Als die JVP die ÖVP übernahm
Liste Kurz. Augenscheinlich am Wahlabend, möglicherweise auch bald im Kanzleramt: Es ist tatsächlich eine neue Volkspartei, die Sebastian Kurz da auf die Beine gestellt hat.
Kann man sich vorstellen, dass die Sozialistische Jugend (SJ) die SPÖ übernimmt und dann den Bundeskanzler stellt? Nein, kann man nicht. In der ÖVP ist aber genau das geschehen: Die Junge Volkspartei (JVP) hat die ÖVP übernommen. „Politisches Management-Buyout der ÖVP durch ihre Jugendorganisation“, hatte die ehemalige ÖVP-Außenministerin Ursula Plassnik das genannt.
Augenscheinlich war das bei der Wahlparty der ÖVP im Kursalon Hübner am Sonntagabend. Bis in die frühen Morgenstunden tanzten junge, aufgebrezelte Menschen ausgelassen – so wie früher, als es hier noch Clubbings gab. Die ÖVP-Granden – sofern der Begriff heutzutage überhaupt noch zeitgemäß ist – waren da längst weg.
Einer von diesen, Josef Pröll, war besonders euphorisch. Ihm war so ein Triumph verwehrt geblieben, umso mehr schien er sich nun für Sebastian Kurz zu freuen. Josef Pröll war als Parteichef noch an den Strukturen der alten ÖVP zerbrochen – nicht zuletzt repräsentiert von seinem Onkel Erwin Pröll. Sebastian Kurz hingegen hatte diese alten Machtstrukturen gleich zu Beginn seiner Obmannschaft zerschlagen – maßgeblich beraten auch von Josef Pröll.
Auch andere langgediente ÖVP-Funktionäre und Sympathisanten hatten glasige Augen, als der Wahlsieger gegen 22 Uhr noch einmal die Bühne betrat. „So etwas erlebt man als Bürgerlicher vielleicht nur einmal im Leben“, sagte Kurz später, als er die Glückwünsche auf dem Parkett entgegennahm. Es gab den Wahlsieg von Wolfgang Schüssel 2002, sonst hatte es für die Bürgerlichen in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich nicht viel zu feiern gegeben.
Für die Jungen in der ÖVP hingegen war schon der gemeinsame Weg mit Sebastian Kurz einer des Aufstiegs gewesen. Nach und nach waren immer mehr JVP-Funktionäre in wichtige Funktionen in der Bundespartei gelangt. Als Landesparteisekretäre, als Klubchefs im Landtag, als Landesparteichefs wie Gernot Blümel in Wien. Und nun schickt sich ihr 31-jähriger Anfüh- rer an, auf dem Ballhausplatz einzuziehen. Und mit Sebastian Kurz würden, wenn er eine Regierung zustande bringt, so viele junge Leute im Kanzleramt sitzen wie überhaupt noch nie.
Denn Kurz vertraut jenen, die mit ihm gemeinsam aufgestiegen sind. Das war auch die Stärke der ÖVP-Kampagne. Es wurden keine Berater von außen geholt oder eingekauft. Kurz machte Wahlkampf mit einer Truppe, die er seit vielen Jahren kennt. Mit dabei: Stefan Steiner, sein früherer Kabinettchef, Axel Melchior, mittlerweile Bundesgeschäftsführer, sein Pressesprecher Gerald Fleischmann, Generalsekretärin Elisabeth Köstinger, mit er schon in der Parteiaka- demie zusammenarbeitete und jede Menge anderer junger Leute. Von außen kam nur Philipp Maderthaner, das Mastermind der Kampagne. Aber auch er hat seine Karriere in der ÖVP begonnen und den Kontakt nie abreißen lassen.
Die Mühen der Ebene
Es ist tatsächlich eine neue Volkspartei, die Sebastian Kurz da auf die Beine gestellt hat. Er hat damit auch eine Wahl gewonnen. Die Frage ist jetzt nur, wie die alten, traditionell gewachsenen Kräfte in der Partei agieren und reagieren werden, wenn Sebastian Kurz in den Mühen der Ebene angekommen ist. Und auch das wird kommen.