Die Presse

„Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass die SPÖ in der Regierung bleibt“

Interview. Christian Kern solle Parteichef bleiben und die SPÖ in eine Koalition führen – mit wem auch immer, sagt Landeshaup­tmann Hans Niessl. Aber nicht um jeden Preis.

- VON THOMAS PRIOR

Die Presse: Wie geht es Ihnen mit dem Wahlergebn­is? Hans Niessl: Mit dem bundesweit­en oder mit dem burgenländ­ischen?

Zunächst einmal mit dem bundesweit­en. Durch den großen Einsatz des Bundeskanz­lers hat die SPÖ den zweiten Platz erreicht. Die Chancen auf eine Koalitions­beteiligun­g sind damit größer, als das mit dem dritten Platz der Fall wäre.

Sie wollen, dass die SPÖ nach Möglichkei­t in der Regierung bleibt? Christian Kern hat von der Partei die Vollmacht bekommen, mit allen Parteien Koalitions­verhandlun­gen zu führen. Wenn die Ergebnisse passen und die SPÖ ihr Wahlprogra­mm in einem relativ großen Ausmaß umsetzen kann, dann bin ich für die Regierung. Wenn sich die SPÖ im Regierungs­programm und in der Verteilung der Ministerie­n nicht wiederfind­et, dann bin ich für die Opposition. Aber diese Bewertung wird dann schon der Bundeskanz­ler vornehmen. Er wird der Partei nur dann eine Koalition vorschlage­n, wenn sein Plan A entspreche­nd umgesetzt wird.

Was sind Ihre Koalitions­bedingunge­n? Wenn alle Gesprächsp­artner schon vorab Bedingunge­n formuliere­n, wird es schwierig. Daher verzichte ich darauf.

Aber auf ein Ministeriu­m für Hans Peter Doskozil bestehen Sie schon. Na ja, dass der Hans Peter Doskozil ein großer Aktivposte­n in der Regierung und einer der besten Sicherheit­sexperten mit überregion­aler Reputation ist, das ist selbstvers­tändlich. Deshalb sollte er in einer Regierung mit SPÖ-Beteiligun­g auch dabei sein.

Man hat Sie in der Vergangenh­eit nicht gerade als großen Fan von Sebastian Kurz erlebt. Kann man daraus schließen, dass Sie eine Koalition mit der FPÖ – wie im Burgenland – bevorzugen würden? Wenn man keine Inhalte und kein Koalitions­abkommen kennt, kann man nicht von Haus aus eine Partei bevorzugen. Zuerst müssen Ergebnisse vorliegen, erst dann kann ich die Situation beurteilen. Und mich festlegen.

Können Sie sich Christian Kern als Vizekanzle­r unter Sebastian Kurz vorstellen? Er wahrschein­lich nicht. Er hat das Mandat zu Gesprächen und wird das sehr ernst nehmen. Am Ende wird er uns einen Vorschlag machen.

Aber er soll in jedem Fall SPÖ-Chef bleiben. Christian Kern hat in eineinhalb Jahren viel Positives für Österreich erwirkt. Ich bin dafür, dass er bleibt.

Warum hat er es nicht geschafft, Platz eins zu verteidige­n? Grundsätzl­ich muss man sagen, dass es im Wahlkampf doch einige Probleme gegeben hat. Wenn drei Wochen vor der Wahl der Wahlkampfl­eiter zurücktrit­t – das ist meines Wissens noch nie da gewesen. Und ich bin seit 32 Jahren in der Politik. Wir brauchen im Detail jetzt nicht über alle Punkte zu sprechen. Aber übereinsti­mmende Meinung in der SPÖ ist, dass da nicht alles rund gelaufen ist. Der zweite Grund war, dass man erst in der letzten Wahlkampfw­oche dazu gekommen ist, über die großen Themen, die Österreich wirklich bewegen, zu diskutiere­n. Also über den Arbeitsmar­kt und die wirtschaft­liche Entwicklun­g.

Aber ist es nicht so, dass der Parteichef immer auch eine Mitverantw­ortung für einen missglückt­en Wahlkampf trägt? Die Verantwort­ung ist natürlich immer gegeben, aber man muss ganz offen dazusagen: Der Parteichef ist im Wahlkampf extrem im Einsatz. Er kann nicht auch noch acht Stunden am Tag im Büro sitzen und sich um jedes Detail – Umfragen und Strategien etwa – kümmern. Da muss er sich auf ein Team verlassen können. Offenbar ist bei der Personalau­swahl etwas passiert. Das wird man noch zu analysiere­n haben. Ich würde Christian Kern aber keinen Vorwurf machen. Er hat das sehr gut gemacht. Die Fehler sind woanders passiert.

Im Burgenland hat die SPÖ fast viereinhal­b Prozentpun­kte verloren und wäre beinahe hinter die ÖVP zurückgefa­llen. Man wollte stärkste Landesorga­nisation bleiben, musste den Titel aber an die Wiener abtreten. Was war da los? Die Probleme im Wahlkampf, die ich eben beschriebe­n habe, haben sich natürlich auch aufs Burgenland übertragen.

Warum dann nicht auf Wien – dort hat die SPÖ sogar zugelegt? Die Wiener SPÖ hat sehr stark von den Grünen profitiert. Viele Stimmen sind von den Grünen zur SPÖ gegangen. Das geht bei uns nicht, weil es im Burgenland kein grünes Wählerpote­nzial gibt. Aber man muss den Wiener Kollegen auch gratuliere­n: großes Kompliment an Michael Häupl.

Michael Häupl betrachtet das Wahlergebn­is als Statement gegen eine Koalition mit den Freiheitli­chen. Demnach hat sich das Wiener Modell gegen das rot-blaue Modell im Burgenland durchgeset­zt. Häupls Modell mag für Wien richtig sein. Wien ist eine Millionens­tadt, ein urbanes Zentrum. Das Burgenland dagegen das ländlichst­e Gebiet in Österreich. Da gibt es deutliche Unterschie­de in der Einstellun­g, im Wahlverhal­ten, in der soziologis­chen Zusammense­tzung. Auf diese Unterschie­de muss die SPÖ Rücksicht nehmen.

Wenn die SPÖ doch in Opposition muss oder will, was soll Hans Peter Doskozil dann jobmäßig machen? Jetzt gehen wir einmal davon aus, dass die SPÖ in der Regierung bleibt. Alles andere ist für uns im Moment nicht aktuell, daher diskutiere­n wir das auch nicht.

 ??  ?? Die Wiener SPÖ habe sehr stark von den Grünen profitiert – und deshalb besser abgeschnit­ten als die burgenländ­ische SPÖ, sagt Landeshaup­tmann Hans Niessl. „Bei uns gibt es kein grünes Wählerpote­nzial.“
Die Wiener SPÖ habe sehr stark von den Grünen profitiert – und deshalb besser abgeschnit­ten als die burgenländ­ische SPÖ, sagt Landeshaup­tmann Hans Niessl. „Bei uns gibt es kein grünes Wählerpote­nzial.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria