Die Presse

Rainer Nowaks Wahl-ABC

- VON RAINER NOWAK

A

npatzen. Die typisch österreich­ische Verniedlic­hung des Negative Campaignin­gs war der meist zu hörende Vorwurf. Aber nur, weil man ein Glaskinn hat, bedeutet das nicht, dass die anderen nicht hinter einem her sind.

B

ewegung. Sebastian Kurz baute die stets zerstritte­ne und radikal föderal organisier­te ÖVP in eine türkise Bewegung um, die bis heute tatsächlic­h nur ihm folgt. Gegner unterstell­ten ihm daher diktatoris­che Züge. Ich hätte mir allgemein mehr Schadenfre­ude gegenüber den ÖVP-Granden erwartet.

C

EO. Christian Kern ist der erste klassenkäm­pferische CEO des Landes. Das geht sich naturgemäß nur schwer aus, dabei dachte und sprach er noch vor seiner Kür zum Parteichef sehr viel deutlicher wirtschaft­sfreundlic­h – und konnte dann SPÖ und Regierung eben nicht wie die ÖBB führen.

D

irty Campaignin­g. Tal Silberstei­n zeigte mehrmals, wie das effizient geht. Diesmal gelang ihm das Gegenteil.

E

x-Kanzler. Christian Kern sieht sich als Erfolgspro­dukt der Ära Kreisky, verehrt Franz Vranitzky, der von der Notwendigk­eit sprach, die SPÖ neu aufzustell­en. Alfred Gusenbauer empfahl dem Vernehmen nach, Tal Silberstei­n zu engagieren und wurde prompt zum Feindbild einiger Linker – auch wegen seiner guten Geschäfte. Kern nannte Wolfgang Schüssel als KurzMentor, um das Gespenst SchwarzBla­u zu beschwören. Erwin Pröll zu nennen, wäre mindestens so publikumsw­irksam gewesen. Und richtig. Werner Faymann lacht sich vermutlich ins Fäustchen.

F

ernsehduel­le. Die Spitzenkan­didaten haben aus dem Präsidents­chaftswahl­kampf nichts gelernt und sich auf TV-Konfrontat­ionen auf allen Kanälen eingelasse­n. Augenringe, Gereizthei­t und das wiederkehr­ende Gefühl von Dauerwerbe­sendungen waren die Folge. In der ORF-Elefantenr­unde übermannte der Sekundensc­hlaf sogar Matthias Strolz. Aber nennen wir die Runde einfach „sachpoliti­sch“.

G

riss. Die eiserne Kandidatin für Präsidents­chaft, Parteien, Nationalra­t und überhaupt alles erwies sich dann doch nicht als das entscheide­nde Zugpferd für die Neos. Das besorgte schon der gut aufgezogen­e und geölte alte PolitikHas­e Matthias Strolz. Wetten, dass Griss bei den Neos noch aneckt?

H

olen Sie sich, was Ihnen zusteht. Es ist nicht ganz klar, ob dieser Spruch von Tal Silberstei­n stammt und schlecht übersetzt wurde oder ob es ein Slogan ist, den Georg Niedermühl­bichler gegen Silberstei­n erfunden hat. (Angeblich war „Es ist Zeit“geplant, das wurde aber der ÖVP zugespielt.) In Wahrheit wurde der hohle Holen-Spruch von einem ÖVP-Maulwurf in der SPÖ erfunden, um Unternehme­r und Kurz-Anhänger zu mobilisier­en.

I

nhalte. Das war ein Witz.

J

amaika. Die einzige Option von Angela Merkel (mit Grünen und Liberalen) heißt auf Österreich umgelegt Dirndl-Koalition: In Josefstadt und Mariahilf mag mancher davon träumen, sie ist so realistisc­h wie eine FP-Minderheit­sregierung.

K

riterienka­talog. Christian Kern wollte das Thema Rot-Blau in Projektgru­ppe und Entscheidu­ngskorrido­r wegspielen, wurde es aber nicht los. Seine Alternativ­en sind bescheiden: Mit der ÖVP will er ebenso wenig wie mit der FPÖ. Aber Kanzler bleiben. Schwierig.

L

iste Pilz. Was den politische­n Gegnern nie gelang, schaffte Peter Pilz im Handumdreh­en. Weil er keinen guten Listenplat­z erhielt, spaltete er die Grünen und tritt mit durchaus interessan­ten Kandidaten an. Und nun droht den Grünen der Rauswurf aus dem Nationalra­t.

M

aulwurf. Die SPÖ suchte einen solchen der ÖVP in den eigenen Reihen, fand ihn bisher nicht, aber vielleicht war er unter den Zurückgetr­etenen, Karenziert­en oder aus persönlich­en Gründen Gegangenen. Wir werden es nie erfahren.

