„Habe keine Generalängste“
Reaktion. Der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl ist zuversichtlich, dass eine Demokratie jedwede Koalitionsvariante bewältigen wird.
Die Presse: Was sagen Sie zum Wahlausgang? Franz Küberl: Die erste Hochrechnung war doch überraschend für mich, weil ich die Blassblauen ( die ÖVP, Anmerkung) weiter vorne vermutet hätte. Jetzt haben wir sozusagen eine bürgerliche und zwei unterschiedliche Arbeiterparteien relativ knapp nebeneinander. Damit haben wir nun drei mittlere und drei kleine Parteien.
Welche Regierungskonstellation präferieren Sie? Ich habe keine Präferenz, das ist jetzt eine Verhandlungssache. Die Demokratie wird jedwede Koalitionsform bewältigen. Ich hab da auch keine Generalängste. Was kommt, kommt. Schade finde ich nur, dass die drei kleinen Parteien in Wirklichkeit nichts beeinflussen können und nicht einmal miteinander die Möglichkeit haben, sich strukturiert bemerkbar zu machen. Außer gute Reden im Parlament halten.
Die Grünen haben stark verloren. Überrascht? Dass sie in dieser Wuchtigkeit ver- loren haben, überrascht mich schon. Aber man muss sagen, sie haben dieses schlechte Wahlergebnis auf ihrem Parteitag im Sommer eingeleitet.
Dafür ist die Liste Pilz stärker als vorhergesagt. Das war für mich abzusehen. Ich gestehe, der Amateur Franz Küberl hätte ihn sogar etwas höher eingeschätzt. Die Frage ist, ob er ein Hecht im Hechtteich sein kann. Weil im Parlament gibt es keine Karpfen.
War dieser Wahlkampf wirklich so viel schmutziger als frühere? Nein, aber er reiht sich leider „würdig“ein. Schade, dass viele jener, die Wahlkämpfe verantwor-
geboren 1953 in Graz, war von 1995 bis 2013 Präsident der Caritas Österreich und von 1994 bis 2016 Direktor der steirischen Teilorganisation derselben. Er ist Mitglied des ORFPublikumsrats und des ORF-Stiftungsrats und einer der Stifter der Katholischer Medien Verein Privatstiftung. Er lebt in Graz, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. ten, nichts dazu lernen können. Dabei hätte es gereicht, wenigstens die Inhalte und Anregungen des Vranitzky-Buches „Zurück zum Respekt“ernst zu nehmen.
Kann man sagen, dass die Politik gerade von Beratern und Einflüsterern zerstört wird? Dass man sich beraten lässt, ist das Recht jedes Wahlkämpfenden. Aber entscheiden, was als Wahlkampfargument, als Wahlkampfmittel verwendet oder nicht verwendet werden kann, sollten schon immer noch die Spitzenkandidaten.
Haben Sie damit gerechnet, dass so viele Menschen über so viele Wochen diese unzähligen TVDuelle sehen wollen? Ich war nicht wirklich überrascht, es geht ja um etwas Zentrales in unserem Land. Das Interesse an Politik ist Gott sei Dank groß. Der Informationsbedarf von so vielen Wählerinnen und Wählern, auch der Interpretationsbedarf nach den Diskussionen, ist eben wirklich enorm. Übrigens, auch eine Menge an Wahlkampfberichterstattung in den Zeitungen wurde ebenfalls gelesen.