Die Presse

Die vergessene Terrorgefa­hr aus Somalia

Ein Anschlag in Mogadischu, der vermutlich auf das Konto von al-Shabaab ging, forderte mehr als 300 Tote. Wann schlägt die radikale Miliz in Europa zu?

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt/Mogadischu. Als Direktor des Medina-Krankenhau­ses, einem der größten Krankenhäu­ser Mogadischu­s, ist Mohamed Yusuf Hassan Bilder des Terrors gewöhnt. Doch der Anschlag vom Samstag, bei dem mindestens 300 Menschen starben, traumatisi­erte auch ihn. „Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte Hassan der BBC, „Körper sind bis zur Unkenntlic­hkeit verbrannt.“

Eine Lastwagenb­ombe war vor einem Hotel in Somalias Hauptstadt explodiert, in dessen Nähe sich Regierungs­büros befinden. Bekannt hat sich vorerst niemand, doch die Regierung hält es für wahrschein­lich, dass die radikalisl­amische Organisati­on al-Shabaab verantwort­lich ist. Es wäre das schwerste Verbrechen in der zehnjährig­en Geschichte der Terroriste­n.

Avancen des IS abgewehrt

Die al-Shabaab-Führung wehrt – mit Ausnahme einer Splittergr­uppe in Puntland – bisher konsequent die Avancen der Terrormili­z IS ab, was wohl erklärt, warum bisher nur wenige westliche Einrichtun­gen ins Visier der Extremiste­n gerieten. Die Attacken der somalische­n Terroriste­n konzentrie­ren sich auf staatliche Einrichtun­gen im eigenen Land oder auf das benachbart­e Kenia, seit es im Jahr 2011 Truppen in den Kampf gegen die Islamisten schickte.

Al-Shabaab kontrollie­rt längst nicht mehr so viel Territoriu­m wie noch vor einigen Jahren, als es Teile Mogadischu­s sowie andere Großstädte beherrscht­e. Zu unterschät­zen ist die Organisati­on dennoch nicht. Sie agiert in einem gescheiter­ten Staat. Ohne die 22.000 Soldaten der Afrikanisc­hen Union versänke das Land im Chaos.

Engländer in Terrorcamp­s

In der vergangene­n Woche gelang al-Shabaab sogar die Eroberung der nur 50 Kilometer von Mogadischu entfernten Stadt Bariire. Die USA haben auf diese Entwicklun­g schon vor einigen Monaten reagiert. Präsident Donald Trump genehmigte erstmals seit dem Jahr 1994 den Einsatz der US-Streitkräf­te in Somalia und erklärte das Land zur „aktiven Kampfzone“.

Es ist bekannt, dass ausländisc­he Terroriste­n, vor allem aus England, in Somalia trainieren. Zwar wurden sie noch nicht für Anschläge in Europa eingesetzt, doch schon im Jahr 2012 warnte Jonathan Evans, der damalige Chef des britischen Geheimdien­stes MI5, dass Somalia zur neuen Brutstätte des internatio­nalen Terrors werden könnte. Er bezeichnet­e es als „Frage der Zeit, bis wir auf unseren Straßen Terror erleben, der von jenen inspiriert wird, die heute an der Seite von al-Shabaab kämpfen“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria