„Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass die SPÖ in der Regierung bleibt“
Interview. Christian Kern solle Parteichef bleiben und die SPÖ in eine Koalition führen – mit wem auch immer, sagt Landeshauptmann Hans Niessl. Aber nicht um jeden Preis.
Die Presse: Wie geht es Ihnen mit dem Wahlergebnis? Hans Niessl: Mit dem bundesweiten oder mit dem burgenländischen?
Zunächst einmal mit dem bundesweiten. Durch den großen Einsatz des Bundeskanzlers hat die SPÖ den zweiten Platz erreicht. Die Chancen auf eine Koalitionsbeteiligung sind damit größer, als das mit dem dritten Platz der Fall wäre.
Sie wollen, dass die SPÖ nach Möglichkeit in der Regierung bleibt? Christian Kern hat von der Partei die Vollmacht bekommen, mit allen Parteien Koalitionsverhandlungen zu führen. Wenn die Ergebnisse passen und die SPÖ ihr Wahlprogramm in einem relativ großen Ausmaß umsetzen kann, dann bin ich für die Regierung. Wenn sich die SPÖ im Regierungsprogramm und in der Verteilung der Ministerien nicht wiederfindet, dann bin ich für die Opposition. Aber diese Bewertung wird dann schon der Bundeskanzler vornehmen. Er wird der Partei nur dann eine Koalition vorschlagen, wenn sein Plan A entsprechend umgesetzt wird.
Was sind Ihre Koalitionsbedingungen? Wenn alle Gesprächspartner schon vorab Bedingungen formulieren, wird es schwierig. Daher verzichte ich darauf.
Aber auf ein Ministerium für Hans Peter Doskozil bestehen Sie schon. Na ja, dass der Hans Peter Doskozil ein großer Aktivposten in der Regierung und einer der besten Sicherheitsexperten mit überregionaler Reputation ist, das ist selbstverständlich. Deshalb sollte er in einer Regierung mit SPÖ-Beteiligung auch dabei sein.
Man hat Sie in der Vergangenheit nicht gerade als großen Fan von Sebastian Kurz erlebt. Kann man daraus schließen, dass Sie eine Koalition mit der FPÖ – wie im Burgenland – bevorzugen würden? Wenn man keine Inhalte und kein Koalitionsabkommen kennt, kann man nicht von Haus aus eine Partei bevorzugen. Zuerst müssen Ergebnisse vorliegen, erst dann kann ich die Situation beurteilen. Und mich festlegen.
Können Sie sich Christian Kern als Vizekanzler unter Sebastian Kurz vorstellen? Er wahrscheinlich nicht. Er hat das Mandat zu Gesprächen und wird das sehr ernst nehmen. Am Ende wird er uns einen Vorschlag machen.
Aber er soll in jedem Fall SPÖ-Chef bleiben. Christian Kern hat in eineinhalb Jahren viel Positives für Österreich erwirkt. Ich bin dafür, dass er bleibt.
Warum hat er es nicht geschafft, Platz eins zu verteidigen? Grundsätzlich muss man sagen, dass es im Wahlkampf doch einige Probleme gegeben hat. Wenn drei Wochen vor der Wahl der Wahlkampfleiter zurücktritt – das ist meines Wissens noch nie da gewesen. Und ich bin seit 32 Jahren in der Politik. Wir brauchen im Detail jetzt nicht über alle Punkte zu sprechen. Aber übereinstimmende Meinung in der SPÖ ist, dass da nicht alles rund gelaufen ist. Der zweite Grund war, dass man erst in der letzten Wahlkampfwoche dazu gekommen ist, über die großen Themen, die Österreich wirklich bewegen, zu diskutieren. Also über den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung.
Aber ist es nicht so, dass der Parteichef immer auch eine Mitverantwortung für einen missglückten Wahlkampf trägt? Die Verantwortung ist natürlich immer gegeben, aber man muss ganz offen dazusagen: Der Parteichef ist im Wahlkampf extrem im Einsatz. Er kann nicht auch noch acht Stunden am Tag im Büro sitzen und sich um jedes Detail – Umfragen und Strategien etwa – kümmern. Da muss er sich auf ein Team verlassen können. Offenbar ist bei der Personalauswahl etwas passiert. Das wird man noch zu analysieren haben. Ich würde Christian Kern aber keinen Vorwurf machen. Er hat das sehr gut gemacht. Die Fehler sind woanders passiert.
Im Burgenland hat die SPÖ fast viereinhalb Prozentpunkte verloren und wäre beinahe hinter die ÖVP zurückgefallen. Man wollte stärkste Landesorganisation bleiben, musste den Titel aber an die Wiener abtreten. Was war da los? Die Probleme im Wahlkampf, die ich eben beschrieben habe, haben sich natürlich auch aufs Burgenland übertragen.
Warum dann nicht auf Wien – dort hat die SPÖ sogar zugelegt? Die Wiener SPÖ hat sehr stark von den Grünen profitiert. Viele Stimmen sind von den Grünen zur SPÖ gegangen. Das geht bei uns nicht, weil es im Burgenland kein grünes Wählerpotenzial gibt. Aber man muss den Wiener Kollegen auch gratulieren: großes Kompliment an Michael Häupl.
Michael Häupl betrachtet das Wahlergebnis als Statement gegen eine Koalition mit den Freiheitlichen. Demnach hat sich das Wiener Modell gegen das rot-blaue Modell im Burgenland durchgesetzt. Häupls Modell mag für Wien richtig sein. Wien ist eine Millionenstadt, ein urbanes Zentrum. Das Burgenland dagegen das ländlichste Gebiet in Österreich. Da gibt es deutliche Unterschiede in der Einstellung, im Wahlverhalten, in der soziologischen Zusammensetzung. Auf diese Unterschiede muss die SPÖ Rücksicht nehmen.
Wenn die SPÖ doch in Opposition muss oder will, was soll Hans Peter Doskozil dann jobmäßig machen? Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass die SPÖ in der Regierung bleibt. Alles andere ist für uns im Moment nicht aktuell, daher diskutieren wir das auch nicht.