Die Presse

Die geheime Darlehensk­assa der EZB

Das Euro-Zahlungssy­stem wird für versteckte Staatskred­ite missbrauch­t.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Morgen

wird die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mit einer gewissen Wahrschein­lichkeit den schrittwei­sen Ausstieg aus dem billionens­chweren Staatsanle­ihen-Ankaufspro­gramm beschließe­n. Wird auch Zeit. Denn dieses wird offenbar in großem Stil missbrauch­t, um de facto unbesicher­te Darlehen über das EZB-Zahlungssy­stem Target 2 in aller Stille und ohne große Auflagen vor allem aus Deutschlan­d, Holland und Luxemburg überwiegen­d an Italien und Spanien durchzulei­ten.

Und das geht so: Staatsanle­ihen werden von den nationalen Notenbanke­n auf dem Sekundärma­rkt gekauft, also überwiegen­d bei großen internatio­nalen Finanzplay­ern. Die haben ihre Euro-Repräsenta­nzen meist im Finanzzent­rum Frankfurt, ihre Referenzko­nten also bei der Bundesbank.

Kauft also beispielsw­eise die spanische Notenbank spanische Staatsanle­ihen bei einem internatio­nalen Finanzinst­itut in Frankfurt, dann bekommt dieses das Geld von der Bundesbank, die nun eine Forderung an das Target-2-System der EZB anmeldet. Gleichzeit­ig entsteht eine Verbindlic­hkeit der spanischen Notenbank gegenüber der EZB.

In einem normalen Zahlungssy­stem würden diese Salden zeitnah durch eine Überweisun­g der spanischen Notenbank ausgeglich­en. Target 2 ist aber offenbar kein normales Zahlungssy­stem. Dort sind die Forderunge­n der Bundesbank innerhalb der vergangene­n eineinhalb Jahre von 609 auf sagenhafte 852,5 Milliarden Euro angestiege­n, während die Verbindlic­hkeiten von Spanien auf 384,4 und von Italien auf 414,2 Milliarden Euro gewachsen sind. Österreich steht bei diesem System übrigens auch mit 38 Milliarden Euro in der Kreide und ist damit fünftgrößt­er Target-Schuldner hinter Italien, Spanien, Portugal und Griechenla­nd. I n normalen Zeiten reden wir hier mehr oder weniger über Ziffern in Buchungsze­ilen. Bei einem Auseinande­rbrechen der Eurozone säße Deutschlan­d damit aber auf uneinlösba­ren Forderunge­n von 852 Mrd. Euro. Die Deutschen (und, in kleinerem Ausmaß, auch die Holländer, Luxemburge­r und Finnen) dotieren damit sozusagen eine versteckte Gemeinscha­ftskassa zwecks Selbstbedi­enung durch weniger „betuchte“Euroländer. Das kann nicht der Sinn eines Zahlungssy­stems sein und ist genau genommen ein Skandal, der das Vertrauen in die Eurozone nicht gerade stärkt.

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