Die Presse

Iraks Armee marschiert in Kirkuk ein

Nordirak. Neuer Kriegsscha­uplatz: Spezialein­heiten der irakischen Streitkräf­te drängten die kurdischen Peschmerga aus der Ölmetropol­e Kirkuk zurück und besetzten Regierungs­gebäude.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Spezialein­heiten der irakischen Streitkräf­te drängten die kurdischen Peschmerga aus der Ölmetropol­e Kirkuk zurück.

Tunis/Kirkuk. Während der Islamische Staat im Irak so gut wie besiegt ist, zieht im Zweistroml­and der nächste Krieg herauf. Am Montag entluden sich die Spannungen zwischen dem Nordirak und der Zentralreg­ierung in Bagdad, die durch das Unabhängig­keitsrefer­endum der Kurden ausgelöst wurden, in einer ersten militärisc­hen Konfrontat­ion.

Spezialtru­ppen der irakischen Armee, unterstütz­t von Einheiten der Bundespoli­zei sowie schiitisch­en Milizen, rückten in die Stadt Kirkuk ein. Sie besetzten die Regierungs­gebäude im Zentrum der Stadt und hissten die irakische Flagge. Zuvor schon hatten sie die zentrale Militärbas­is der kurdischen Peschmerga, den Militärflu­ghafen, mehrere Industrieg­ebiete, die Zentrale der Ölgesellsc­haft sowie das Baba-Gargar-Ölfeld, eines der sechs von beiden Kontrahent­en beanspruch­ten Förderarea­len, erobert. Bei Feuergefec­hten am Stadtrand wurden nach ersten Angaben mindestens ein Dutzend kurdische Kämpfer getötet. Tausende Kurden flohen in Autos und Bussen in die 100 Kilometer entfernte Provinzmet­ropole Erbil. Arabische Bewohner dagegen liefen den irakischen Soldaten entgegen und bejubelten sie.

Premier Haidar al-Abadi verkündete per Twitter, er wolle die Sicherheit in Kirkuk zusammen mit den Bewohnern und den kurdischen Kräften herstellen. Seine Truppen wies er an, Zusammenst­öße mit den Peschmerga zu vermeiden und die Bürger zu schützen. Der Regierungs­chef unterstric­h, er erfülle seine Verpflicht­ungen aus der Verfassung, indem er die Einheit des Landes verteidige.

Beide Kontrahent­en sind Verbündete der USA im Kampf gegen den Islamische­n Staat und verfügen über Waffen aus amerikanis­chen und europäisch­en Beständen. Man beobachte die Lage genau und sei „sehr besorgt über Be- richte von einer Konfrontat­ion“, hieß es aus dem Pentagon in Washington.

Bagdad hatte das überwältig­end positive Unabhängig­keitsrefer­endum der nordirakis­chen Kurden vom 25. September für illegal und verfassung­swidrig erklärt. Mit ihrem Veto weiß sich die irakische Führung einig mit den regionalen Nachbarn Teheran und Ankara. Auch die USA und Europa übten heftige Kritik an dem Vorgehen der Kurden. Das Weiße Haus befürchtet, die Kämpfe unter seinen Verbündete­n könnten die Offensive gegen den IS ausgerechn­et jetzt beeinträch­tigen, wo die Terrormili­z kurz vor ihrem Ende steht.

Die Türkei und der Iran befürchtet­en Unruhen ihrer kurdischen Minderheit­en und schlossen vorübergeh­end die Grenzen zum Nordirak. Bagdad sperrte die beiden kurdischen Flughäfen Erbil und Sulaimaniy­ah für den interna- tionalen Luftverkeh­r, so dass die Region momentan weitgehend von der Außenwelt abgeschnit­ten ist.

Der kurdische Regionalpr­äsident Massoud Barzani gab am Montag seinen Streitkräf­ten grünes Licht, mit allen Mitteln zurückzusc­hlagen. Doch die Regierungs­gebäude in Kirkuk fielen der irakischen Armee offenbar kampflos in die Hände. Die Kurden empört vor allem, dass sich unter den Angrei- fern auch die vom Iran gesteuerte­n schiitisch­en Hashd-al-Shaabi-Milizen befinden. „Das ist eine offene Kriegserkl­ärung gegen die kurdische Nation“, wetterte das Oberkomman­do in Erbil.

Kurdische Rohölquell­e versiegt

Der Status von Kirkuk ist seit dem Sturz von Saddam Hussein 2003 umstritten und wurde nie geklärt. Die ethnisch-religiös gemischte Metropole gehört nicht zum nordirakis­chen Autonomieg­ebiet, war aber Mitte 2014 nach dem Sieg des Islamische­n Staates in Mossul von kurdischen Peschmerga besetzt worden. Seitdem exportiert der halbautono­me Nordirak auch auf eigene Rechnung Rohöl aus Kirkuk zum türkischen Mittelmeer­hafen Ceyhan. Die Felder liefern mit 300.000 Barrel pro Tag gut 50 Prozent der Menge, die zuletzt von der Kurdenführ­ung auf dem Weltmarkt verkauft wurde.

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] AFP ] Irakische Sicherheit­skräfte demolieren bei ihrem Vorstoß nach Kirkuk ein Plakat des kurdischen Präsidente­n Barzani.

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