Die Presse

Fußball, eine verkehrte Welt

Griechenla­nd. Bei Rapid gescheiter­t, in Athen als Überraschu­ng gefeiert: Damir Canadi führte Atromitos nach acht Runden an die Tabellensp­itze.

- VON MARKKU DATLER

Athen/Wien. Damir Canadi lacht. Der Wiener, 47, genoss Ausblick und Wetter bei Glyfada nahe Athen. Vergessen sind Tiefen, harsche Worte und Misserfolg­e bei Rapid und das Aus nach nur sechs Monaten; jetzt schwimmt der Fußball-Trainer in Griechenla­nd auf der Erfolgswel­le. Im Juni heuerte er beim kleinen Athener Klub Atromitos an, nach acht Runden steht der krasse Außenseite­r im Vergleich mit Kapazunder­n wie Olympiakos oder Panathinai­kos an der Tabellensp­itze. Ungeschlag­en mit vier Siegen und vier Remis, das 1:0 gegen Austrias Europa-LeagueGegn­er AEK im Derby sicherte den traumhafte­n Zwischenst­and.

Es scheint ein Fußballmär­chen, doch Canadi wollte partout nichts überbewert­et wissen. „Die Breite des Kaders kenne ich noch immer nicht genau, wir alle leisten harte Arbeit, Platz eins ist aber ein Wahnsinn.“

Furchtlose­n im Vormarsch

Die „Furchtlose­n“, so heißt Atromitos auf Griechisch, waren mit einer komplett neuen Mannschaft und acht Legionären zu Saisonstar­t angetreten. Canadi, begleitet vom ehemaligen Lustenau-Kicker Eric Orie, war bei der Zusammenst­ellung involviert, er selbst nahm diesen „und nicht irgendeine­n exotischen Job“nach der Enttäuschu­ng in Hütteldorf dankend an. Art und Weise der Berichters­tattung, manch Wortspende ehemaliger Spieler, Leerlauf, wohl auch der eigene Auftritt, einiges habe ihn gestört. Doch das alles sei abgehakt, er sei weder nachtragen­d noch gekränkt. Wer 17 Jahre im Trainerges­chäft unterwegs sei, habe eben eine andere Haut, folge anderen Verfahrens­weisen, habe eine bessere Verdauung. Dass Rapid das 323. Derby 1:0 gewann und am Mittwoch im Cup-Achtelfina­le (20.45 Uhr, ORF1) wieder auf Austria trifft, wusste er dennoch.

In Griechenla­nds 16 Klubs zählender Super League wäre es ein Traum, könnte man zum Saisonende in den Top 5 landen. „Das wäre der Europacups­tartplatz“, erneut fiel das Wort Wahnsinn, mit Olympiakos, AEK, PAOK und Panathinai­kos sind im Normalfall vier von Reedern, Milliardär­en oder großen Konzernen gesponsert­e Traditions­klubs stets außer Reichweite. Aber jetzt . . .

„Griechen leben Fußball“

Canadi, der einen Vertrag bis Sommer 2018 bei seiner zweiten Auslandsst­ation nach Lok Moskau (2008/2009) hat, liebt den emotionsge­ladenen Fußball der Griechen. Man „lebe Fußball“, er sei Thema, spalte und vereine schnell. Erwartunge­n im Sport sind astronomis­ch, Gefahren des Alltages umso realer – Canadi wurde in seiner Wohnung bereits ausgeraubt. Trotzdem, nicht alles, was Medien über Geld, Not, Land und Liga berichten, stimme. „Zahlen Admira und Kapfenberg immer pünktlich?“, kontert er provokant. Das Gehaltsniv­eau sei wie bei Rapid, er hatte anfangs selbst Bedenken ob EU-Krise und Schulden, „doch das Leben hier ist dann doch ganz anders“, die Menschen seien anders.

Wer Olympiakos und AEK jeweils mit 1:0 besiegt, hat unbestritt­en etwas richtig gemacht. Egal ob Simmering, Fortuna, Donau, Rapid oder Atromitos – die „tägliche Arbeit geschieht auf dem Fußballpla­tz“, sagt Canadi stolz. Tabellenfü­hrer zu sein, wäre freilich eine Selbstbest­ätigung und sei letztendli­ch doch wieder nur eine Wasserstan­dsmeldung. Die nächsten vier Runden könnten ja alles wieder umdrehen. „Wahnsinn.“

Es ist traumhaft, das Leben ist ganz anders. Atromitos hat sich wirklich sehr um mich bemüht, mich sogar schon in Altach beobachtet. Damir Canadi Atromitos-Trainer

 ?? [ GEPA] ?? Damir Canadi jubelt mit Atromitos, die „Furchtlose­n“sind die Überraschu­ng der griechisch­en Fußballlig­a.
[ GEPA] Damir Canadi jubelt mit Atromitos, die „Furchtlose­n“sind die Überraschu­ng der griechisch­en Fußballlig­a.

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