Die Preisrallye und die Prognosen
Angst vor politischen Eskalationen treibt derzeit den Ölpreis in die Höhe. Was seine Dynamik 2018 betrifft, so kursieren zwei widersprüchliche Annahmen. Wer hat eher recht?
Wien. Im Wechselspiel der Faktoren, die den Ölpreis am meisten beeinflussen, hat derzeit die Geopolitik die Führung übernommen. Konkret haben die Risken in zentralen Förderregionen wie dem Irak oder Iran derart zugenommen, dass der Preis, der bereits vorige Woche nach oben gestrebt hatte, gestern, Montag, nachgerade explodiert ist. Um über 2,8 Prozent auf 58,49 Dollar je Fass legte die Notierung für die in Europa relevante Sorte Brent im Tagesverlauf zu. Die gewöhnlich billigere USSorte WTI kostete um 2,5 Prozent mehr und notierte bei 52,4 Dollar. Damit ist im Falle Brent das Ende September markierte Zweijahreshoch zum Greifen nah gekommen.
Irak und Iran als Risikofaktoren
Die Händler treibt die Sorge um, dass es in den Ölgebieten des kurdischen Nordirak zu Förderausfällen kommt. Ebendort hat der Kurden-Präsident nach dem Unabhängigkeitsreferendum vor drei Wochen nun erlaubt, die in die ölreiche Provinz Kirkuk vorrückenden irakischen Truppen mit „aller Kraft“zu attackieren. Damit nicht genug, hat die nun neue, härtere Haltung der USA gegen den Iran das politische Risiko auch in diesem Nahost-Staat deutlich erhöht.
Wären die geopolitischen Spannungen nicht, der Preis für die Sorte Brent würde eher bei 50 Dollar liegen, betonen die Rohstoffanalysten der Commerzbank mit Verweis auf die gute Versorgung.
Was die weiteren Aussichten auf die Versorgung und die Lagerbestände betrifft, die für die Preisbildung eine wichtige Rolle spielen, so traten zuletzt jedoch deutliche Auffassungsunterschiede zutage. Die Divergenzen beziehen sich weniger auf den Rest des heurigen Jahres, in dem unterm Strich eine steigende Nachfrage und eine geringere Produktion in Opec-Staa- ten und Russland dazu führen dürften, dass die Lagerbestände zum ersten Mal seit vier Jahren wieder zurückgehen, wie die Internationale Energieagentur (IEA) vorige Woche prognostizierte.
Ungewisses Jahr 2018
Uneinheitlicher werden die Vorhersagen für das kommende Jahr, 2018. Dann werde sich die Situation laut IEA wieder ändern, und das Absinken der Lagerbestände werde gestoppt werden.
Die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) hingegen, die um einen hohen Ölpreis bangt, ist der Ansicht, dass es 2018 weltweit zu einem preistreibenden Angebotsdefizit kommt. Als Grund wird nicht nur eine nach oben revidierte Nachfrage genannt, sondern auch eine geringere Produktion seitens des Nicht-Opec-Staates Russland und seitens der USamerikanischen Schieferölförderer. Letztere sind ja zum GameChanger auf dem Markt geworden, weil sie mit ihren kürzeren Investitionszyklen schneller auf Preiserholungen reagieren können. Damit nämlich machen sie die Preiserholungen umgehend wieder zunichte.
Wunsch und Realität
Die Ansicht oder die Hoffnung der Opec, dass die Amerikaner bald an die Grenzen der Produktionskapazität gelangen, wird von der USEnergiebehörde nicht geteilt. Sie hat vorige Woche in ihrem Monatsbericht die Produktionsprognose für die USA auf 9,92 Mio. Barrel pro Tag nach oben revidiert.
Und was Russland betrifft, so wird viel davon abhängen, ob sich das Land wieder mit der Opec einigt, die vereinbarten Produktionskürzungen über den März 2018 hinaus beizubehalten.
Die Commerzbank glaubt vorerst, dass die Opec-Analyse vom Wunsch nach einem stabil höheren Preis geleitet, die IEA-Prognose aber die realistischere ist.