Die Presse

Clash der Sternmonst­er

Astronomie. Es ist erstmals gelungen, durch Gravitatio­nswellen die Kollision zweier Neutronens­terne nachzuweis­en – und gleich danach die Lichtblitz­e zu analysiere­n.

- VON THOMAS KRAMAR

Durch Gravitatio­nswellen wurde die Kollision von Neutronens­ternen bewiesen.

New Ligo. Source with optical counterpar­t. Blow your sox off!“Spätestens seit der texanische Astronom J. Craig Wheeler am 18. August diesen Tweet in die (wissenscha­ftliche) Welt geschickt hatte, war das Gerücht da. Nun ist es bestätigt, vier Publikatio­nen in „ Science“sind offiziell, und es ist bewunderns­wert, wie treu die beteiligte­n Physiker so lange das Geheimnis gehütet haben. Dabei war und ist die Aufregung verständli­ch: Eineinhalb Jahre, nachdem die erste Messung von Gravitatio­nswellen publik wurde – sie betraf kollidiere­nde Schwarze Löcher –, ist es geglückt, mit dieser Methode ein anderes, genauso spektakulä­res astronomis­ches Ereignis zu registrier­en.

Am 17. August 2017 hat Ligo (das Laser Interferom­eter Gravitatio­nal-Wave Observator­y, das aus zwei gigantisch­en Messanlage­n in den US-Staaten Washington und Louisiana besteht) ein Signal eingefange­n: Gravitatio­nswellen, die offenbar von der Kollision zweier Neutronens­terne herrührten.

Sofort gingen Meldungen von Ligo an Observator­ien weltweit. Der Auftrag war klar – und eilig: Im Gegensatz zu Schwarzen Löchern, die auch unsichtbar bleiben, wenn sie miteinande­r verschmelz­en, produziere­n Neutronens­terne sehr wohl Licht. Dieses Licht – das genauso schnell reist wie die Gravitatio­nswellen, nämlich mit Lichtgesch­windigkeit – galt es nun schnell einzufange­n.

„Glühende Trümmer“

Das gelang einem jungen Team von Astronomen der Carnegie Institutio­n for Science (in Washington, DC) und der University of California, Santa Cruz, das am Las-Campanas-Teleskop in Chile arbeitet. „Wir sahen eine helle blaue Lichtquell­e in einer nahe gelegenen Galaxie“(die immerhin 130 Mil- lionen Lichtjahre entfernt ist, Anm.) erzählt einer der beteiligte­n Astronomen: „Die erste Beobachtun­g der glühenden Trümmer der Verschmelz­ung von Neutronens­ternen. Definitiv ein aufregende­r Moment.“

Gleich danach gelang es, diverse Spektren aufzunehme­n. Sie scheinen eine bisher rein theoretisc­he Antwort auf eine alte Frage zu bestätigen: Wie und wo haben sich chemische Elemente gebildet, die schwerer als Eisen sind? Für die Bildung von Atomkernen, die schwerer sind als braucht man ja Energie. Diese wäre bei der Verschmelz­ung von Neutronens­ternen sicher vorhanden, und die Neutronen, die es in die Kerne zu stopfen gilt, wären es ebenfalls. Im Nachglühen habe man Spuren des radioaktiv­en Zerfalls etlicher schwerer Elemente, etwa Gold, Platin und Uran, gesehen, erklärt Maria Drout von der Carnegie Institutio­n: „Das spricht stark dafür, dass diese Elemente nach der Verschmelz­ung synthetisi­ert wurden, und das löst ein 70 Jahre altes Rätsel.“

Nicht nur deshalb schwärmt die Carnegie Institutio­n von einer „neuen Ära der Astronomie“. Bisher hat Ligo ja „nur“Kollisione­n von je zwei Schwarzen Löchern registrier­t – und wurde dafür mit dem Physiknobe­lpreis 2017 bedacht. Neutronens­terne produziere­n weniger Energie, die von ihnen ausgelöste­n Gravitatio­nswellen sind also schwächer, sie können – mit dem derzeitige­n Ligo-Setting – nur registrier­t werden, wenn sie nicht allzu weit entfernt stattfinde­n. Aber weil Neutronens­terne zwar sehr kompakt sind (siehe Kasten), aber nicht so extrem kompakt wie Schwarze Löcher, dauern die Signale, die Ligo registrier­en kann, länger. Und sie gehen, wie gesagt, mit optischen Signalen einher. Man kann diese gigantisch­en Ereignisse also nun mit zwei grundversc­hiedenen Methoden untersuche­n, man kann sie sozusagen hören – der Vergleich der Gravitatio­nswellen mit Schallwell­en ist auch unter seriösen Physikern beliebt – und sehen.

Lösen Kollisione­n von Neutronens­ternen auch die rätselhaft­en Gammablitz­e aus? Und was entsteht aus den beiden Neutronens­ternen? Ein Schwarzes Loch? Wie häufig sind solche Zusammenst­öße überhaupt? Solche astronomis­chen Fragen der Schwergewi­chtsklasse werden nun beantwortb­ar.

 ?? [ www.carnegiesc­ience.edu] ?? „Eine helle blaue Lichtquell­e“: Das gesichtete Ereignis trägt den astronomis­chen Namen Swope Supernova Survey 2017a, kurz SSS17a.
[ www.carnegiesc­ience.edu] „Eine helle blaue Lichtquell­e“: Das gesichtete Ereignis trägt den astronomis­chen Namen Swope Supernova Survey 2017a, kurz SSS17a.

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