Eine Moskauerin und ein Wiener tanzen nach Fonteyn und Nurejew
Staatsoper. Liudmila Konovalova und Jakob Feyferlik im „Presse“-Gespräch über Asthma, die „Kameliendame“und erste Vorübungen am Wickeltisch.
Very british“geht es derzeit im Ballettsaal der Wiener Staatsoper zu: Das Staatsballett probt für einen Ballettabend mit Choreografien von Kenneth MacMillan, Wayne McGregor und Frederick Ashton, der am kommenden Dienstag (31. 10.) Premiere hat. Vor allem Ashtons „Marguerite and Armand“legt die Latte für die Tänzer hoch: Die Choreografie wurde einst für das Traumpaar der Ballettwelt – Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew – geschaffen. In Wien tanzen Liudmila Konovalova und Jakob Feyferlik das unglückliche Paar. „Das ist eine große Herausforderung. Ashton hat das Stück ja nach den Möglichkeiten Nurejews choreografiert – deshalb ist es so schwierig“, sagt Feyferlik im „Presse“-Interview. „Und er hat es für Fonteyn gemacht – sie war seine Muse“, ergänzt Konovalova, die über Margot Fonteyn schwärmt: „Sie war die ideale Marguerite!“
Der Werdegang der beiden Tänzer könnte unterschiedlicher kaum sein: Die in Moskau geborene Konovalova hat „aus gesundheitlichen Gründen“mit dem Tanzen angefangen, erzählt sie: „Ich hatte leichtes Asthma und meine Mutter hat mich singen und tanzen lassen, damit durch die Bewegung mein Atem besser wird. Als ich dann zwischen Musik und Tanz wählen musste, wusste ich, was ich will.“An der Schule des Bolschoi-Theaters ging sie durch eine schwere Zeit: „Ich war nicht immer die Beste. Aber das Tanzen war immer in mir. Und ich wollte nicht nur ins Corps de Ballet kommen – ich wollte mehr.“
„Moskau hat mich stark gemacht“
2002 wurde sie ans Russische Staatsballett engagiert, 2007 ging sie nach Berlin, 2010 kam sie an die Wiener Staatsoper, wo sie 2011 zur Ersten Solotänzerin ernannt wurde. „Wien ist ein guter Platz zum Leben“, findet Konovalova. „Und ich liebe die Staatsoper. Wien ist meine zweite Heimat geworden.“Mittlerweile ist sie auch österreichische Staatsbürgerin. Hin und wieder gibt sie dem Heimweh nach, besucht Freunde und Familie in Moskau. Aber leben will sie dort nicht mehr. „Ich bin froh, dass ich in Moskau geboren und ausgebildet wurde – das hat mich mental und körperlich sehr stark gemacht. Man lernt, nicht aufzugeben und mit Schmerzen und Leid zu leben. Aber ich will auch nicht mein ganzes Leben lang kämpfen. Wien ist der perfekte Platz für mich.“
Für Feyferlik war der Weg zur Staatsoper ein kurzer: „Nur von einem Bezirk in den anderen.“Seine Karriere habe quasi „schon am Wickeltisch“angefangen, erzählt er: „Meine Schwester ist zehn Jahre älter als ich – sie tanzt auch im Staatsballett, an der Volksoper. Sie wollte immer meine Windeln wechseln und hat mich dann immer gleich gedehnt – sie wollte unbedingt einen Balletttänzer als Bruder.“Feyferlik studierte erst am Konservatorium, dann an der Ballettschule der Staatsoper. Von dort wurde er 2013 mit erst 16 Jahren in die Compagnie engagiert – und hat nebenbei noch extern die Matura gemacht. Heute ist er froh darüber: „Ich habe schon gesehen, wie viele Kollegen sich verletzen oder Beschwerden bekommen.“Vorerst klappt es aber mit der Staatsopern-Karriere ganz gut – seit 2016 ist Feyferlik Solotänzer.
Das Lieblingsbuch tanzen
Nun tanzt er mit Konovalova in „Marguerite and Armand“– eine so romantische wie dramatische Choreografie, die von Alexandre Dumas‘ d. J. Roman „Die Kameliendame“(1848) inspiriert ist. Konovalova hat das Geschehen verinnerlicht: „Das war als Teenager mein Lieblingsbuch“, erzählt sie. In nur einer halben Stunde erzählt das Ballettstück die ganze Geschichte: Wie sich Marguerite und Armand verlieben, wie sie ihn auf Drängen seines Vaters verlässt – und dann in Armands Armen stirbt. „Zwischen Lieben, Verlassen und Sterben ist oft nur ein Kleiderwechsel, das sind Sekunden“, sagt Konovalova. Das Drama liegt ihr: „Ich liebe es, auf der Bühne zu leiden und zu sterben.“Dumas‘ Roman ist teilweise autobiografisch. „Wenn ich das tanze, ist alles für mich real. Ich muss nicht schauspielern, das kann ich mit meiner Lebenserfahrung ausdrücken.“Und Feyferlik? Auch er lebt voll mit: „Speziell zum Schluss, wenn Marguerite im Sterben liegt, dann tanze ich nur mehr und denke an gar nichts.“