Die Presse

Die Frage nach dem rechten Kurs

Deutschlan­d. Angela Merkel gratuliert der Schwesterp­artei in Wien zum Wahlsieg und redet Differenze­n klein. Aber der Wahlsieg in Österreich bestärkt auch die Kritiker der Kanzlerin.

-

Wien/Berlin. Jens Spahn steht auf der Bühne im Wiener Kursalon Hübner. Und der konservati­ve CDUPolitik­er sieht ziemlich zufrieden aus. Sein „Freund“Sebastian Kurz hat an diesem Sonntag triumphier­t. Auch Angela Merkel ruft Kurz an. Sie gratuliert dem Chef der Schwesterp­artei. Das schon. Aber der ÖVPSieg nährt wie die zeitgleich­e CDUPleite in Niedersach­sen den schwelende­n Streit in der Union über eine Kurskorrek­tur nach rechts, wie ihn etwa die CSU verlangt.

Das Österreich-Ergebnis wurde dann auch im Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus etwas anders interpreti­ert als in der CDU-Zentrale in Berlin, wo etwa EU-Kommissar Günther Oettinger betonte, Österreich und Deutschlan­d ließen sich doch nur schwer vergleiche­n. CSUVerkehr­sminister Alexander Dobrindt sah das ganz anders. Das Ergebnis in Österreich zeige, „dass Wahlen auch Mitte-rechts gewonnen werden können. Das ist mehrheitsf­ähig, und das ist auch der Auftrag für Deutschlan­d“. Man kann Dobrindts Ansage natürlich als Kritik an Merkel lesen, die im linksliber­alen Milieu gewildert, aber dabei die rechte Flanke geöffnet hat.

In Bayern rumort es. CSU-Chef Horst Seehofer wird von ersten Bezirksver­bänden angezählt. Er will seine Partei nun „inhaltlich klar als bürgerlich-konservati­ve Kraft positionie­ren“, wie er gestern, zwei Tage vor Beginn der Sondierung­en eines Jamaika-Bündnisses (UnionFDP-Grüne), erklärte. FDP-Vize Wolfgang Kubicki fürchtete gar, die CSU würde aus Kurz’ Wahlsieg „völlig falsche Schlüsse“ziehen – und die Gespräche über die Flüchtling­spolitik weiter verkompliz­ieren.

Trend gegen CDU

Auftritt Angela Merkel im KonradAden­auer-Haus. Eigentlich sollte es am Montag um die Landtagswa­hl in Niedersach­sen gehen. Die CDU hat im zweitgrößt­en deutschen Flächensta­at einen sicher geglaubten Wahlsieg auf den letzten Metern verspielt – und ihr schlechtes­tes Ergebnis seit 1959 eingefahre­n. Die Pleite hat viele Gründe: die Beliebthei­t des SPD-Amtsinhabe­rs Stephan Weil zum Beispiel, die gute Wirtschaft­slage. Die Unionsverl­uste bei der Bundestags­wahl drei Wochen zuvor halfen aber auch nicht, wie CDU-Spitzenkan­didat Bernd Althusmann andeutet. Denn seither ist der Trend gegen die CDU – im Bund wie in Niedersach­sen. Bei 31 Prozent wiesen die Umfragen zuletzt Merkels Union aus – und damit noch ein bisschen schlechter als bei der Bundestags­wahl (32,9).

Im Konrad-Adenauer-Haus gibt es bald Fragen zu Kurz. Merkel gratuliert erneut „unserer Partnerpar­tei“, sie lobt den modernen Wahlkampf des 31-Jährigen und redet Differenze­n klein. Monatelang war Kurz als Merkels Gegenspiel­er in der Flüchtling­spolitik durch die deutschen Talkshows getingelt. Aber im direkten Gespräch seien die Unterschie­de „gar nicht so klar“, sagt Merkel. Türkei-Abkommen oder die nötige Fluchtursa­chenbekämp­fung: Es sei doch „alles nicht so strittig“zwischen Wien und Berlin. Die Unterschie­de seien eher „rhetorisch­er Qualität“, sagt Merkel in Anspielung auf harte Ansagen des ÖVP-Chefs. Die politische Lage in Österreich findet die Kanzlerin indes nicht „nachahmens­wert“, zumal die FPÖ etwa doppelt so stark abgeschnit­ten hat wie die AfD: „Und die CDU grenzt sich von der FPÖ schon sehr stark ab“, betont Merkel. Von ihren Kritikern wird Merkel diesen Tagen auch ein Satz böse ausgelegt, den sie nach der Bundestags­wahl formuliert hatte. „Ich sehe nicht, was wir anders machen könnten.“Merkel meinte den Wahlkampf, nicht Inhalte. Aber es kam nicht gut an.

Vertreter des CDU-Wirtschaft­sflügels drängten die Union gestern mit Blick auf Österreich dazu, sich wieder „auf ihre Kernkompet­enzen zu besinnen, zum Beispiel auf die innere Sicherheit“. Und Paul Ziemiak, Chef der Junge Union, for- mulierte ein Lob für Freund Kurz, in dem sich auch eine Kritik an Merkel versteckt: „Die Menschen in Österreich wollen frischen Wind, neue Köpfe und Klartext“, sagte Ziemiak, der jüngst selbst eine „personelle Neuaufstel­lung“in der Union gefordert hatte.

Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) warnt indes, sich am ÖVP-Kurs in der Flüchtling­spolitik zu orientiere­n, die sei „schlicht das falsche Signal“. In Günthers Heimat Schleswig-Holstein wird derzeit „Jamaika“vorexerzie­rt. Und die Karibikins­el ist zurzeit dann doch ein bisschen wichtiger als die Wahlen in Österreich.

Die AfD indes deckte Kurz mit Kompliment­en zu. Der ÖVP-Chef sei ein „Bollwerk gegen eine Masseninva­sion fremder Menschen“, befand AfD-Vizechef Alexander Gauland. (strei)

 ?? [ Reuters ] ?? Merkel gratuliert Kurz. Die politische Lage in Österreich sei aber „nicht nachahmens­wert“.
[ Reuters ] Merkel gratuliert Kurz. Die politische Lage in Österreich sei aber „nicht nachahmens­wert“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria