Klimawandel führt zu Massenflucht
Laurent Fabius. Der Vater des Pariser Klimavertrags kommentiert das Wahlergebnis indirekt: Wer die Erderwärmung von der Agenda nimmt, verantworte Migrationswellen von morgen.
Laurent Fabius, der Vater des Pariser Klimavertrags, erklärt, was Migrationswellen mit der Erderwärmung zu tun haben.
Wien. Über Jahrzehnte war Laurent Fabius einer der klangvollsten Namen der französischen Politik. Sein Träger war Premier, Parteichef, Parlamentspräsident, Finanzund zuletzt Außenminister. Heute ist der Sozialist Präsident des Verfassungsgerichtshofs. Internationale Lorbeeren verdiente er sich aber erst als Leiter der Pariser Klimakonferenz. Dass sie zum ersten weltweiten Abkommen gegen die vom Menschen verursachte Erderwärmung führte, ist seinem diplomatischen Geschick zu verdanken.
In Sachen Klima und Umwelt war der 71-Jährige am Montag in Wien. Aber er schlug im Gespräch mit einigen Journalisten auch die Brücke zum österreichischen Wahlergebnis: „Die Fragen der Migration und der Sicherheit haben eine große Rolle gespielt.“Die Grünen aber fliegen als einzige Partei, die den Klimawandel zu einem Thema ihrer Kampagne machten, aus dem Nationalrat. Ihren Absturz will Fabius, ganz freundlicher Diplomat, „nicht als mangelndes Interesse an Umweltthemen interpretieren“. Seine Botschaft bringt er aber anders, indirekt unter.
Keine Konzession an Trump
Wenn Wüstenbildung, Überschwemmungen und Naturkatastrophen weltweit zunehmen, steige auch das „Risiko von Migration“stark an. „Dann haben Sie nicht mehr Hundertausende, die auswandern müssen, sondern Dutzende Millionen.“Deshalb hätte der Weltklimarat ja auch den Friedensnobelpreis erhalten und nicht jenen für Physik: „Es geht bei diesem Thema um Krieg oder Frieden – und um die Sicherheit.“
Die Klimafrage bleibt für den spät berufenen Advokaten des Umweltschutzes höchst beunruhigend: „Wenn wir uns nicht an die Vereinbarung halten und darüber hinausgehen, landen wir bei einer enormen Temperaturzunahme.“Trotzdem steigt US-Präsident Trump aus dem Bündnis aus. Fabius ist froh, dass bisher kein Staat dem Beispiel folgen wollte. Dass man Trump durch Zugeständnisse im Boot hält, ist für ihn undenkbar: „Ein einzelnes Land kann das Abkommen nicht ändern.“Dieses sieht vor: Um die Erderwärmung zu drosseln, muss jeder Staat seine Maßnahmen laufend anpassen – „und zwar ausschließlich nach oben, nie nach unten“. Das sei „der Mechanismus dieser Vereinbarung“. Wenn der US-Präsident ihn ändern will, „fällt damit das Abkommen in sich zusammen“.
Im November findet in Bonn die 23. Klimakonferenz statt. Dabei geht es um die Umsetzung von Paris. Fabius skizziert die Themen: „Wie kontrolliert man die Zuverlässigkeit von Angaben, die Länder machen? Wie sorgt man dafür, dass Maßnahmen umgesetzt werden?“Dazu fehlen Sanktionen, weshalb Kritiker das Pariser Ab- kommen für zahnlos halten. Fabius verteidigt sein Ergebnis. Er musste 195 Staaten unter einen Hut bringen: „Am Ende, als ich fragte, ob jemand nicht einverstanden ist, durfte niemand die Hand heben. Sie können sich vorstellen, wie schwer das hinzukriegen ist!“Hätte man im Entwurf Staaten, die ihre Zusagen nicht einhalten, mit Geldstrafen oder Haft für ihre Politiker gedroht, „dann hätten wir überhaupt keine Chance gehabt“.
Fabius vertraut stattdessen auf den Gruppenzwang: „Wer sich nicht an Zusagen hält, schwächt sein internationales Ansehen“– siehe Trump. Dazu komme der Druck der öffentlichen Meinung im Land, wenn sich Naturkatastrophen wie Hurricanes häufen. Zudem setzt er auf die Wirtschaft: Immer mehr Unternehmen agierten klimaverträglich, „nicht weil sie solche Menschenfreunde sind, sondern weil sie begriffen haben, dass sie sonst bestraft werden“.
Die Ratingagentur S&P bewerte Firmen künftig schlechter, wenn sie nicht in Richtung Erneuerbare Energien gehen. Der norwegische Staatsfonds, mit einer Billion Dollar der größte der Welt, ziehe sich aus allen Kohleinvestitionen zurück. Es gäbe „eine ganze Bewegung“für die Umsetzung des Pariser Abkommens, die „nicht juristisch, aber extrem mächtig ist“.
Das sei „ein neuer Zug der internationalen Diplomatie“. Ganze Gesellschaft treffen Zusagen, wer sie einhält, entwickle sich weiter, wer nicht, werde ausgegrenzt.
Umweltpakt als neues Projekt
Freilich: Für die Zukunft müsse man auch rechtlich verbindliche Verträge entwickeln. Darum geht es beim „globalen Umweltpakt“, einer neuen französischen Initiative, die Fabius angeregt hat. Das Ziel: Das sehr fragmentierte internationale Umweltrecht sollen Juristen in eine Charta gießen. „Das ist natürlich viel einfacher, weil wir Prinzipien aufgreifen, über die Einigkeit besteht.“Der Entwurf wurde im September vor der UNO präsentiert. Frankreichs Präsident Macron hat das Ziel vorgegeben, ihn 2020 zu verabschieden. „Extrem kurz“sei das für einen internationalen Pakt. Weshalb Fabius nun überall dafür wirbt – auch in Wien, wo man zurzeit glaubt, ganz andere Sorgen zu haben.