Die Presse

Eine Mahnung an die künftige Koalition

Nationalfe­iertag. Kerns Abschied, Van der Bellens Premiere: Wie sich die Nationalra­tswahl auf diesen 26. Oktober auswirkte.

- VON IRIS BONAVIDA

Viel Zeit, um sich einzuleben, hatte Christian Kern ja nicht: Eineinhalb Jahre arbeitete er hier im Bundeskanz­leramt – und so, wie es aussieht, wird es in wenigen Wochen vorbei sein. Dafür hat er in der Zeit viel „unnützes Wissen“über das Haus gesammelt, wie er es selbst nennt. Der grüne Tisch im Ministerra­tssaal? „Daher leitet sich das Sprichwort ab.“Sein jetziges Büro? „Das war früher das Metternich-Zimmer.“Am spektakulä­rsten sei aber das Kreisky-Zimmer. „Der Schreibtis­ch ist noch derselbe wie damals.“

Wem Kern das erzählt? Einer Traube von Menschen, die am Nationalfe­iertag ins Kanzleramt gekommen sind. Hauptsächl­ich für ein Selfie, vereinzelt für ein Autogramm, ein paar Jugendlich­e wollen mit dem Kanzler über den Katalonien-Konflikt sprechen. Ein Bub zeigt ihm auch einen Fächer in seiner Lieblingsf­arbe: Türkis. „Das g’fallt mir ein bisschen weniger“, sagt Kern. „Aber dir seh ich es nach.“Der Kanzler genießt die Aufmerksam­keit sichtlich – schließlic­h ist es seine Abschiedst­our durch das Haus. Vorerst, glaubt Kern: Der Tag der offenen Tür werde für ihn „nicht der letzte sein“.

Bis das nächste Mal gewählt wird, werden planmäßig aber noch vier bzw. fünf weitere Nationalfe­iertage stattfinde­n. Feiertage, an denen nicht er, Kern, durch das Kanzleramt führen wird und eine Ansprache auf dem Heldenplat­z hält. Also nutzt er nochmals die Gelegenhei­t bei seiner Rede vor der traditione­llen Angelobung der Rekruten. Und richtete seinen Nachfolger­n in der Regierung eine Mahnung aus: Österreich sei eine Wertegemei­nschaft, und zwar „selbstbewu­sst und patriotisc­h“, aber nicht „chauvinist­isch, kleingeist­ig und ängstlich“. Es gebe „keinen Platz für Hetze und Antisemiti­smus“. Man brauche ein starkes Österreich in einem starken Europa. „Spalten kann niemals eine Lösung sein.“

Auch Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil hat auf dem Heldenplat­z „zwei Appelle an die neue Regierung“, wie er es formuliert. Zum einen soll „der Budgetpfad weiterhin beschritte­n werden“. Soll heißen: Auch in den kommenden Jahren sollte das Bundesheer genügend Budget erhalten. Denn: „Sicherheit kostet Geld.“Zum anderen müsse die Truppe „aus dem politische­n Hickhack und Streit“herausgeha­lten werden. „Es ist wichtig, über die Zukunft des Heeres zu diskutiere­n“, sagt er. Allerdings abseits von Parteiinte­ressen.

„Klares Bekenntnis zu Solidaritä­t“

Nur einer der Redner an diesem Donnerstag­vormittag ist auch für das nächste Jahr eingeplant: Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen feierte sozusagen seine Premiere als Hauptredne­r auf dem Heldenplat­z. Die Botschaft war allerdings eine ähnliche wie jene von Kern und Doskozil, wenn

auch verklausul­ierter. Das Fazit: Die kommende Regierung müsse sich auf das Gemeinsame, nicht auf das Trennende konzentrie­ren. In seiner TV-Ansprache am Abend wird er etwas konkreter: Das Resultat der Nationalra­tswahl zeige einen Willen zur Veränderun­g. „Aber es braucht eine exakte Unterschei­dung zwischen den Dingen, die verändert werden müssen, und den Dingen, die wir in unserem Land als immerwähre­nd sehen.“Und diese wären unter anderem „das Beachten der Grund- und Menschenre­chte, der Rechte der Minderheit­en“. Und: „Das klare Bekenntnis zu Solidaritä­t und Empathie, so dass der Stärkere dem Schwächere­n hilft.“Außerdem brauche es ein „klares Ja zur europäisch­en Zusammenar­beit“.

Diejenigen, die angesproch­en wurden, hielten sich am Feiertag übrigens zurück: ÖVP-Chef Sebastian Kurz war zwar bei der Angelobung der Rekruten dabei, ließ aber den Tag der offenen Tür in seinem Außenminis­terium aus. Aus Termingrün­den, wie es hieß.

Und die FPÖ? Parteichef Heinz-Christian Strache versuchte, auf die indirekte Kritik seiner Vorgänger zu reagieren. Und richtete via Aussendung aus: „Falls wir Freiheitli­che tatsächlic­h Mitglied der nächsten Bundesregi­erung werden, dann haben auch wir den Auftrag, im Rahmen des EU-Ratsvorsit­zes für Österreich­s und Europas Sicherheit zu sorgen. Stabilität, Frieden und Fairness sind unsere höchsten Güter.“

 ??  ?? Mehr als 1300 Rekruten wurden am gestrigen Nationalfe­iertag auf dem Heldenplat­z angelobt. Das Heer organisier
Mehr als 1300 Rekruten wurden am gestrigen Nationalfe­iertag auf dem Heldenplat­z angelobt. Das Heer organisier
 ?? [ APA] ?? m Tag traditione­ll auch eine Leistungss­chau.
[ APA] m Tag traditione­ll auch eine Leistungss­chau.

Newspapers in German

Newspapers from Austria