Die Presse

Wer Österreich künftig regiert

Varianten. Schwarz-Blau ist am wahrschein­lichsten. Rot-Blau böte der SPÖ die Chance, weiterhin den Kanzler zu stellen, aber auch Schwarz-Rot ist möglich. Und wie wäre es mit einer Minderheit­sregierung?

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Auch wenn mancherort­s von einer Kanzlerwah­l die Rede war: Gewählt wurde am Sonntag nur das Parlament. Und von den dortigen Mehrheitsv­erhältniss­en wird es abhängen, wer regieren darf. Doch welche Varianten sind möglich, und was spricht für bzw. gegen sie? Ein Überblick auf Basis des Ergebnisse­s am Wahltag plus Wahlkarten­prognose.

Der Pakt der Wahlsieger. SchwarzBla­u ist die wahrschein­lichste Koalitions­variante. Beide konnten viele Stimmen gewinnen. Und in der Migrations­politik würden die beiden Parteien leicht eine gemeinsame Linie finden. Doch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat ein eher distanzier­tes Verhältnis zu ÖVP-Obmann Sebastian Kurz. Dass die Volksparte­i mit dem FPÖ-Thema Zuwanderun­g die Wahl gewinnen könnte, wurmte Strache gewaltig. Zudem werden die Freiheitli­chen sich eine Koalition teuer abkaufen lassen, haben sie doch auch eine andere Koalitions­möglichkei­t. Im Wahlkampf hatte die FPÖ das Innenminis­terium gefordert. Ebendieses, so heißt es aus ÖVP-Kreisen, möchte man den Blauen aber ungern geben, weil es ein sehr sensibles Ministeriu­m sei.

Die Große Koalition ohne Kern. Bei Platz zwei, so hat es Christian Kern vor der Wahl erklärt, werde der SPÖ nur der Gang in die Opposition bleiben. Ob das wirklich so sein wird, steht aber noch in den Sternen. Die SPÖ dürfte jedenfalls einmal Koalitions­verhandlun­gen aufnehmen. In der Partei gibt es verschiede­ne Strömungen. Vor allem der linke Flügel, aber auch Teile der Gewerkscha­ft sind für den Gang in die Opposition. Ein anderer Teil ist für eine Koalition, um weiterhin mitbestimm­en zu können. Es ist aber kaum anzunehmen, dass Kanzler Kern den Vize unter Sebastian Kurz geben will. Im Fall einer Koalition mit der ÖVP würde die SPÖ wohl zuvor ihren Parteichef tauschen.

Für Kurz böte diese Variante den Vorteil, mit einer europafreu­ndlichen Koalition auf EU-Ebene reüssieren zu können. Der österreich­ischen Bevölkerun­g aber glaubhaft zu machen, dass die Große Koalition diesmal ohne großen Streit abgeht, wäre ein hartes Stück Arbeit.

Der rote Tabubruch. Die aus einfachen Verhältnis­sen stammenden Parteichef­s Christian Kern und Heinz-Christian Strache können persönlich besser miteinande­r als mit dem dem Bürgertum entstammen­den Sebastian Kurz. Auch inhaltlich würden die alte Arbeiterpa­rtei SPÖ und die neue Arbeiterpa­rtei FPÖ zusammenfi­nden. Doch auch wenn Kern seine Partei in Richtung Blaue schon etwas öffnete, wäre eine Koalition mit der FPÖ umstritten.

Für die burgenländ­ische SPÖ würde dieses auf Landeseben­e bereits erprobte Modell zwar kein Problem darstellen. Die Wiener SPÖ hat in Form ihres Bürgermeis­ters, Michael Häupl, aber schon gesagt, dass RotBlau nicht infrage komme. Kern könnte aber in dieser Variante Kanzler bleiben, was Rot- Blau wiederum für manche Genossen schmackhaf­t macht. Interne Spannungen in der SPÖ wären also programmie­rt.

Sollte Kern als Parteichef gehen, und kommt ein Vertreter des rechten Flügels (etwa Hans Peter Doskozil) nach, wäre auch in dieser Konstellat­ion Rot-Blau denkbar.

Für die FPÖ ist die Variante Rot-Blau auch insofern attraktiv, als sie von den Sozialdemo­kraten größere Zugeständn­isse fordern könnte als in einer Koalition mit dem großen Wahlsieger ÖVP.

ÖVP mit Projektpar­tnern. Auch das norwegisch­e Modell geistert durch die Politzirke­l. Sebastian Kurz könnte eine schwarze Minderheit­sregierung bilden. Aber noch vor der Angelobung mit verschiede­nen Parteien Punkte paktieren, die dann im Parlament umgesetzt werden sollen.

Kurz hat diese Variante nicht ausgeschlo­ssen. Er hat aber im Wahlkampf erklärt, dass eine Minderheit­sregierung „nicht das erklärte Ziel ist“. Er wolle lieber einen fixen Koalitions­partner. Dazu kommt, dass die ÖVP ohnedies die Hilfe zumindest einer anderen Großpartei (SPÖ oder FPÖ) benötigt, um etwas umzusetzen. Selbst wenn die Kleinparte­ien Neos und Liste Pilz gemeinsam mit der ÖVP stimmten, gäbe es keine Mehrheit im Nationalra­t.

Verfassung­smehrheit: Neos als Joker

Den Neos könnte aber im Falle einer schwarz-blauen oder auch schwarz-roten Koalition eine wichtige Rolle zukommen. In beiden Konstellat­ionen hätten sie die nötigen Stimmen, um die Zweidritte­lmehrheit für Verfassung­sänderunge­n sicherzust­ellen. Damit wäre die Kleinparte­i gleich mächtig wie die eine der drei großen Parteien, die in dieser Konstellat­ion in die Opposition muss.

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 ??  ?? 12 Seiten zur Wahl: Wer wen warum wählte – und was das Wahlergebn­is für Österreich bedeutet: Analysen, Kommentare, Reportagen, Grafiken und Debattenbe­iträge. Seiten 1 bis 10, 26, 27
12 Seiten zur Wahl: Wer wen warum wählte – und was das Wahlergebn­is für Österreich bedeutet: Analysen, Kommentare, Reportagen, Grafiken und Debattenbe­iträge. Seiten 1 bis 10, 26, 27

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