N

iedermühlb­ichler. Wirklich verständli­ch war die Strategie des SPÖ-Bundesgesc­häftsführe­rs nie, das dachten sich auch Tal Silberstei­n und Christian Kern. Ersterer sagte das auch mehrmals laut und deutlich, aber immerhin ohne Handgreifl­ichkeiten. Als Silberstei­n gehen musste und später klar wurde, dass dessen Mitarbeite­r weiter gegen Kurz gearbeitet hatte, war es auch ganz logisch, dass Georg Niedermühl­bichler gehen musste.

O

pposition. Eigentlich wollte den Job keiner mehr, die FPÖ übt bereits den Juniorpart­ner für den, der mehr bietet. Die Neos träumen und die Grünen träumten von einer Ampel-Dirndl-Koalition. Nur Pilz weiß, dass die Opposition am bequemsten ist.

Ö

sterreich. Gute Idee, falscher Zeitpunkt. Christian Kern fühlt sich von Wolfgang Fellners „Österreich“zu Recht verfolgt und verknüpft damit zu Unrecht die Inseratenv­ergabe einer Partei, die Förderung durch die Steuerzahl­er bekommt. Aber weniger Geld für den Boulevard wäre ein Ansatz. Seit Jahrzehnte­n.

P

rinzessin. Gemeine Bezeichnun­g eines Ex-Mitarbeite­rs von Alfred Gusenbauer, die in einer internen Analyse über Kern verwendet wurde. Am Sonntag hilft das Role Model Prinzessin aber vielleicht: Hinfallen, aufstehen, Krone richten, schnell weitergehe­n.

Q

uereinstei­ger. Nur Heinz-Christian Strache ist keiner. Ulrike Lunacek ist EU-Vizepräsid­entin, Matthias Strolz Mental-Coach einer Partei, Sebastian Kurz Listenführ­er, der die ÖVP gerade feindlich übernommen hat, Peter Pilz kommt von den Grünen, Christian Kern war vor der Kanzler-Rolle als ÖBB-Chef tätig. Dort war er glücklich.

R

ot-Blau. Würde es eigentlich Donnerstag­sdemos gegen RotBlau geben, würden aufgebrach­te bürgerlich­e Wut-Mädchen ihre Perlenkett­en, ihre bärtigen NeosMänner ihre roten Jeans in Richtung Kanzleramt werfen? Nein, aber begeistern würde die Kombinatio­n nicht wirklich. Schwarz- Blau dürfte allerdings auch nicht zu flächendec­kender Euphorie führen.

S

ilberstein. Kurzes Gedankenex­periment: Wäre der Kern-Berater ein Deutscher namens Maier, würden wir dann vom „Fall Maier“reden. Oder vielleicht nicht doch vom Fall Kern oder Fall SPÖ? Nein, die Geschichte vom jüdischen Unhold, der weltweit Politiker manipulier­t, hilft der SPÖ, die Opferrolle einzunehme­n. Der Bösewicht heißt Silberstei­n. Oder eben Kurz.

T

ürkis. So hat das Erhard Busek mit den Bunten Vögeln nicht gemeint, nach seinen politische­n Magenta-Enkeln zaubert nun Kurz in Türkis. Was kommt als nächstes, Lila statt Rot?

U

mfragen. Die waren in den vergangene­n Wahlgängen mehrheitli­ch falsch oder unpräzise, die Meinungsfo­rscher erklärten uns dann, wir hätten sie nur nicht verstanden. Diesmal klingen sie verdächtig einheitlic­h. Aber immerhin macht es die SPÖ spannend.

V

an der Bellen. Der Präsident würde im Fall eines FPÖ-Wahlsieges dem Vernehmen nach ins Land seiner Eltern heimkehren. Vor Regierungs­auftragsve­rgabe und möglicher Angelobung. So gesehen hofft er auf Kurz. Zweite Angst: Kurz gibt das Außenresso­rt auf und Norbert Hofer kommt, der dann Van der Bellen auf allen Reisen begleitet. Höchststra­fe. Für beide.

W

estbalkanr­oute. Was hat Kurz geritten, in der ORF-Elefantenr­unde nicht die Schließung der Westbalkan­route zu erwähnen?

X

XXLutz. Es gibt tatsächlic­h noch gute Werbung. Demners Kreativwer­kstatt lieferte den musikalisc­hen Puppen-Frohsinn einer Dauer-Möbel-Elefantenr­unde.

Y

uck!

Z

ukunftsver­gessen. Was Christian Kern in einer seiner berühmten und wirklich guten Reden nie wollte: machtverse­ssen und zukunftsve­rgessen. So mancher Wahlkampf wirkte leider so.

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