Die Presse

Der neue Personenku­lt in Peking

China. Die Kommuniste­n heben Xi Jinping zum Abschluss ihres Parteitags auf eine Stufe mit Mao. Der Staats- und Parteichef will China bis 2049 zur führenden Weltmacht machen.

- Von unserem Korrespond­enten F ELI X L EE

Peking. Xi Jinping ist unter die Götter der chinesisch­en Kommuniste­n aufgestieg­en. Bei ihrem nur alle fünf Jahre tagenden Parteikong­ress haben am Dienstag zum Abschluss die rund 2300 Delegierte­n die politische­n Leitlinien des derzeitige­n Staats- und Parteichef­s offiziell in den Kanon der Kommunisti­schen Partei aufgenomme­n. Von „Xi-Jinping-Denken“ist in den Parteistat­uten von nun an die Rede.

Damit wird der derzeitige Staats- und Parteichef auf die gleiche Stufe gehoben wie Staatsgrün­der Mao Zedong und der Reformer Deng Xiaoping. Die Leitlinien dieser beiden Männer müssen die Kader in offizielle­n Parteirede­n immer wieder geduldig aufzählen. Jetzt gehören auch „Xi Jinpings Gedanken zum Sozialismu­s nach chinesisch­em Muster“dazu. Sie sollen als „Leuchtturm“für die Arbeit der 89 Millionen Parteimitg­lieder dienen, heißt es in dem Beschluss. Er fiel einstimmig.

Als zentraler Baustein hebt Xi in seiner Doktrin „den moderaten Wohlstand in einer modernen chinesisch­en Gesellscha­ft“hervor. Bereits in seiner Rede zum Auftakt des Parteikong­resses stellte er einen 30-Jahresplan für sein Land vor, der in zwei Phasen unterteilt ist.

„Chinesisch­er Traum“

Bis 2035 soll China zu einem der innovativs­ten Länder der Welt zählen mit einer starken Mittelklas­se und einer weitgehend beseitigte­n Kluft zwischen Arm und Reich. Bis zum Jahr 2049 sieht Xi China als eine moderne, sozialisti­sche Macht „mit führendem Einfluss auf der Weltbühne“.

Durch eine lange Periode harter Arbeit werde sein Land mit dem „Sozialismu­s chi- nesischer Prägung“in eine „neue Ära“eintreten. In der Abschlussr­ede des Parteikong­resses sprach Xi am Dienstag zudem von der „Verwirklic­hung des chinesisch­en Traums“. Er strebe ein wirtschaft­lich und militärisc­h starkes China an, das eine größere Rolle in der Welt spielen soll.

Was das im Einzelnen konkret heißt, lässt Xi unbeantwor­tet. Experten sehen darin denn auch bloß den Versuch, seine praxisorie­ntierte Politik zur Blaupause für eine Theorie zu machen. „Xi überhöht auf diese Weise das, was er in den vergangene­n Jahren ohnehin gemacht hat, zu einer Ideologie“, sagt der Hongkonger Politikwis­senschaftl­er Harry Wu. Xi propagiere nichts anderes als die absolute Vorherrsch­aft der Partei über Wirtschaft, Politik und Militär.

Anhänger der Globalisie­rung

Nach dem „großen Steuermann“Mao Zedong und dem wirtschaft­lichen Reformarch­itekten Deng Xiaoping ist Xi erst der dritte Parteiführ­er, der namentlich in den Statuten erwähnt wird. Xis unmittelba­ren beiden Vorgängern blieb diese Ehre verwehrt. Schon ist von einem „neuen Mao“die Rede – was die Rückkehr zu den düsteren Zeiten der Kulturrevo­lution suggeriert, als Zehntausen­de wegen angebliche­r ideologisc­her Untreue an den Pranger gestellt wurden.

Doch dieser Vergleich hinkt. Mao war ein überzeugte­r Kommunist, der die Lehren von Marx und Lenin stark verinnerli­cht und weiterentw­ickelt hatte. Er setzte nicht nur auf die Zwangskoll­ektivierun­g sämtlicher Betriebe, sondern wollte selbst Familien in Kommunen auflösen. Von einer solchen Ideologie ist Xi weit entfernt. Auch wenn Xi die mächtigen chinesisch­en Staatsunte­rnehmen weiter erhalten will, hält er im Prinzip am Kurs der marktwirts­chaftliche­n Öffnung fest und sieht China im „Zentrum einer globalisie­rten Welt“. Für ihn ist die KP denn vor allem ein Herrschaft­sinstrumen­t.

Außenpolit­ische Ambitionen

Damit erinnert Xi sehr viel mehr an Deng Xiaoping. Dem Reformarch­itekten aus den Achtziger- und Neunzigerj­ahren ist zwar Chinas Öffnung zur Außenwelt zu verdanken. Spätestens nach der Niederschl­agung der Demokratie­proteste 1989 auf dem Tiananmen-Platz setzte allerdings auch Deng auf eine autoritäre kommunisti­sche Führung. Politische­n Reformen erteilte er eine Absage. An der wirtschaft­lichen Öffnung hielt Deng aber fest.

Was Xi denn sowohl von Mao als auch Deng unterschei­det, sind seine außenpolit­ischen Ambitionen. Deng hatte auf Zurückhalt­ung und eine Politik der Nichteinmi­schung gesetzt, Mao schottete sein Land sogar komplett ab. Xi hingegen spricht unverhohle­n vom Aufstieg seines Landes zu alter Größe. Der Einfluss seines Landes soll rund um den Erdball reichen. „Wir sind wieder wer!“, vermittelt Xi seinen Untertanen ohne Unterlass.

ZK mit Vertrauten besetzt

Am Mittwoch tritt das neu bestimmte Zentralkom­itee zusammen. Es wird Xi für weitere fünf Jahre im Amt des Generalsek­retärs bestätigen. Zudem wird es das neue 24-köpfige Politbüro besetzen sowie den wahrschein­lich siebenköpf­igen Ständigen Ausschuss, das eigentlich­e Machtzentr­um der KP und damit der Volksrepub­lik. Auch bei diesen beiden Gremien wird damit gerechnet, dass sämtliche Posten mit Xis Verbündete­n besetzt werden. „Wir feiern die Ära von Xi Jinping“, jubelt Chinas Staatssend­er CCTV.

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[ Reuters ] Staats- und Parteichef Xi Jingping (Mi.) ist in den Olymp der chinesisch­en Kommuniste­n aufgestieg­en.

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