Trumps Alleingang gegen Iran kontraproduktiv
Die politischen Manöver des US-Präsidenten gegen das Atomabkommen mit Iran schwächen die Außenpolitik Washingtons. Sie machen die Vereinigten Staaten unberechenbar und lassen an ihrer Vertragstreue zweifeln.
Der amerikanische Präsident Donald Trump hat Mitte Oktober verkündet, was seit Langem erwartet worden war: Er wird nicht bescheinigen, dass der Iran den von den USA, China, Russland, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und dem Iran selbst unterzeichneten „Gemeinsamen umfassenden Aktionsplan“(Joint Comprehensive Plan of Action bzw. JCPOA) vom Juli 2015 einhält. Auch wird er nicht bescheinigen, dass die seitens der USA im Rahmen dieses Abkommens erfolgte Aussetzung von Sanktionen gerechtfertigt und im vitalen nationalen Interesse der Vereinigten Staaten ist.
Um eines klarzustellen: Derartige Bescheinigungen sind nicht durch das Atomabkommen vorgeschrieben. Sie müssen vielmehr aufgrund eines Gesetzes, das der US-Kongress kurz nach Unterzeichnung des Abkommens verabschiedet hat, alle 90 Tage ausgestellt werden. Es ist zudem wichtig, zu unterstreichen, dass Trump (noch) nicht aus dem Vertrag selbst ausgestiegen ist.
Kommen neue US-Sanktionen?
Er wählte vielmehr einen Kompromiss: Trump wollte seine Geringschätzung für das Abkommen deutlich machen, ohne daraus auszusteigen oder wieder Sanktionen einzuführen, die in dessen Rahmen ausgesetzt worden waren (ein Schritt, der einem Ausstieg der USA aus dem Abkommen gleichkommen würde).
Was als Nächstes passiert, ist unklar. Der Kongress hat 60 Tage Zeit, einige oder alle der ausgesetzten Sanktionen wieder einzuführen, wird das aber wahrscheinlich nicht tun. Er könnte jedoch neue Sanktionen einführen, die an das Verhalten Irans in Syrien oder anderswo in der Region geknüpft sind. Im Einklang hiermit hat Trump seine Absicht angekündigt, zusätzliche Sanktionen in Bezug auf Irans Islamische Revolutionsgarden zu verhängen.
Sollten die USA irgendwann zu irgendeinem Zweck neue Sanktionen verhängen, stünden sie damit vermutlich allein. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Europäer, China und Russland sich dem anschließen würden – nicht nur aus finanziellem Eigeninteresse, son- dern auch, weil der Iran den Atomvertrag bisher eingehalten hat. Dies haben nicht nur die unter der Federführung der UNO agierenden internationalen Inspektoren erklärt, sondern auch leitende USRegierungsvertreter wie Verteidigungsminister Jim Mattis.
Zu argumentieren, wie das einige in den USA tun, dass der Iran den Geist des Abkommens nicht einhalte, ist unsinnig: „Geist“ist ein Begriff ohne rechtliche Relevanz. Und obwohl man mit Fug und Recht argumentieren kann, dass das iranische Vorgehen in der Region in vieler Hinsicht Anlass zur Sorge gibt, begründet das keinesfalls die Wiedereinführung von Sanktionen im Rahmen des Abkommens.
Nachverhandeln unrealistisch
Eine Nachverhandlung des Atomvertrags mit dem Ziel, die Laufzeit mehrerer seiner Beschränkungen zu verlängern, die Inspektionen aggressiver zu machen und den Anwendungsbereich des Abkommens auf Raketen auszuweiten, ist abstrakt gesehen attraktiv. Doch ist dies in der Praxis absolut nicht umsetzbar, da der Iran und die meisten (oder sogar alle) anderen Unterzeichner des Vertrags diese Forderungen ablehnen würden. Die Drohung der USA, aus dem Vertrag auszusteigen, falls keine derartigen Änderungen vorgenommen werden, wird sich daher entweder als leer erweisen oder, so sie umgesetzt wird, als kontraproduktiv.
