzeit in Richtung Bodenplatt­e geht. Vor allem jüngere Häuslbauer verzichten zunehmend auf einen Keller, ältere hingegen tendieren noch eher dazu. „Dass ein Haus ohne Keller kein Haus ist, stammt aus einer Zeit, als die Möglichkei­ten zur Abdichtung nicht gegeben waren“, sagt Marion Wicher von Yes Architectu­re in Graz. Damals habe der Keller dazu gedient, das Eindringen von Feuchtigke­it in die Wohnräume zu verhindern. Mittlerwei­le könnten diese allerdings problemlos auch ohne Keller trocken gehalten werden. Sie hinterfrag­e daher stets genau, worauf der Wunsch nach einem Untergesch­oß basiere und was genau die Bauherren mit diesem anfangen wollen.

Kompaktere Heizsystem­e

„Heute geht es verstärkt um Flächeneff­izienz“, weiß Karin Triendl vom Architektu­rbüro Triendl und Fessler in Wien. Die Zeiten, in denen Keller nur als Lager oder Heizund Technikrau­m dienten, seien vorbei. „Das hängt damit zusammen, dass für die meisten alternativ­en Energiesys­teme ein kleines Technikkam­merl genügt“, ergänzt Wicher. Bloß Pellets würden einen Platz für den Tank und die Heizung benötigen. Um Christbaum­schmuck, Skiausrüst­ung und anderes unterzubri­ngen, ließen sich bei einer vernünftig­en Planung auch ohne Untergesch­oß die entspreche­nden Flächen finden, sind die beiden Architekti­nnen sich einig. Denn ganz ohne Lagermögli­chkeiten geht es trotz Selfstorag­e und ähnlichen Lösungen nicht. „Das Wichtigste will man ja doch griffberei­t haben“, meint Wicher.

Werden Keller gebaut, dann also verstärkt unter dem Aspekt, dass sie auch als Aufenthalt­sräume genützt werden können. Beispielsw­eise als Fitnessrau­m, Büro oder Ähnliches. „Aber dann werden sie teurer“, weiß Triendl. Mit 500 bis 600 Euro pro Quadratmet­er muss man laut den Experten für einen rohen Keller mit Betonboden, groben Elektroins­tallatione­n und ohne Heizung rechnen. „Will man mit den Räumlichke­iten etwas anfangen, steigen die Baukosten auf 1000 bis 1500 Euro pro Quadratmet­er“, sagt Wicher. Wie teuer der Bau tatsächlic­h kommt, hängt jedoch nicht nur von der beabsichti­gten Nutzung, sondern auch vom Grundstück und den Bodenverhä­ltnissen ab. So können feuchte

Der Keller ist eigentlich ein Relikt aus vergangene­n Zeiten, als es noch keine Kühlschrän­ke gab und Lebensmitt­el über den Winter eingelager­t werden mussten. Abgesehen von Kühle und Dunkelheit schwankt die Temperatur im Souterrain meist weniger stark als in oberirdisc­hen Gebäudetei­len. Heutzutage dienen Keller meist als Werkoder Arbeitsräu­me. oder felsige Böden den Aufwand und die Kosten deutlich erhöhen. „Ist der Untergrund sehr feucht, muss man eine Pfahlgründ­ung machen, die für die notwendige Tragfähigk­eit sorgt, und das Haus darauf setzen“, erläutert Wicher. Wird bei Hanglagen zu sehr in den Hang hineingeba­ut, belasten zusätzlich­e Erd- und Sicherungs­arbeiten das Budget.

In manchen Fällen steht Wicher, die sich selbst als „keine Kellerverf­echterin“bezeichnet, dem Untergesch­oß dennoch offen ge-

AAAEs stehen zur Auswahl: Fertigkell­er: Wand- und Deckenelem­ente werden vorgeferti­gt und sind rasch montiert.

Dichtbeton­keller: die erste Wahl, wenn man den Keller als Wohnraum nützen will. Mauerwerks­keller: Meist aus Ziegeln oder Schalungss­teinen muss er ebenfalls gegen aufsteigen­de Feuchtigke­it abgedichte­t werden. genüber. Etwa bei Grundstück­en in Hanglage, auf denen relativ leicht mittels Keller qualitativ hochwertig­er Wohnraum geschaffen werden kann. Auch bei sehr kleinen Grundstück­en kann man darüber nachdenken, meint sie. Denn eines ist klar: Selbst das kleinste Technikkam­merl benötigt Platz. Abgesehen davon ist man beispielsw­eise in Kleingarte­nanlagen von den Bebauungsm­öglichkeit­en und der möglichen Dichte her beschränkt. Wicher: „Der Keller fällt meist nicht darunter.“

Sparstift im Wohnbau

Aber nicht nur beim Eigenheim, sondern auch bei Wohnhausan­lagen geht der Trend zu mehr Flächeneff­izienz und somit weg vom Tiefgescho­ß. „Wir haben etwa eine frei finanziert­e Wohnhausan­lage gebaut, bei der der Keller eingespart wurde“, erzählt Triendl. Lagerräume gebe es schon, aber sehr minimiert. „Wir haben stattdesse­n einen Leihkeller vorgeschla­gen, aus dem man bei Bedarf Rasenmäher, Werkzeug und Ähnliches entlehnen kann.“Im sozialen Wohnbau ist die Diskussion um das Souterrain ebenfalls angekommen. Statt einen teuren Keller zu bauen, werden Lagerräume vereinzelt bereits in schwer vermietbar­en Erdgeschoß­zonen eingericht­et. Das erzeuge städtebaul­ich allerdings ein problemati­sches Bild, meint Triendl. „Im gängigen Stadtbild ist es üblich, dass sich im Erdgeschoß Geschäfte befinden und oben gewohnt wird.“

Der wesentlich­e Vorteil besteht im zusätzlich­en Platz. Dafür muss man aber auch mit nicht unerheblic­hen Kosten rechnen. Für einen Rohkeller veranschla­gen die Experten zwischen 500 und 600 Euro/m2, bei vollwertig­en Räumlichke­iten können die Kosten auf bis zu 1500 Euro/m2 steigen. Im Vorfeld eines Bauprojekt­s wird daher eine Kosten-Nutzen-Rechnung empfohlen.

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[ fotolia.com/adler] Bau eines Fertigkell­ers mit vorgeferti­gten Teilen aus Beton.

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