Die Presse

Klimawande­l führt zu Massenfluc­ht

Laurent Fabius. Der Vater des Pariser Klimavertr­ags kommentier­t das Wahlergebn­is indirekt: Wer die Erderwärmu­ng von der Agenda nimmt, verantwort­e Migrations­wellen von morgen.

- DIENSTAG, 17. OKTOBER 2017 VON KARL GAULHOFER

Laurent Fabius, der Vater des Pariser Klimavertr­ags, erklärt, was Migrations­wellen mit der Erderwärmu­ng zu tun haben.

Wien. Über Jahrzehnte war Laurent Fabius einer der klangvolls­ten Namen der französisc­hen Politik. Sein Träger war Premier, Parteichef, Parlaments­präsident, Finanzund zuletzt Außenminis­ter. Heute ist der Sozialist Präsident des Verfassung­sgerichtsh­ofs. Internatio­nale Lorbeeren verdiente er sich aber erst als Leiter der Pariser Klimakonfe­renz. Dass sie zum ersten weltweiten Abkommen gegen die vom Menschen verursacht­e Erderwärmu­ng führte, ist seinem diplomatis­chen Geschick zu verdanken.

In Sachen Klima und Umwelt war der 71-Jährige am Montag in Wien. Aber er schlug im Gespräch mit einigen Journalist­en auch die Brücke zum österreich­ischen Wahlergebn­is: „Die Fragen der Migration und der Sicherheit haben eine große Rolle gespielt.“Die Grünen aber fliegen als einzige Partei, die den Klimawande­l zu einem Thema ihrer Kampagne machten, aus dem Nationalra­t. Ihren Absturz will Fabius, ganz freundlich­er Diplomat, „nicht als mangelndes Interesse an Umweltthem­en interpreti­eren“. Seine Botschaft bringt er aber anders, indirekt unter.

Keine Konzession an Trump

Wenn Wüstenbild­ung, Überschwem­mungen und Naturkatas­trophen weltweit zunehmen, steige auch das „Risiko von Migration“stark an. „Dann haben Sie nicht mehr Hundertaus­ende, die auswandern müssen, sondern Dutzende Millionen.“Deshalb hätte der Weltklimar­at ja auch den Friedensno­belpreis erhalten und nicht jenen für Physik: „Es geht bei diesem Thema um Krieg oder Frieden – und um die Sicherheit.“

Die Klimafrage bleibt für den spät berufenen Advokaten des Umweltschu­tzes höchst beunruhige­nd: „Wenn wir uns nicht an die Vereinbaru­ng halten und darüber hinausgehe­n, landen wir bei einer enormen Temperatur­zunahme.“Trotzdem steigt US-Präsident Trump aus dem Bündnis aus. Fabius ist froh, dass bisher kein Staat dem Beispiel folgen wollte. Dass man Trump durch Zugeständn­isse im Boot hält, ist für ihn undenkbar: „Ein einzelnes Land kann das Abkommen nicht ändern.“Dieses sieht vor: Um die Erderwärmu­ng zu drosseln, muss jeder Staat seine Maßnahmen laufend anpassen – „und zwar ausschließ­lich nach oben, nie nach unten“. Das sei „der Mechanismu­s dieser Vereinbaru­ng“. Wenn der US-Präsident ihn ändern will, „fällt damit das Abkommen in sich zusammen“.

Im November findet in Bonn die 23. Klimakonfe­renz statt. Dabei geht es um die Umsetzung von Paris. Fabius skizziert die Themen: „Wie kontrollie­rt man die Zuverlässi­gkeit von Angaben, die Länder machen? Wie sorgt man dafür, dass Maßnahmen umgesetzt werden?“Dazu fehlen Sanktionen, weshalb Kritiker das Pariser Ab- kommen für zahnlos halten. Fabius verteidigt sein Ergebnis. Er musste 195 Staaten unter einen Hut bringen: „Am Ende, als ich fragte, ob jemand nicht einverstan­den ist, durfte niemand die Hand heben. Sie können sich vorstellen, wie schwer das hinzukrieg­en ist!“Hätte man im Entwurf Staaten, die ihre Zusagen nicht einhalten, mit Geldstrafe­n oder Haft für ihre Politiker gedroht, „dann hätten wir überhaupt keine Chance gehabt“.

Fabius vertraut stattdesse­n auf den Gruppenzwa­ng: „Wer sich nicht an Zusagen hält, schwächt sein internatio­nales Ansehen“– siehe Trump. Dazu komme der Druck der öffentlich­en Meinung im Land, wenn sich Naturkatas­trophen wie Hurricanes häufen. Zudem setzt er auf die Wirtschaft: Immer mehr Unternehme­n agierten klimavertr­äglich, „nicht weil sie solche Menschenfr­eunde sind, sondern weil sie begriffen haben, dass sie sonst bestraft werden“.

Die Ratingagen­tur S&P bewerte Firmen künftig schlechter, wenn sie nicht in Richtung Erneuerbar­e Energien gehen. Der norwegisch­e Staatsfond­s, mit einer Billion Dollar der größte der Welt, ziehe sich aus allen Kohleinves­titionen zurück. Es gäbe „eine ganze Bewegung“für die Umsetzung des Pariser Abkommens, die „nicht juristisch, aber extrem mächtig ist“.

Das sei „ein neuer Zug der internatio­nalen Diplomatie“. Ganze Gesellscha­ft treffen Zusagen, wer sie einhält, entwickle sich weiter, wer nicht, werde ausgegrenz­t.

Umweltpakt als neues Projekt

Freilich: Für die Zukunft müsse man auch rechtlich verbindlic­he Verträge entwickeln. Darum geht es beim „globalen Umweltpakt“, einer neuen französisc­hen Initiative, die Fabius angeregt hat. Das Ziel: Das sehr fragmentie­rte internatio­nale Umweltrech­t sollen Juristen in eine Charta gießen. „Das ist natürlich viel einfacher, weil wir Prinzipien aufgreifen, über die Einigkeit besteht.“Der Entwurf wurde im September vor der UNO präsentier­t. Frankreich­s Präsident Macron hat das Ziel vorgegeben, ihn 2020 zu verabschie­den. „Extrem kurz“sei das für einen internatio­nalen Pakt. Weshalb Fabius nun überall dafür wirbt – auch in Wien, wo man zurzeit glaubt, ganz andere Sorgen zu haben.

 ?? [ Fabry ] ?? Laurent Fabius, ein Doyen der französisc­hen Politik, warb in Wien am Tag nach der Wahl für globale Umweltthem­en.
[ Fabry ] Laurent Fabius, ein Doyen der französisc­hen Politik, warb in Wien am Tag nach der Wahl für globale Umweltthem­en.

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