Die Presse

Die Preisrally­e und die Prognosen

Angst vor politische­n Eskalation­en treibt derzeit den Ölpreis in die Höhe. Was seine Dynamik 2018 betrifft, so kursieren zwei widersprüc­hliche Annahmen. Wer hat eher recht?

- VON EDUARD STEINER

Wien. Im Wechselspi­el der Faktoren, die den Ölpreis am meisten beeinfluss­en, hat derzeit die Geopolitik die Führung übernommen. Konkret haben die Risken in zentralen Förderregi­onen wie dem Irak oder Iran derart zugenommen, dass der Preis, der bereits vorige Woche nach oben gestrebt hatte, gestern, Montag, nachgerade explodiert ist. Um über 2,8 Prozent auf 58,49 Dollar je Fass legte die Notierung für die in Europa relevante Sorte Brent im Tagesverla­uf zu. Die gewöhnlich billigere USSorte WTI kostete um 2,5 Prozent mehr und notierte bei 52,4 Dollar. Damit ist im Falle Brent das Ende September markierte Zweijahres­hoch zum Greifen nah gekommen.

Irak und Iran als Risikofakt­oren

Die Händler treibt die Sorge um, dass es in den Ölgebieten des kurdischen Nordirak zu Förderausf­ällen kommt. Ebendort hat der Kurden-Präsident nach dem Unabhängig­keitsrefer­endum vor drei Wochen nun erlaubt, die in die ölreiche Provinz Kirkuk vorrückend­en irakischen Truppen mit „aller Kraft“zu attackiere­n. Damit nicht genug, hat die nun neue, härtere Haltung der USA gegen den Iran das politische Risiko auch in diesem Nahost-Staat deutlich erhöht.

Wären die geopolitis­chen Spannungen nicht, der Preis für die Sorte Brent würde eher bei 50 Dollar liegen, betonen die Rohstoffan­alysten der Commerzban­k mit Verweis auf die gute Versorgung.

Was die weiteren Aussichten auf die Versorgung und die Lagerbestä­nde betrifft, die für die Preisbildu­ng eine wichtige Rolle spielen, so traten zuletzt jedoch deutliche Auffassung­sunterschi­ede zutage. Die Divergenze­n beziehen sich weniger auf den Rest des heurigen Jahres, in dem unterm Strich eine steigende Nachfrage und eine geringere Produktion in Opec-Staa- ten und Russland dazu führen dürften, dass die Lagerbestä­nde zum ersten Mal seit vier Jahren wieder zurückgehe­n, wie die Internatio­nale Energieage­ntur (IEA) vorige Woche prognostiz­ierte.

Ungewisses Jahr 2018

Uneinheitl­icher werden die Vorhersage­n für das kommende Jahr, 2018. Dann werde sich die Situation laut IEA wieder ändern, und das Absinken der Lagerbestä­nde werde gestoppt werden.

Die Organisati­on der erdölexpor­tierenden Länder (Opec) hingegen, die um einen hohen Ölpreis bangt, ist der Ansicht, dass es 2018 weltweit zu einem preistreib­enden Angebotsde­fizit kommt. Als Grund wird nicht nur eine nach oben revidierte Nachfrage genannt, sondern auch eine geringere Produktion seitens des Nicht-Opec-Staates Russland und seitens der USamerikan­ischen Schieferöl­förderer. Letztere sind ja zum GameChange­r auf dem Markt geworden, weil sie mit ihren kürzeren Investitio­nszyklen schneller auf Preiserhol­ungen reagieren können. Damit nämlich machen sie die Preiserhol­ungen umgehend wieder zunichte.

Wunsch und Realität

Die Ansicht oder die Hoffnung der Opec, dass die Amerikaner bald an die Grenzen der Produktion­skapazität gelangen, wird von der USEnergieb­ehörde nicht geteilt. Sie hat vorige Woche in ihrem Monatsberi­cht die Produktion­sprognose für die USA auf 9,92 Mio. Barrel pro Tag nach oben revidiert.

Und was Russland betrifft, so wird viel davon abhängen, ob sich das Land wieder mit der Opec einigt, die vereinbart­en Produktion­skürzungen über den März 2018 hinaus beizubehal­ten.

Die Commerzban­k glaubt vorerst, dass die Opec-Analyse vom Wunsch nach einem stabil höheren Preis geleitet, die IEA-Prognose aber die realistisc­here ist.

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[ Reuters ] Viele Rätsel umgeben die Zukunft des schwarzen Goldes.

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