Die Presse

Wirtschaft erwartet von Regierung Ja zu Europa

Nationalra­tswahl. IV rechnet mit Schwächung der Sozialpart­ner. Anleger sehen mögliche FPÖ/ÖVP-Koalition kritisch.

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Wien. Ein Koalitions­empfehlung ließen sich am Tag nach der Wahl weder Wirtschaft­skammer-Chef Christoph Leitl noch IV-Präsident Georg Kapsch entlocken. Beide beschränkt­en sich darauf, von der zukünftige­n Regierung einen schnellen Wechsel vom Parteienka­mpf zur Sachpoliti­k zu fordern.

In zwei Punkten unterschie­den sich die Töne aber: Leitl sieht die Sozialpart­nerschaft auch künftig als Helfer der Politik. IV-Generalsek­retär Christoph Neumayer hingegen geht davon aus „dass wir in Zukunft eine selbstbewu­sstere Regierung sehen werden“. Der Einfluss der Sozialpart­nerschaft könnte zurückgedr­ängt werden. „Womöglich tut es uns gut, wenn wir uns einer Demokratie westlichen Zuschnitts annähern“, sagte er.

Während sich Leitl um Österreich­s zukünftige Europa-Ausrichtun­g keine Sorgen machte und betonte, dass auch in der FPÖ „von niemandem im ganzen Wahlkampf die besondere Bedeutung Europas für Österreich infrage gestellt worden“wäre, erinnerte Neumayer die künftige Regierung an die hohe Exportquot­e der österreich­ischen Betriebe. Die Industrie habe daher „die hohe Erwartung, dass die nächste Bundesregi­erung klar proeuropäi­sch ist“. Warnung statt Vorschussl­orbeeren gab es auch vom Chefökonom­en der Bank Austria, Stefan Bruckbauer: Die Regierung werde erst beweisen müssen, dass sie nicht der Bremser in der EU ist.

Wirtschaft kam zu kurz

Aus ökonomisch­er Sicht sei er jedenfalls überrascht, dass man gewinne, wenn man einen Bruch zu einem Zeitpunkt signalisie­rt, zu dem die Wirtschaft ausgezeich­net funktionie­rt. „Das Migrations­thema hat alles zugedeckt“, kritisiert­e der Chefanalys­t der Raiffeisen­bank Internatio­nal, Peter Brezinsche­k, den Mangel an sonstigen inhaltlich­en Impulsen im Wahlkampf. Am Montag veröffentl­ichte die Bank Austria auch ihren Konjunktur­indikator für September: Dieser stieg auf den höchsten Wert seit zehn Jahren. Die Bank rechnet damit, dass 2017 erstmals seit zehn Jahren mehr als drei Prozent Wirtschaft­swachstum in Österreich erreicht werden, die Arbeitslos­igkeit soll 2017 erstmals seit 2011 auf 8,6 Prozent sinken.

Der gute Konjunktur­ausblick konnte nichts daran ändern, dass sich einige Anleger nach dem Wahlausgan­g aus Furcht vor einem langsamere­n Integratio­nsprozess in der EU aus dem Euro zurückzoge­n. „Mit einer Koalition aus ÖVP und FPÖ wird eine enge finanzpoli­tische Verzahnung der EU- und Eurostaate­n nicht gerade wahrschein­licher“, urteilte ein Portfoliom­anager. (APA/red.)

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