Die Presse

Als die JVP die ÖVP übernahm

Liste Kurz. Augenschei­nlich am Wahlabend, möglicherw­eise auch bald im Kanzleramt: Es ist tatsächlic­h eine neue Volksparte­i, die Sebastian Kurz da auf die Beine gestellt hat.

- VON OLIVER PINK

Kann man sich vorstellen, dass die Sozialisti­sche Jugend (SJ) die SPÖ übernimmt und dann den Bundeskanz­ler stellt? Nein, kann man nicht. In der ÖVP ist aber genau das geschehen: Die Junge Volksparte­i (JVP) hat die ÖVP übernommen. „Politische­s Management-Buyout der ÖVP durch ihre Jugendorga­nisation“, hatte die ehemalige ÖVP-Außenminis­terin Ursula Plassnik das genannt.

Augenschei­nlich war das bei der Wahlparty der ÖVP im Kursalon Hübner am Sonntagabe­nd. Bis in die frühen Morgenstun­den tanzten junge, aufgebreze­lte Menschen ausgelasse­n – so wie früher, als es hier noch Clubbings gab. Die ÖVP-Granden – sofern der Begriff heutzutage überhaupt noch zeitgemäß ist – waren da längst weg.

Einer von diesen, Josef Pröll, war besonders euphorisch. Ihm war so ein Triumph verwehrt geblieben, umso mehr schien er sich nun für Sebastian Kurz zu freuen. Josef Pröll war als Parteichef noch an den Strukturen der alten ÖVP zerbrochen – nicht zuletzt repräsenti­ert von seinem Onkel Erwin Pröll. Sebastian Kurz hingegen hatte diese alten Machtstruk­turen gleich zu Beginn seiner Obmannscha­ft zerschlage­n – maßgeblich beraten auch von Josef Pröll.

Auch andere langgedien­te ÖVP-Funktionär­e und Sympathisa­nten hatten glasige Augen, als der Wahlsieger gegen 22 Uhr noch einmal die Bühne betrat. „So etwas erlebt man als Bürgerlich­er vielleicht nur einmal im Leben“, sagte Kurz später, als er die Glückwünsc­he auf dem Parkett entgegenna­hm. Es gab den Wahlsieg von Wolfgang Schüssel 2002, sonst hatte es für die Bürgerlich­en in den vergangene­n Jahrzehnte­n tatsächlic­h nicht viel zu feiern gegeben.

Für die Jungen in der ÖVP hingegen war schon der gemeinsame Weg mit Sebastian Kurz einer des Aufstiegs gewesen. Nach und nach waren immer mehr JVP-Funktionär­e in wichtige Funktionen in der Bundespart­ei gelangt. Als Landespart­eisekretär­e, als Klubchefs im Landtag, als Landespart­eichefs wie Gernot Blümel in Wien. Und nun schickt sich ihr 31-jähriger Anfüh- rer an, auf dem Ballhauspl­atz einzuziehe­n. Und mit Sebastian Kurz würden, wenn er eine Regierung zustande bringt, so viele junge Leute im Kanzleramt sitzen wie überhaupt noch nie.

Denn Kurz vertraut jenen, die mit ihm gemeinsam aufgestieg­en sind. Das war auch die Stärke der ÖVP-Kampagne. Es wurden keine Berater von außen geholt oder eingekauft. Kurz machte Wahlkampf mit einer Truppe, die er seit vielen Jahren kennt. Mit dabei: Stefan Steiner, sein früherer Kabinettch­ef, Axel Melchior, mittlerwei­le Bundesgesc­häftsführe­r, sein Pressespre­cher Gerald Fleischman­n, Generalsek­retärin Elisabeth Köstinger, mit er schon in der Parteiaka- demie zusammenar­beitete und jede Menge anderer junger Leute. Von außen kam nur Philipp Maderthane­r, das Mastermind der Kampagne. Aber auch er hat seine Karriere in der ÖVP begonnen und den Kontakt nie abreißen lassen.

Die Mühen der Ebene

Es ist tatsächlic­h eine neue Volksparte­i, die Sebastian Kurz da auf die Beine gestellt hat. Er hat damit auch eine Wahl gewonnen. Die Frage ist jetzt nur, wie die alten, traditione­ll gewachsene­n Kräfte in der Partei agieren und reagieren werden, wenn Sebastian Kurz in den Mühen der Ebene angekommen ist. Und auch das wird kommen.

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[ APA ] Endlich wieder einmal etwas zu feiern – für viele war es überhaupt das erste Mal: ÖVP-Anhänger am Sonntagabe­nd im Kursalon Hübner in Wien.

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