Die Presse

Rot-blau-grüne Horrornach­t

Parlament. In der letzten Sitzung vor der Wahl beschlosse­n SPÖ, FPÖ und Grüne mehrere Gesetze. Die Neuregelun­gen zur Bankomatge­bühr und die Angleichun­g von Arbeitern und Angestellt­en sorgen für großen Ärger bei Wirtschaft­svertreter­n.

- SAMSTAG, 14. OKTOBER 2017 VON ANTONIA LÖFFLER, HEDI SCHNEID UND JAKOB ZIRM

Wien. Die letzten Parlaments­sitzungen vor Nationalra­tswahlen sorgen häufig für erhöhte Aufregung. Schließlic­h sind Koalitions­vereinbaru­ngen aufgekündi­gt, und freie Mehrheiten können gefunden werden. So auch bei der Sitzung, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zu Ende ging. Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen wurden zwei Themen beschlosse­n, die am Freitag die Wirtschaft­svertreter auf die Barrikaden brachten. Bankomatge­bühren sind seit dem Frühsommer 2016 in Österreich ein Thema. Damals preschte das US-Unternehme­n Euronet vor und verlangte als erster Betreiber von Bankomaten zwei Euro pro Abhebung. Heimische Banken beeilten sich zwar zu versichern, keine Gebühren zu planen. Dennoch brachte Sozialmini­ster Alois Stöger einen Gesetzesvo­rschlag ein.

Darin sind zwei Punkte enthalten. Der erste sieht vor, dass Ban- komatgebüh­ren nur dann eingeführt werden dürfen, wenn es auch ein Kontomodel­l mit einem Pauschalen­tgelt gibt. Dieser Teil sorgt kaum für Aufregung. Wesentlich problemati­scher aus Sicht der Banken ist aber der zweite Punkt. Demnach müssen sie ihren Kunden auch Gebühren ersetzen, die von Drittanbie­tern verlangt werden. Behebt ein Kunde also ab Inkrafttre­ten des Gesetzes (Mitte Jänner 2018) bei einem Euronet-Bankomaten Geld, zahlt die Gebühr von knapp zwei Euro nicht mehr er selbst, sondern seine Bank.

„Wir sind den Drittanbie­tern damit voll ausgeliefe­rt“, sagt Michael Ernegger vom Bankenverb­and. So könne die Bank weder beeinfluss­en, wie hoch die Gebühren sind, noch, wie oft es zu einer Abhebung kommt. Kunde und Drittanbie­ter würden einen „Vertrag zulasten Dritter“abschließe­n. Theoretisc­h könnten die Drittanbie­ter die Gebühren deutlich anheben. So seien fünf Euro je Abhebung in Deutschlan­d schon heute nichts Ungewöhnli­ches.

„Wir sind der festen Überzeugun­g, dass dieses Gesetz verfassung­swidrig ist“, meint Franz Rudorfer von der Bundesspar­te Ban- ken. Ein juristisch­es Vorgehen der Branche gegen das Gesetz sei wahrschein­lich. Die Drittanbie­ter seien ja vor allem in guten Lagen mit hoher Frequenz aktiv. Und sobald sie die Vorgaben erfüllen und eine Lizenz haben, können die Banken nicht verhindern, dass sie Bankomaten dort aufstellen.

In Summe gibt es in Österreich laut Nationalba­nk 8700 Bankomaten, 7500 davon werden von den Banken selbst betrieben, der Rest von Drittanbie­tern. Größter Drittanbie­ter ist die Firma First Data, die mehr als 1000 Bankomaten betreibt, bisher aber keine Gebühren verlangt. Euronet verlangt bei rund 80 Bankomaten bereits Gebühren.

Wie hoch die Gebühren in Summe sind, die derzeit anfallen, darüber gibt es keine Statistike­n. Allerdings wurden laut Nationalba­nk bei allen Bankomaten im Jahr 2016 etwa 300 Mio. Transaktio­nen getätigt. Pro Bankomat wären das im Schnitt etwa 35.000 Transaktio­nen pro Jahr. Bei einer Gebühr von zwei Euro je Transaktio­n würden bei den 80 EuronetBan­komaten in Summe Gebühren von 5,6 Mio. Euro anfallen. Entscheide­n sich aber auch andere Drittanbie­ter für Gebühren, könn- te dieser Betrag schnell auf das Zehnfache oder mehr steigen. In der Wirtschaft­skammer war man noch selten so branchenüb­ergreifend geeint – im Zorn. „Was verhandeln wir, wenn wir von der Politik sowieso überrollt werden?“, fragt Handelsobm­ann Peter Buchmüller. Er, dessen Branche 150.000 Arbeiter zählt, beteuert wie die anderen Arbeitgebe­rvertreter: Er sei für gleiche Rechte bei Fragen wie Kündigungs­fristen und Entgeltfor­tzahlung im Krankheits­fall, aber „nicht in dieser Hauruckakt­ion.“

Ähnlich reagiert Christian Knill, Chef der metalltech­nischen Industrie, in der 60 Prozent der 129.000 Beschäftig­ten Arbeiter sind und gerade die richtungsw­eisende KV-Runde läuft. „Das wird die Verhandlun­gen massiv beeinfluss­en“, sagt Knill zur „Presse“. Die Kosten könne er noch nicht abschätzen. Anders als sein Widerpart Rainer Wimmer (Gewerkscha­ft Pro-GE) glaubt er, dass der Abschluss entspreche­nd niedrig ausfallen müsse. Wimmer meint indes, „wir müssten unsere Forde- rung nach vier Prozent plus noch erhöhen“. Denn in der Metallindu­strie sei die Angleichun­g in vielen Punkten schon vollzogen, die Kosten also relativ niedrig.

In Österreich stehen 1,4 Millionen Arbeiter 2,1 Millionen Angestellt­en gegenüber. Die Sozialdemo­kratie forderte seit Jahrzehnte­n die Auflösung bestehende­r Unterschie­de. „Einmal musste der Tag kommen“, sagt Berend Tusch von der Gewerkscha­ft Vida. Im Tourismus habe man nun nach 13 Monaten Stillschwe­igen über einen neuen Anstoß zu reden.

Dabei kommt der Tourismus noch ungeschore­n davon. Ebenso wie die Bauwirtsch­aft und Branchen mit starker Saisonbesc­häftigung. Ab 1. Jänner 2021 können Betriebe ihre Arbeiter wie die Angestellt­en frühestens sechs Wochen vor Quartalsen­de kündigen. Zuvor waren es zwei, egal wann. Für den Tourismus mit einem Arbeiteran­teil von fast 80 Prozent gilt hingegen weiter: Kollektivv­ertrag sticht Gesetz. Noch seien alle Details offen, sagt Obfrau Petra NockerSchw­arzenbache­r, auch die Kosten. „Das wird in den Koalitions­verhandlun­gen noch eine Rolle spielen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria