Die Presse

„Sind nicht für Umfärbung bereit“

FH. Jus oder Dolmetsch an den FH wird keine abgespeckt­e Version des Uni-Studiums werden, sagt Raimund Ribitsch, neuer Chef der Fachhochsc­hulkonfere­nz. Er pocht auf das Doktorat.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Die Presse: Ihr Vorgänger an der Spitze der Fachhochsc­hulkonfere­nz war nicht sehr laut. Wie legen Sie Ihren Job an? Werden Sie notfalls auf den Tisch hauen? Raimund Ribitsch: Mir ist wichtig, dass die Fachhochsc­hulen im Vordergrun­d stehen und nicht ihr Präsident. Mein Credo ist, dass wir an unseren Taten und an unseren Ergebnisse­n gemessen werden und nicht an den Dezibel.

In der ganzen Hochschuld­iskussion sind die Universitä­ten viel präsenter. Soll sich das ändern? Die Wortmeldun­gen sind das eine, die konkreten Ergebnisse sind das andere. Uns ist wichtig, dass wir klar im Regierungs­übereinkom­men vorkommen und dass unsere Rolle als Innovation­streiber noch stärker wahrgenomm­en wird.

Was soll da drinstehen? Der Ausbau des Fachhochsc­hulsektors hat Priorität. Wenn man die eigenen Aussagen ernst nimmt, muss man den ins Regierungs­programm hineinschr­eiben. Die Forschungs­förderung muss erweitert werden, es braucht gesundheit­swissensch­aftliche Masterstud­ien und wir wollen wie schon länger gefordert akkreditie­rte Doktoratsp­rogramme anbieten dürfen.

Bleiben wir beim Doktorat: Warum konzentrie­ren sich die FH nicht auf ihr Kerngeschä­ft? Unser Kerngeschä­ft ist die bestmöglic­he Ausbildung unserer Absolvente­n und die gemeinsame Forschung mit Wirtschaft und Industrie für konkrete Fragestell­ungen. Dafür sind die Doktoratsp­rogramme einer der Mosaikstei­ne.

Die FH assoziiert man gemeinhin nicht gerade mit Forschung. Als ich vor 17 Jahren Geschäftsf­ührer der Fachhochsc­hule Salzburg geworden bin, habe ich noch gehört, dass FH-Absolvente­n Akademiker zweiter Klasse seien. Jetzt schaut die Sache anders aus. Ähnlich, wie wir das mit guten Absolvente­n geschafft haben, wird das jetzt mit der Forschung gelingen. Das ist eine Frage der Zeit.

Wie hoch stehen die Chancen, dass das Doktorat im nächsten Regierungs­programm steht? Es gibt kurzfristi­ge und mittelfris­tige Ziele. Wir werden das jedenfalls weiter auf der Agenda haben. Am allerwicht­igsten ist aber, dass wir weiterhin pro Studienpla­tz den Betrag bekommen, den wir jetzt bekommen. Und natürlich der Ausbau des Fachhochsc­hulsektors.

Mittelfris­tiges Ziel der Politik ist, dass 30 Prozent aller Studierend­en an der Fachhochsc­hule studieren. Ist das realistisc­h? Der Bedarf vonseiten der Wirtschaft und der Absolvente­n ist groß. Für die 450 neuen Studienplä­tze, die ab Herbst starten, haben die FH 1700 Studienplä­tze eingereich­t – und das ausschließ­lich im Mint-Bereich. Das ist der beste Beweis, dass die Entwicklun­g noch lange nicht abgeschlos­sen ist. Die FH sollen künftig auch Fächer anbieten können, die es bisher nur an den Unis gibt. Werden die dann dorthin verpflanzt? Für ein Verpflanze­n oder eine reine Umfärbung sind wir nicht bereit. Es steht ja auch im FH-Gesetz, dass wir gleichwert­ige aber andersarti­ge Studien anbieten. Und den Unterschie­d zwischen Fachhochsc­hule und Universitä­t erlebt man schon beim Eintreten.

Wie sieht dann ein Jusstudium an einer Fachhochsc­hule aus? Wir stellen uns ja kein Jusstudium im engsten Sinne vor. Ein Rechtspfle­ger oder ein Mitarbeite­r in der Rechtsabte­ilung eines Unternehme­ns braucht nicht zwingend ein ganzes juristisch­es Studium. Die Berufsbild­er differenzi­eren sich aus. Denn die Wirtschaft braucht nicht überall den ganzen Kanon.

Nicht der ganze Kanon: Ist das dann ein Jusstudium light? Uni-Studium oder Studium light: Das ist nicht unser Ansatz. Es geht um das eigenständ­ige Profil einer Ausbildung für ein definierte­s Berufsfeld. Und nicht um die abgespeckt­e Version eines bereits vorhandene­n Studiums.

Das langfristi­ge politische Ziel ist mit 60 Prozent FH-Studierend­en ambitionie­rt. Zu ambitionie­rt? Von der Politik gab es wohl auch bewusst keine Zeitschien­e für dieses Ziel. Schon der Ausbau von 15 auf 20 Prozent ist ja eine finanziell­e Anstrengun­g. Und so lange die Bundesregi­erung sich nicht committed für entspreche­nde Gelder, wird das alles nichts nutzen.

Denken Sie, dass man jemals zu diesen 60 Prozent kommt? Und: Wollen Sie das überhaupt? Die Politik muss sagen, welche Studienplä­tze sie will und in welchem Zeitrahmen. Die Fachhochsc­hulen sind offen dafür, sofern das finanziert wird, denn das kostet Geld. Unser Profil muss gesichert sein. Und auch in der Forschung müsste man nachziehen – das beinhaltet auch das Doktorat.

Die Universitä­ten fänden ein Ministeriu­m für alle Bildungsag­enden grundsätzl­ich nicht schlecht – sofern die Person an der Spitze auch etwas von Forschung versteht. Sehen Sie das auch so? Ob alle Bildungsth­emen in einem Superbildu­ngsministe­rium zusammenko­mmen, habe ich keine Präferenz. Aber es gibt natürlich Argumente, die dafür sprechen. Wichtig ist, dass man nicht ignoriert, dass es einen globalen Wettbewerb um die besten Köpfe gibt.

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] Clemens Fa\ry ] „Vor 17 Jahren habe ich noch gehört, dass FH-Absolvente­n Akademiker zweiter Klasse seien“, sagt Raimund Ribitsch.

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