„Was Kurz sagt, ist jetzt Gesetz“
Interview. Michael Spindelegger gilt als Erfinder von Sebastian Kurz. Er hat ihn 2011 als Staatssekretär in die Regierung geholt und mit dem Thema Immigration beauftragt.
Die Presse: Hat sich eigentlich die ÖVP schon bei Ihnen für Sebastian Kurz bedankt, den Sie ja in die Regierung gebracht haben? Michael Spindelegger: Bei der Wahlfeier haben mich viele darauf angesprochen. Aber er hat es allein geschafft, ich hab ihm nur die Chance gegeben.
Als Sie ihn 2011 als Integrationsstaatssekretär vorgestellt haben, gab es Widerstand und viel Häme. Ja, aber er hat ein Talent für Politik, und es war richtig, schon damals auf dieses Thema zu setzen. Migration ist die entscheidende Frage in Europa geworden.
Sie sind 2014 wegen der vielen internen Querschüsse als Parteiobmann zurückgetreten. Hat es Sie überrascht, dass es die ÖVP – die Bünde und die Landeshauptleute – in diesem Wahlkampf so lange geschafft hat, den Obmann nicht zu kritisieren? (lacht) Wenn man, so wie ich, einiges erlebt hat, überrascht einen manches schon. Aber es haben die Umstände gepasst: Als Sebastian Kurz gesagt hat, wir gehen in Neuwahlen, haben alle den Atem angehalten. Es galt ja, dass der, der Wahlen ausruft, dafür bestraft wird. Dass sich das nicht bewahrheitet hat, ist seiner Person zu verdanken, weil er so viel Schwung hineingebracht hat, da haben alle an einem Strang gezogen. Das ist jetzt eine neue Chance für die alte Tante ÖVP, auf neuen Beinen den Weg nach vorn anzutreten.
Hätte ein anderer Kandidat mit dem Rückhalt, wie ihn Kurz in der Partei genoss, auch gewonnen? Das war nicht so sehr die Partei, da ging es um den jungen Burschen, der mitreißen und die Menschen für die neue Art von Politik begeistern kann. Die Menschen vertrauen ihm, sie glauben, dass er das hält, was er verspricht.
Wie geht es jetzt weiter in der ÖVP? Manche Landeshauptleute haben ja schon dezent angedeutet, dass sie bei der Ministerbesetzung mitreden wollen. Nach diesem Sieg gilt: The winner takes it all. Was Kurz sagt, ist jetzt Gesetz. Das muss er nützen, um die Dinge dorthin zu bringen, wo er sie haben will. Man hat ihm vorher die Garantie gegeben, dass er sich sein Team aussuchen und auch inhaltlich machen kann, was er für richtig hält. Damit hat er Erfolg gehabt, das ist eine Bestätigung für diese Linie. Außerdem ist es zu früh, über Personen zu reden, es kann ja immer noch eine Regierung ohne ÖVP geben. Halten Sie es für realistisch, dass SPÖ und FPÖ koalieren? Aus heutiger Sicht glaube ich es nicht. Kurz hat am meisten dazugewonnen, es würde niemand verstehen, wenn man ihn jetzt ausbremst. Aber warten wir einmal ab, was kommt. In vier Wochen können sich manche vielleicht nicht mehr an ihre Aussagen erinnern – „als Zweiter gehen wir in Opposition“–, und daher halte ich alles für möglich.
Außer Schwarz-Rot, oder? Man soll am Beginn der Verhandlungen nichts ausschließen, sonst wird man leicht erpressbar. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, muss man nicht alles akzeptieren, was der andere will. Wichtig ist, dass das umsetzbar ist, was Sebastian Kurz als neue Politik angekündigt hat. Man muss die Probleme in diesem Land endlich angehen.
Aber eine Reformpartnerschaft wäre ÖVP-SPÖ nicht. Diese Schlussfolgerung kann man durchaus ziehen, wenn man sich die Vergangenheit anschaut. Aber es kann ja auch in der SPÖ grundlegende Veränderungen geben.
1959 geboren, wurde 2008 Außenminister. Ab 2011 war er Vizekanzler und Parteiobmann der ÖVP, von diese Funktionen trat er 2014 überraschend zurück. Seit 2016 ist Spindelegger Generalsekretär des Zentrums für Migrationspolitik in Wien.