Die tiefen Falten des Spätmurxisten Armin Thurnher
Artikulation von Hass muss im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig sein.
Wenn der Herausgeber einer Wiener Stadtzeitung „Falter“seine Neigung zum Wortwitz auslebt und den Bundeskanzler in spe einen „Neofeschisten“nennt, dann muss die Frustration im linken Lager schon gewaltig sein. Das Zurückgreifen auf billige Tricks sprachlicher Assoziationen bietet einen journalistischen Vorgeschmack auf jene Gewaltausbrüche, die uns auf der Straße noch bevorstehen, wenn eine den Spätsozialisten nicht genehme Koalition die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte.
Mit der antifaschistischen Codierung einer faschistoiden Zuschreibung sollen jene Hundertschaften angesprochen und aufgehetzt werden, deren Hass massiv aufgeboten werden kann. Der biedere Bürger erinnert sich noch mit Schaudern an jene Plakate, mit denen diese elementare Kraft zum Habenkönnen angeboten wurde.
Möglicherweise machte der enttarnte Wahlkampf der SPÖ dieser Strategie einen Strich durch die Rechnung. Konnte man in Österreich im Namen des Antifaschismus bisher jede Hetze folgenlos unter die Leute bringen, könnte die Welt plötzlich eine andere sein.
Seit dem Auffliegen der gefälschten Facebook-Seiten samt antisemitischen Hasspostings hat man eher das Gefühl, dass die meisten Hakenkreuze im Land von Jungmarxisten geschmiert werden, um die eigene Ideologie zu legitimieren. Die Faschismuskeule mutiert zum Bumerang, der auch um einen 31-Jährigen einen großen Bogen macht. Den Hass will keiner haben – auch den linken nicht.
Linker Schrumpfungsprozess
Die Avantgarde des gepflegten Klassenkampfes wird sich damit abzufinden haben, dass die linke Reichshälfte per demokratischem Prozess auf ein knappes Reichsdrittel reduziert wurde. Monarchisch gesprochen, versteht sich. Nunmehr sind Analysefähigkeiten wieder gefragt. Das „gendergetriebene WapplerInnentum“als eine Ursache des grünen Desasters auszumachen spricht sehr für den alten Herrn und das Mehr an Aufarbeitungskompetenz. Bürgerliche hätten kaum die Courage, so treffsicher zu formulieren.
Moralische Aristokratie
Die Trauerarbeit mit Jugendneid und autoritären Stereotypen zu mischen zeugt hingegen von bedenklichen Blockaden. Selbst Goethe als unschuldigen Zeugen für das bunte Gemisch aus schwerer Enttäuschung und letztem Rest an Kampfeslust heranzuziehen erscheint deplatziert.
Die linke Elite mit ihrem Überlegenheitsanspruch hat sich immer für etwas Besseres gehalten. Als moralische Aristokratie erschien es ihr auch immer unbedenklich, Richter über die Bourgeoisie zu spielen. Dass dieses Spiel ewig so weitergehen sollte, wurde als selbstverständlich angenommen. Umso schmerzhafter ist der tiefe Fall, wenn der Herausgeber des faltenreichen Stadtmagazins auf der Linie der verbalen Aggressivität herummurxt und sich einer menschenverachtenden Rhetorik bedient. Deshalb ein Zuruf im guten alten Juso-Jargon: „Armin, hau Dich mit Deiner menschenverachtenden Rhetorik über die Häuser!“
Verfehlt wäre allerdings, Muna Duzdars Meldestelle „Gegen Hass im Netz“in Anspruch zu nehmen und den „Neofeschisten“-Artikel zur Anzeige zu bringen. Die Artikulation von Hass, der nicht direkt auf Gewalt zielt, muss im Rahmen der Meinungsfreiheit zulässig sein. Hier helfen keine staatlichen Überwachungsmaßnahmen und schon gar keine Strafgesetze. Gegen Hass im Netz hilft nicht weniger Meinungsfreiheit, sondern nur das Gegenteil: mehr Meinungsfreiheit. Auch in diesem Fall sollte man die vermeintlichen Meister der linguistischen Schnalzereien mit ihren eigenen Waffen schlagen.