Clash der Sternmonster
Astronomie. Es ist erstmals gelungen, durch Gravitationswellen die Kollision zweier Neutronensterne nachzuweisen – und gleich danach die Lichtblitze zu analysieren.
Durch Gravitationswellen wurde die Kollision von Neutronensternen bewiesen.
New Ligo. Source with optical counterpart. Blow your sox off!“Spätestens seit der texanische Astronom J. Craig Wheeler am 18. August diesen Tweet in die (wissenschaftliche) Welt geschickt hatte, war das Gerücht da. Nun ist es bestätigt, vier Publikationen in „ Science“sind offiziell, und es ist bewundernswert, wie treu die beteiligten Physiker so lange das Geheimnis gehütet haben. Dabei war und ist die Aufregung verständlich: Eineinhalb Jahre, nachdem die erste Messung von Gravitationswellen publik wurde – sie betraf kollidierende Schwarze Löcher –, ist es geglückt, mit dieser Methode ein anderes, genauso spektakuläres astronomisches Ereignis zu registrieren.
Am 17. August 2017 hat Ligo (das Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory, das aus zwei gigantischen Messanlagen in den US-Staaten Washington und Louisiana besteht) ein Signal eingefangen: Gravitationswellen, die offenbar von der Kollision zweier Neutronensterne herrührten.
Sofort gingen Meldungen von Ligo an Observatorien weltweit. Der Auftrag war klar – und eilig: Im Gegensatz zu Schwarzen Löchern, die auch unsichtbar bleiben, wenn sie miteinander verschmelzen, produzieren Neutronensterne sehr wohl Licht. Dieses Licht – das genauso schnell reist wie die Gravitationswellen, nämlich mit Lichtgeschwindigkeit – galt es nun schnell einzufangen.
„Glühende Trümmer“
Das gelang einem jungen Team von Astronomen der Carnegie Institution for Science (in Washington, DC) und der University of California, Santa Cruz, das am Las-Campanas-Teleskop in Chile arbeitet. „Wir sahen eine helle blaue Lichtquelle in einer nahe gelegenen Galaxie“(die immerhin 130 Mil- lionen Lichtjahre entfernt ist, Anm.) erzählt einer der beteiligten Astronomen: „Die erste Beobachtung der glühenden Trümmer der Verschmelzung von Neutronensternen. Definitiv ein aufregender Moment.“
Gleich danach gelang es, diverse Spektren aufzunehmen. Sie scheinen eine bisher rein theoretische Antwort auf eine alte Frage zu bestätigen: Wie und wo haben sich chemische Elemente gebildet, die schwerer als Eisen sind? Für die Bildung von Atomkernen, die schwerer sind als braucht man ja Energie. Diese wäre bei der Verschmelzung von Neutronensternen sicher vorhanden, und die Neutronen, die es in die Kerne zu stopfen gilt, wären es ebenfalls. Im Nachglühen habe man Spuren des radioaktiven Zerfalls etlicher schwerer Elemente, etwa Gold, Platin und Uran, gesehen, erklärt Maria Drout von der Carnegie Institution: „Das spricht stark dafür, dass diese Elemente nach der Verschmelzung synthetisiert wurden, und das löst ein 70 Jahre altes Rätsel.“
Nicht nur deshalb schwärmt die Carnegie Institution von einer „neuen Ära der Astronomie“. Bisher hat Ligo ja „nur“Kollisionen von je zwei Schwarzen Löchern registriert – und wurde dafür mit dem Physiknobelpreis 2017 bedacht. Neutronensterne produzieren weniger Energie, die von ihnen ausgelösten Gravitationswellen sind also schwächer, sie können – mit dem derzeitigen Ligo-Setting – nur registriert werden, wenn sie nicht allzu weit entfernt stattfinden. Aber weil Neutronensterne zwar sehr kompakt sind (siehe Kasten), aber nicht so extrem kompakt wie Schwarze Löcher, dauern die Signale, die Ligo registrieren kann, länger. Und sie gehen, wie gesagt, mit optischen Signalen einher. Man kann diese gigantischen Ereignisse also nun mit zwei grundverschiedenen Methoden untersuchen, man kann sie sozusagen hören – der Vergleich der Gravitationswellen mit Schallwellen ist auch unter seriösen Physikern beliebt – und sehen.
Lösen Kollisionen von Neutronensternen auch die rätselhaften Gammablitze aus? Und was entsteht aus den beiden Neutronensternen? Ein Schwarzes Loch? Wie häufig sind solche Zusammenstöße überhaupt? Solche astronomischen Fragen der Schwergewichtsklasse werden nun beantwortbar.