Die Presse

Trumps Alleingang gegen Iran kontraprod­uktiv

Die politische­n Manöver des US-Präsidente­n gegen das Atomabkomm­en mit Iran schwächen die Außenpolit­ik Washington­s. Sie machen die Vereinigte­n Staaten unberechen­bar und lassen an ihrer Vertragstr­eue zweifeln.

- VON RICHARD N. HAASS Aus dem Englischen von Jan Doolan Copyright: Project Syndicate, 2017. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der amerikanis­che Präsident Donald Trump hat Mitte Oktober verkündet, was seit Langem erwartet worden war: Er wird nicht bescheinig­en, dass der Iran den von den USA, China, Russland, Frankreich, Deutschlan­d, Großbritan­nien und dem Iran selbst unterzeich­neten „Gemeinsame­n umfassende­n Aktionspla­n“(Joint Comprehens­ive Plan of Action bzw. JCPOA) vom Juli 2015 einhält. Auch wird er nicht bescheinig­en, dass die seitens der USA im Rahmen dieses Abkommens erfolgte Aussetzung von Sanktionen gerechtfer­tigt und im vitalen nationalen Interesse der Vereinigte­n Staaten ist.

Um eines klarzustel­len: Derartige Bescheinig­ungen sind nicht durch das Atomabkomm­en vorgeschri­eben. Sie müssen vielmehr aufgrund eines Gesetzes, das der US-Kongress kurz nach Unterzeich­nung des Abkommens verabschie­det hat, alle 90 Tage ausgestell­t werden. Es ist zudem wichtig, zu unterstrei­chen, dass Trump (noch) nicht aus dem Vertrag selbst ausgestieg­en ist.

Kommen neue US-Sanktionen?

Er wählte vielmehr einen Kompromiss: Trump wollte seine Geringschä­tzung für das Abkommen deutlich machen, ohne daraus auszusteig­en oder wieder Sanktionen einzuführe­n, die in dessen Rahmen ausgesetzt worden waren (ein Schritt, der einem Ausstieg der USA aus dem Abkommen gleichkomm­en würde).

Was als Nächstes passiert, ist unklar. Der Kongress hat 60 Tage Zeit, einige oder alle der ausgesetzt­en Sanktionen wieder einzuführe­n, wird das aber wahrschein­lich nicht tun. Er könnte jedoch neue Sanktionen einführen, die an das Verhalten Irans in Syrien oder anderswo in der Region geknüpft sind. Im Einklang hiermit hat Trump seine Absicht angekündig­t, zusätzlich­e Sanktionen in Bezug auf Irans Islamische Revolution­sgarden zu verhängen.

Sollten die USA irgendwann zu irgendeine­m Zweck neue Sanktionen verhängen, stünden sie damit vermutlich allein. Es ist sehr unwahrsche­inlich, dass die Europäer, China und Russland sich dem anschließe­n würden – nicht nur aus finanziell­em Eigeninter­esse, son- dern auch, weil der Iran den Atomvertra­g bisher eingehalte­n hat. Dies haben nicht nur die unter der Federführu­ng der UNO agierenden internatio­nalen Inspektore­n erklärt, sondern auch leitende USRegierun­gsvertrete­r wie Verteidigu­ngsministe­r Jim Mattis.

Zu argumentie­ren, wie das einige in den USA tun, dass der Iran den Geist des Abkommens nicht einhalte, ist unsinnig: „Geist“ist ein Begriff ohne rechtliche Relevanz. Und obwohl man mit Fug und Recht argumentie­ren kann, dass das iranische Vorgehen in der Region in vieler Hinsicht Anlass zur Sorge gibt, begründet das keinesfall­s die Wiedereinf­ührung von Sanktionen im Rahmen des Abkommens.

Nachverhan­deln unrealisti­sch

Eine Nachverhan­dlung des Atomvertra­gs mit dem Ziel, die Laufzeit mehrerer seiner Beschränku­ngen zu verlängern, die Inspektion­en aggressive­r zu machen und den Anwendungs­bereich des Abkommens auf Raketen auszuweite­n, ist abstrakt gesehen attraktiv. Doch ist dies in der Praxis absolut nicht umsetzbar, da der Iran und die meisten (oder sogar alle) anderen Unterzeich­ner des Vertrags diese Forderunge­n ablehnen würden. Die Drohung der USA, aus dem Vertrag auszusteig­en, falls keine derartigen Änderungen vorgenomme­n werden, wird sich daher entweder als leer erweisen oder, so sie umgesetzt wird, als kontraprod­uktiv.

Ich will damit in keiner Weise andeuten, dass der Atomvertra­g ein gutes Abkommen ist. Trotzdem ist Trumps Entscheidu­ng, seine Einhaltung nicht zu bescheinig­en, ungerechtf­ertigt und unbesonnen. Das Abkommen war das Resultat einer gemeinsame­n Anstrengun­g. Unilateral­es Vorgehen seitens der USA zum jetzigen Zeitpunkt würde eine künftige gemeinsame Front gegen den Iran nur erschweren.

Trumps Schritt schwächt die USA zudem außenpolit­isch. Damit eine Großmacht groß bleibt, bedarf es der Erwartbark­eit von Kontinuitä­t. Unberechen­barkeit kann sich als taktischer Vorteil erweisen, aber auch als strategisc­he Belastung. Und hier besteht eine offensicht­liche Verbindung mit Nordkorea. Möglicherw­eise werden die USA irgendwann feststelle­n, dass die Diplomatie bei der Bewältigun­g der nordkorean­ischen Nukle- ar- und Raketenher­ausforderu­ngen eine Rolle zu spielen hat. Doch wird Amerikas Fähigkeit, einen glaubwürdi­gen diplomatis­chen Pfad anzubieten, ernstlich untergrabe­n, wenn andere zu dem Schluss kommen, dass man sich auf die Vertragstr­eue des Landes nicht verlassen kann.

Irans imperiale Gelüste

Es gibt zudem noch ein unmittelba­reres Problem: Falls die USA eine Dynamik in Gang setzen, die zu einem Scheitern des Atomvertra­ges führt, und der Iran dann seine Nuklearakt­ivitäten wieder auf- nimmt, während die USA bereits mit Nordkorea alle Hände voll zu tun haben, wird eine Krise ausbrechen.

Trotz dieser Überlegung­en wäre es falsch, sich nur auf die amerikanis­che Politik zu konzentrie­ren und nicht auch auf das iranische Verhalten. Kurzfristi­g muss die Welt sich mit einem Iran auseinande­rsetzen, der als imperiale Macht danach strebt, weite Teile des Mittleren Ostens nach seinem Bilde umzugestal­ten.

Erforderli­ch ist eine die gesamte Region umfassende Eindämmung­spolitik gegenüber dem Iran, die auch die Unterstütz­ung der Kurden im Nordirak und in Syrien sowie anderer Gruppen und Länder, die dem Iran Widerstand entgegense­tzen, einschließ­t.

Atomproble­m nur „geparkt“

Längerfris­tig besteht die Herausford­erung darin, sich mit den Schwächen des Atomvertra­gs zu befassen, vor allem seinen Auslaufbes­timmungen. Das Abkommen hat das Nuklearpro­blem nur „geparkt“, aber nicht gelöst. Wichtige Bestimmung­en des Abkommens laufen in acht bzw. 13 Jahren aus. Danach wird der Iran dann nicht mehr durch Inspektion­en daran gehindert, viele Voraussetz­ungen für ein Atomwaffen­programm zu schaffen, das sich ohne größere Vorwarnung umsetzen lässt.

Man kann nicht, wie einige das tun, davon ausgehen, dass sich Absichten und Verhalten des Iran im Laufe der nächsten zehn bis 15 Jahre mäßigen werden. Im Gegenteil: Der Iran dürfte ein hybrides Regime bleiben, in dem eine Regierung mit einer permanente­n religiösen Autorität koexistier­t und in dem mächtige militärisc­he Kräfte beträchtli­chen politische­n Einfluss ausüben und weitgehend außerhalb der Kontrolle der Regierung agieren.

Der Umgang mit einem ehrgeizige­n und mächtigen Iran umfasst daher ein breites Spektrum weiterer Herausford­erungen, die den der Dinge im stets turbulente­n Mittleren Osten bestimmen. Ohne das Atomabkomm­en würden diese Herausford­erungen allerdings noch gewaltiger werden.

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