Die geheime Darlehenskassa der EZB
Das Euro-Zahlungssystem wird für versteckte Staatskredite missbraucht.
Morgen
wird die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den schrittweisen Ausstieg aus dem billionenschweren Staatsanleihen-Ankaufsprogramm beschließen. Wird auch Zeit. Denn dieses wird offenbar in großem Stil missbraucht, um de facto unbesicherte Darlehen über das EZB-Zahlungssystem Target 2 in aller Stille und ohne große Auflagen vor allem aus Deutschland, Holland und Luxemburg überwiegend an Italien und Spanien durchzuleiten.
Und das geht so: Staatsanleihen werden von den nationalen Notenbanken auf dem Sekundärmarkt gekauft, also überwiegend bei großen internationalen Finanzplayern. Die haben ihre Euro-Repräsentanzen meist im Finanzzentrum Frankfurt, ihre Referenzkonten also bei der Bundesbank.
Kauft also beispielsweise die spanische Notenbank spanische Staatsanleihen bei einem internationalen Finanzinstitut in Frankfurt, dann bekommt dieses das Geld von der Bundesbank, die nun eine Forderung an das Target-2-System der EZB anmeldet. Gleichzeitig entsteht eine Verbindlichkeit der spanischen Notenbank gegenüber der EZB.
In einem normalen Zahlungssystem würden diese Salden zeitnah durch eine Überweisung der spanischen Notenbank ausgeglichen. Target 2 ist aber offenbar kein normales Zahlungssystem. Dort sind die Forderungen der Bundesbank innerhalb der vergangenen eineinhalb Jahre von 609 auf sagenhafte 852,5 Milliarden Euro angestiegen, während die Verbindlichkeiten von Spanien auf 384,4 und von Italien auf 414,2 Milliarden Euro gewachsen sind. Österreich steht bei diesem System übrigens auch mit 38 Milliarden Euro in der Kreide und ist damit fünftgrößter Target-Schuldner hinter Italien, Spanien, Portugal und Griechenland. I n normalen Zeiten reden wir hier mehr oder weniger über Ziffern in Buchungszeilen. Bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone säße Deutschland damit aber auf uneinlösbaren Forderungen von 852 Mrd. Euro. Die Deutschen (und, in kleinerem Ausmaß, auch die Holländer, Luxemburger und Finnen) dotieren damit sozusagen eine versteckte Gemeinschaftskassa zwecks Selbstbedienung durch weniger „betuchte“Euroländer. Das kann nicht der Sinn eines Zahlungssystems sein und ist genau genommen ein Skandal, der das Vertrauen in die Eurozone nicht gerade stärkt.