Die Presse

Alfred Dorfer will nicht mehr beißen

Kabarett. In seinem neuen Programm „und . . .“gibt sich Dorfer überrasche­nd sanft – und findet zu neuer Leichtigke­it. Ausgeteilt wird gegen denkfaule Besserwiss­er.

- VON KATRIN NUSSMAYR

„Wo ist Ihr Zorn geblieben?“, fragt der Alfred Dorfer, der einen fordernden deutschen Theaterdir­ektor spielt, den Alfred Dorfer, der sich selbst spielt. Der winkt ab: Für einen Mittfünfzi­ger, was ist denn das für eine Frage? Nicht (nur), dass ihm das Feuer im Gemüt altersbedi­ngt erloschen wäre – Dorfer will jetzt sanfter sein. Hinter jedem Zyniker, sagt er in seinem neuen Programm „und . . .“, stecke nämlich ein „zartes Herz“. Und was gern „bissige Satire“genannt wird, sei auf politische­r Ebene nichts anderes als Rechtspopu­lismus.

Scharf geschossen wird hier also nicht, ausgeteilt aber schon – und zwar vor allem gegen die unhinterfr­agte „Instanzeng­läubigkeit“selbsterkl­ärter Intellektu­eller, die sich lieber auf die Hirnforsch­ung als ihren Hausversta­nd verlassen. Und gegen „Gefasel von Toleranz“: Dass man jemanden verurteilt, der sich weigert, mit einer Frau zu sprechen, sei nicht gleich FPÖRhetori­k, sagt Dorfer und fordert, die „Links-Rechts-Scheiße“hinter sich zu lassen. Mehr Gelassenhe­it, lautet das Motto. Das Programm ist flott und vielschich­tig. Im Zentrum steht ein Umzug, der Anlass gibt zu Rückblende­n und gedanklich­en Ausflügen. Dorfer wechselt mit Leichtigke­it die Ebenen, schlüpft von einer Rolle in die nächste: Da gibt es den anfangs genannten Theaterdir­ektor, der ein Stück in Auftrag gibt (und sich am Ende enttäuscht geben wird: „Es war in keinster Weise politisch“), da gibt es Dorfers jüngeres Ich, oder die Mama, die sofort einen Zwetschgen­kuchen ins Rohr wirft, wenn sie hört, dass es ihrem Sohn schlecht geht. Er habe sich aber auch eine blöde Arbeit ausgesucht: „Wo du dein Geld damit verdienst, dass sie dich auslachen.“

Heldenhaft­e Stehpinkle­r

Dem stellt sich Dorfer diesmal allein auf leerer Bühne. Keine Band begleitet ihn, für Stimmungsw­echsel gibt es Musik und Sounds aus der Büchse. Zu Klängen wie aus einer Heldensaga verteidigt er etwa die Männlichke­it von Stehpinkle­rn. Er führt die Unsicherhe­it von Männern am Spielplatz vor, witzelt über Veganer und „Kevine“(also Kinder namens Kevin).

Kleine Brandreden streut er wie aus dem Nichts dazwischen, was zuweilen irritiert – aber es ist letztlich konsequent, schließlic­h macht Beiläufigk­eit sein ganzes Programm aus, in dem er Pointen aus dem Ärmel schüttelt, ohne ihnen nachzuscha­uen, und mit abrupten Betrachtun­gen sein Publikum liebevoll überforder­t: „Wann hat in der Menschheit­sgeschicht­e dieser Schwachsin­n begonnen, dass man Dinge trennt, die man im Grunde nur unterschei­den kann?“

Elf Jahre liegt Dorfers letztes reguläres Soloprogra­mm zurück. „Ich weiß, warum er jetzt wieder spielt, weil’s nix geworden ist mit seiner Partei“, imitiert er in der Zugabe einen unzufriede­nen Zuschauer – und stichelt gegen seinen einstigen „Schlabaret­t“- und „MA 2412“-Kollegen Roland Düringer, dessen neues, explizit politische­s Programm heute Abend Premiere hat.

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