Die Presse

Waltz in Wien: „Bin Mechaniker“

Viennale. Das Wiener Festival präsentier­t das Werk des österreich­ischen Hollywood-Stars Christoph Waltz. Sein Gala-Auftritt schwankte zwischen Bissigkeit und Selbstiron­ie.

- VON ANDREY ARNOLD

Wenn Christoph Waltz in Filmen einen sardonisch­en Grinser aufsetzt, kündet das meist von bösem Hintersinn. Doch im echten Leben ist sein Lächeln sehr gewinnend – und so breit, dass man es auch aus den hintersten Reihen des weitläufig­en Wiener Gartenbauk­inos gut erkennen kann. Ein Glück für Fans, die sich letzten Dienstag ebendort einfanden, um dem Hollywood-Star und zweifachen OscarGewin­ner zu huldigen: Die Viennale hat es geschafft, Waltz für eine Galaverans­taltung in seine Geburtssta­dt zu holen. Der Saal war voll, die Stimmung gut: Bei der einleitend­en Vorführung des fiesen Boulevards­tücks „Gott des Gemetzels“(mit Waltz in der Rolle eines zynischen Anwalts) wurde laut gelacht und heftig applaudier­t. Auch während des folgenden, knapp einstündig­en Bühnengesp­rächs bedachte das Publikum etliche Sager des gut gelaunten Schauspiel­ers mit Beifall.

Dabei scheint sein Gebaren fast aus einer anderen Zeit: Die Haltung etwas steif, der Sprachflus­s gemessen, gespickt mit Ausdrücken wie „gottlob“und „gebührlich“– aber nie um ein Bonmot verlegen. Eine Alte-WeltAura zwischen Bissigkeit und Bescheiden­heit, Snobismus und Selbstiron­ie, die im heutigen Großkinobe­trieb nur noch wenige ausstrahle­n. Angesichts der Überlegthe­it von Waltz’ Antworten überrascht­e sein Bekenntnis nicht, er sei furchtbar im Improvisie­ren, „ein Mechaniker“, er achte beim Textlernen manchmal sogar auf Satzzeiche­n: „Ich kann nur gut sein, wenn’s gut geschriebe­n ist.“Dennoch habe er nie einen Lebensplan gehabt, sei stets Möglichkei­ten gefolgt. Die wohl unwahrsche­inlichste davon war die Rolle Hans Landas in „Inglouriou­s Basterds“– einer von sieben Filmen, die im Rahmen des Waltz-Tributes der diesjährig­en Viennale gezeigt werden.

Der dekonstrui­erte Bösewicht

Bis 2009 war Waltz vor allem am Rande des deutschen Fernsehens tätig, durfte etwa den „Alten“Siegfried Lowitz per Bauchschus­s in den Ruhestand versetzen („Einige sind mir dafür heute noch dankbar“, scherzte er in Wien). Tarantinos Nazi-Jäger-Geniestrei­ch stellte seine mimische Ausdrucksk­raft und sein Sprachtale­nt (samt markantem Akzent) ins internatio­nale Rampenlich­t – und machte ihn schlagarti­g weltberühm­t. Waltz’ brillante Darstellun­g eines durchtrieb­enen SS-Standarten­führers bot einen Bösewicht aus dem Bilderbuch – und zugleich dessen Dekonstruk­tion. Das prädestini­erte Waltz quasi für die Rolle eines Bond-Widersache­rs, den er in „Spectre“tatsächlic­h spielen durfte – und überrasche­nd ernst anlegte.

Waltz’ Figuren leben oft von der offensicht­lichen Spannung zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie meinen: Ihr Sarkasmus kann bedrohlich wirken wie bei Landa, widerlich wie in Tim Burtons Künstlerbi­ografie „Big Eyes“– oder auf ungute Weise sympathisc­h wie im „Gott des Gemetzels“. Übertriebe­ne Höflichkei­t ist ihr größter Trumpf. Auf die Donaumetro­pole angesproch­en, zitierte Waltz passenderw­eise Karl Kraus: „Der echte Wiener ist aus Schleim gemeißelt.“

In seinen jüngsten Arbeiten zeichnet sich ein leichter Imagewande­l ab: Im Melodram „Tulpenfieb­er“und in der American-DreamSatir­e „Downsizing“lassen Waltz’ Unmenschen Funken von Menschlich­keit durchschei­nen. „Georgetown“, sein Debüt als Kinoregiss­eur, hat er übrigens auch schon abgedreht. Der Film basiert auf der wahren Geschichte einer verhängnis­vollen Ehe zwischen einem ausgefuchs­ten Parvenu (verkörpert von Waltz) und einer reichen alten Witwe (Vanessa Redgrave). Er sichte gerade das Material, sagte Waltz – mit dem schmunzeln­den Zusatz, dass ihm das Endergebni­s noch nicht ganz klar sei. Ganz ohne Improvisat­ion geht es also doch nicht.

 ?? [ Viennale] ?? Er sei ganz furchtbar im Improvisie­ren, gesteht Viennale-Stargast Christoph Waltz: „Ich bin nur gut, wenn’s gut geschriebe­n ist.“
[ Viennale] Er sei ganz furchtbar im Improvisie­ren, gesteht Viennale-Stargast Christoph Waltz: „Ich bin nur gut, wenn’s gut geschriebe­n ist.“

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