Die Presse

„Den Bombenansc­hlag ordentlich machen“

Terror. Was wurde aus Lorenz K., dem 17-Jährigen, der in Verdacht steht, einen Terroransc­hlag in Wien geplant zu haben? Laut „Presse“-Recherchen wird er durch Chat-Protokolle schwer belastet. Die Anklage könnte daher streng ausfallen.

- VON MANFRED SEEH

Wien. „Klar ist, dass es einen salafistis­chen Hintergrun­d gibt.“Und es gebe „mehrere Verbindung­slinien innerhalb Österreich­s“und auch nach Deutschlan­d. Das sagte ÖVP-Innenminis­ter Wolfgang Sobotka Ende Jänner über den damals 17-jährigen albanischs­tämmigen Lorenz K. Der Jugendlich­e aus Wien Favoriten galt geradezu als Staatsfein­d Nummer eins. Und nun? Was ist seither passiert? K. wartet noch immer auf seine Anklage. Die könnte hart ausfallen.

Der Reihe nach: Als der Terrorverd­achtsfall rund um Lorenz K. publik wurde, bestätigte der damalige Wiener Vizepolize­ichef (und spätere Spitzenkan­didat der Wiener ÖVP), Karl Mahrer, „erhöhte Präsenz der Polizei im öffentlich­en Raum“und erklärte: „Wir wollen den Wienern signalisie­ren, sie können ganz normal weiterlebe­n.“

Das ist auf den Tag genau neun Monate her. Lorenz K., mittlerwei­le 18 Jahre alt, in Niederöste­rreich aufgewachs­en, wegen Handyraubs vorbestraf­t, vom orthodoxen Christentu­m zum Islam konvertier­t, sitzt nach wie vor in Wien in U-Haft und wartet darauf, wie der Staatsanwa­lt bestimmte Internet-Chats einstuft – Chats, die der Verfassung­sschutz zutage gefördert hat. Ebendiese und auch das diesbezügl­iche Einvernahm­eprotokoll, unterschri­eben von Lorenz K., liegen der „Presse“vor.

Eine Bombe? Oder sechs Bomben?

Die Chats wurden im November 2016 von K. und einem damals erst zwölfjähri­gen Deutschen geführt. K. selbst war danach nach Deutschlan­d gereist. Nach Neuss nahe Düs- seldorf in Nordrhein-Westfalen. Dort hat er einen anderen Islamisten, einen 21-Jährigen, besucht und mit einem Probespren­gsatz experiment­iert. Seit seiner Festnahme in Wien steht K. im Verdacht, einen Anschlag auf die U-Bahn geplant zu haben. Er gab an, er habe sich vom Terrorismu­s bereits entfernt.

Dass er ursprüngli­ch eine scharfe Bombe zünden wollte, gibt K. mittlerwei­le aber zu. In einem der Chats sprach K. aber von sechs Bomben. Als ihm Beamte des Verfassung­sschutzes dies am 27. März vorhielten, räumte er ein: „Kurze Zeit“habe er mit einem zweiten Mann geplant, „zwei Bomben“zu zünden. Er könne sich nicht erinnern, sechs Bomben erwähnt zu haben.

Sein zwölfjähri­ger Chatpartne­r, Y. A., hatte jedenfalls schon eine Bombe gebaut – nach einer im Internet kursierend­en Anleitung. Und auch ein Foto davon an K. geschickt. Eine Bombe dieser Bauart habe er, K., (offenbar zu Testzwecke­n) auch bereits gebaut, gab der 18-Jährige zu Protokoll. Sowohl er selbst als auch Y. A. hätten Kontakte zu einem Mitglied der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) gehabt.

Der Zwölfjähri­ge (er ist noch nicht strafmündi­g, laut Behörden aber „unter Kontrolle“) hatte zuerst vor, seine Selfmade-Bombe in einem deutschen Bus oder einer Kirche zu zünden. K. sprach sich – auch das zeigen die Chats – für einen Weihnachts­markt aus. Das „würde im Falle eines Anschlags dann die großen Schlagzeil­en machen“. K.: „Ich hab’ gemeint, wenn man den deutschen Staat mehr in ihrem Herz trifft (sic), dann verletzt es die mehr.“Ein solches Vorgehen sei auch im Sinne des IS (K. hatte dem IS die Treue geschworen) – diese Ansicht habe er damals, zur Zeit der Chats, vertreten.

Im Laufe dieses Verhörs wurde K. von den Beamten immer wieder daran erinnert, dass er den Zwölfjähri­gen offenbar in der Absicht bestärkt habe, einen Anschlag zu verüben. K.: „Ich hatte schon Interesse daran, wenn Y. A. das macht, den Bombenansc­hlag, dass er es ordentlich macht. Das waren Ratschläge und Möglichkei­ten, die ich ihm gegeben habe.“Als reiner Anstifter habe er sich aber nicht betätigt, so K. Den Verfassung­sschützern sagte K. schließlic­h, er sei mittlerwei­le „allgemein gegen Anschläge und gegen Anschläge auf Zivilisten“.

„Treten allem scharf entgegen“

Bleibt die Frage, wie diese Chatverläu­fe von der Staatsanwa­ltschaft gewertet werden. Laut OGH-Judikatur ist es denkbar, dass die Aufforderu­ng an einen Unmündigen, sich selbst zu töten (in dem Fall zu sprengen), wie eine Anstiftung zum Mord (und nicht zum Suizid) gewertet wird, da ein Kind die Tragweite seines Tuns mitunter nicht erkennt. Das heißt: Abgesehen vom Vorwurf der IS-Mitgliedsc­haft steht auch eine Anklage wegen versuchter Bestimmung zum Mord zumindest im Raum.

Auf eine diesbezügl­iche „Presse“-Anfrage kündigt K.s Anwalt Wolfgang Blaschitz an: „Wir werden allem scharf entgegentr­eten, was über den Vorwurf der Mitgliedsc­haft in einer kriminelle­n Vereinigun­g hinausgeht.“Wie die Anklage tatsächlic­h aussehen wird, bleibt abzuwarten.

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