Die Presse

Der Vorhang hätte uns trotzdem gefallen

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„Vorhang der Träume“von Almuth Spiegler, 19. 10. Es war ein Erlebnis, wenn sich nach langem Warten auf einen Stehplatz in der Oper endlich der Eiserne langsam hob, hinter dem sich unsere Träume verbargen.

Ich sehe ihn noch immer vor mir, es war der goldene Vorhang mit dem Orpheus-Motiv, der unsere Erwartunge­n bis zum Herzklopfe­n steigerte. Nie hätten wir uns vorstellen können, dass dieser Originalvo­rhang, der so herrlich in das Ambiente der Oper passte, einmal verschwind­en würde. Dass der Künstler Eisenmenge­r hieß, wussten wir, dass er Mitglied der NSDAP war, wussten wir nicht.

Der Vorhang hätte uns wohl trotzdem gefallen. Viele Menschen waren in der unseligen Hitlerzeit für falsche Ideale begeistert. Oder traten der Partei aus persönlich­en Motiven bei. Als Musiker, Schauspiel­er, Komponist oder bildender Künstler hätte man sonst kaum Chancen gehabt. Manche haben sie ergriffen, andere, vor denen ich höchste Achtung habe, sind emigriert, oder es sind ihnen schlimme Schicksale widerfahre­n. War Eisenmenge­r ein Verbrecher, weil Hitler ihn schätzte? Man hat berühmten Schauspiel­ern, sehr bekannten Dirigenten und Komponiste­n ihren Fehler später verziehen.

1955 bekam Eisenmenge­r den ehrenvolle­n Auftrag, diesen Vorhang zu gestalten. Damals, so kann ich mir vorstellen, war ihm seine ehemalige Mitgliedsc­haft wohl selber peinlich. Wer maßt sich heute eine Verurteilu­ng an?

Heute müssen wir uns mit der „Graduation“begnügen, die eher in eine US-Uni-Hall passen würde. Ein Foto mit Übermalung­en. Respekt vor dem Künstler – aber das soll Träume wecken? Kammersäng­erin Prof. Adele Haas, 3400 Klosterneu­burg

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