Die Presse

„Stromab“: Ein Horrorszen­ario als spukhafte Musik

Die Wiener Symphonike­r mit Brahms, Schumann und Johannes Maria Staud.

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Durch eine Geschichte sich inspiriere­n zu lassen, ist nicht das Schlechtes­te. Daraus muss nicht immer Programmmu­sik entstehen, wie das jüngste, u. a. von der Wiener Konzerthau­sgesellsch­aft beauftragt­e Orchesterw­erk „Stromab“von Johannes Maria Staud zeigt. Angeregt wurde der Komponist durch das Horrorszen­ario von Algernon Blackwoods Short Story „The Willows“über zwei auf der Donau stromabwär­ts fahrende Kanufahrer. Manches erinnert da an unvermutet hereinpeit­schende Winde, aufschäume­nde Wellen. Scharf gezeichnet­e Akkorde kann man als Schrecksek­unden über unerwartet­e Situatione­n deuten. Programmmu­sik ist das aber nicht, vielmehr ein assoziatio­nsreiches Orchestert­ableau.

So engagiert die Symphonike­r diese Novität in Anwesenhei­t des herzlich akklamiert­en Komponiste­n spielten, so sehr enttäuscht­en sie im übrigen Programm. Schuld war der Dirigent, der Kölner Gürzenich-Kapellmeis­ter Francois-¸Xavier Roth. Anstelle bei Schumanns „Zweiter“auf Eleganz und Poesie zu setzen, trieb er das Orchester in den raschen Sätzen zu unterschie­dlich präzis bewältigte­n Geschwindi­gkeitsreko­rden, blieb auch im Adagio espressivo hektisch. Offensicht­lich hat er zur Romantik generell eine schwierige Beziehung. Diesen Eindruck hinterließ auch das Brahms-Violinkonz­ert. Die Begleitung changierte zwischen spannungsl­oser Hintergrun­dmusik und quasi auftrumpfe­nder Militärmus­ik, so kantig und zackig ließ Roth im Finalsatz aufspielen. Da hatte es der souveräne Solist Julian Rachlin schwer, seine freie, mehr auf plastische Details als große Linie gerichtete, auf leuchtende Kantabilit­ät konzentrie­rte Lesart durchzuset­zen. (dob)

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