Ich will damit in keiner Weise andeuten, dass der Atomvertrag ein gutes Abkommen ist. Trotzdem ist Trumps Entscheidung, seine Einhaltung nicht zu bescheinigen, ungerechtfertigt und unbesonnen. Das Abkommen war das Resultat einer gemeinsamen Anstrengung. Unilaterales Vorgehen seitens der USA zum jetzigen Zeitpunkt würde eine künftige gemeinsame Front gegen den Iran nur erschweren.
Trumps Schritt schwächt die USA zudem außenpolitisch. Damit eine Großmacht groß bleibt, bedarf es der Erwartbarkeit von Kontinuität. Unberechenbarkeit kann sich als taktischer Vorteil erweisen, aber auch als strategische Belastung. Und hier besteht eine offensichtliche Verbindung mit Nordkorea. Möglicherweise werden die USA irgendwann feststellen, dass die Diplomatie bei der Bewältigung der nordkoreanischen Nukle- ar- und Raketenherausforderungen eine Rolle zu spielen hat. Doch wird Amerikas Fähigkeit, einen glaubwürdigen diplomatischen Pfad anzubieten, ernstlich untergraben, wenn andere zu dem Schluss kommen, dass man sich auf die Vertragstreue des Landes nicht verlassen kann.
Irans imperiale Gelüste
Es gibt zudem noch ein unmittelbareres Problem: Falls die USA eine Dynamik in Gang setzen, die zu einem Scheitern des Atomvertrages führt, und der Iran dann seine Nuklearaktivitäten wieder auf- nimmt, während die USA bereits mit Nordkorea alle Hände voll zu tun haben, wird eine Krise ausbrechen.
Trotz dieser Überlegungen wäre es falsch, sich nur auf die amerikanische Politik zu konzentrieren und nicht auch auf das iranische Verhalten. Kurzfristig muss die Welt sich mit einem Iran auseinandersetzen, der als imperiale Macht danach strebt, weite Teile des Mittleren Ostens nach seinem Bilde umzugestalten.
Erforderlich ist eine die gesamte Region umfassende Eindämmungspolitik gegenüber dem Iran, die auch die Unterstützung der Kurden im Nordirak und in Syrien sowie anderer Gruppen und Länder, die dem Iran Widerstand entgegensetzen, einschließt.
Atomproblem nur „geparkt“
Längerfristig besteht die Herausforderung darin, sich mit den Schwächen des Atomvertrags zu befassen, vor allem seinen Auslaufbestimmungen. Das Abkommen hat das Nuklearproblem nur „geparkt“, aber nicht gelöst. Wichtige Bestimmungen des Abkommens laufen in acht bzw. 13 Jahren aus. Danach wird der Iran dann nicht mehr durch Inspektionen daran gehindert, viele Voraussetzungen für ein Atomwaffenprogramm zu schaffen, das sich ohne größere Vorwarnung umsetzen lässt.
Man kann nicht, wie einige das tun, davon ausgehen, dass sich Absichten und Verhalten des Iran im Laufe der nächsten zehn bis 15 Jahre mäßigen werden. Im Gegenteil: Der Iran dürfte ein hybrides Regime bleiben, in dem eine Regierung mit einer permanenten religiösen Autorität koexistiert und in dem mächtige militärische Kräfte beträchtlichen politischen Einfluss ausüben und weitgehend außerhalb der Kontrolle der Regierung agieren.
Der Umgang mit einem ehrgeizigen und mächtigen Iran umfasst daher ein breites Spektrum weiterer Herausforderungen, die den der Dinge im stets turbulenten Mittleren Osten bestimmen. Ohne das Atomabkommen würden diese Herausforderungen allerdings noch gewaltiger werden.