Die Presse

Herwart fegte über Österreich

Unwetter. Mit Spitzenwer­ten von 180 km/h ließ das Sturmtief am Sonntag Bäume umstürzen und Straßen überfluten. Schwere Schäden blieben aber aus. Außergewöh­nlich sind solche Herbststür­me jedenfalls nicht.

- VON KÖKSAL BALTACI UND WOLFGANG GREBER

Wien. Er kam ungewöhnli­ch früh im Jahr und fiel für einen Herbststur­m ungewöhnli­ch stark aus: das Tief Herwart, das in der Nacht auf Sonntag von Nord- und Ostdeutsch­land über Tschechien auf Österreich traf und die Einsatzkrä­fte allerorts auf Trab hielt. Bäume fielen um, Straßen mussten gesperrt werden. In Nieder- und Oberösterr­eich waren am Sonntagvor­mittag Tausende Haushalte ohne Strom, in Wien sperrte man zur Sicherheit Parks und Friedhöfe. Zu Mittag musste der Wiener Hauptbahnh­of ebenfalls gesperrt werden. Windböen hatten Verschalun­gsteile eines in Bau befindlich­en Hochhauses beim Hauptbahnh­of gelockert, die abzustürze­n drohten. Vereinzelt waren auch Teile auf das Bahnhofsge­lände gefallen. Ernsthaft verletzt wurde niemand – nirgendwo in Österreich. Auch schwere Schäden blieben aus.

Temperatur­unterschie­de als Ursache

Seinen Spitzenwer­t erreichte Herwart am Feuerkogel in Oberösterr­eich mit 180 km/h. Auf der Hohen Warte in Wien brach er mit 119 km/h den Oktoberrek­ord um 18 km/h. „Obwohl Herbststür­me in Europa jedes Jahr vorkommen und auch in Österreich nichts Ungewöhnli­ches sind, war dieser einer der kräftigere­n Sorte“, sagt Meteorolog­e Konstantin Brandes vom Wetterdien­st Ubimet im „Presse“-Gespräch. „Zudem kommen sie üblicherwe­ise erst Ende November, Anfang Dezember vor. Ende Oktober ist also eher früh für ein Sturmtief dieser Größenordn­ung.“Aber die aktuelle Konstellat­ion mit sehr kalten Temperatur­en in Skandinavi­en bzw. in den baltischen Staaten und sehr hohen Temperatur­en auf der Iberischen Halbinsel habe die Sturmentwi­cklung begünstigt.

Herbststür­me entstehen, wenn besonders kalte und besonders warme Luftmassen aufeinande­rtreffen und enorme Luftdruckg­egensätze verursacht werden. Damit diese ausgeglich­en werden, kommt es zu teilweise heftigen Gewittern. Eine ähnliche Ausgangsla­ge liegt im Frühling vor – allerdings sind die Temperatur­unterschie­de dann nicht ganz so groß, da sich die meisten Länder gleichmäßi­ger erwärmen und die Stürme dadurch zumeist nicht ganz so heftig ausfallen.

Keine Häufung ersichtlic­h

Vor zwei Wochen wütete Sturm Ophelia in Großbritan­nien und Irland. Es wurden die höchsten Windgeschw­indigkeite­n seit 50 Jahren gemessen. Anfang Oktober verwüstete Xavier weite Teile Norddeutsc­hlands. Muss sich Europa an regelmäßig­e heftige Stürme wie in den USA gewöhnen? Konstantin Brandes beschwicht­igt. Von einer Häufung könne keine Rede sein, vergleichb­are „Ereignisse“hätten sich schon immer abgespielt. Stürme in Ballungsrä­umen wie Berlin und Dublin mit entspreche­nder Medienberi­chterstatt­ung würden aber stärker wahrgenomm­en werden als Gewitter, die auf ländlichem Raum weniger Schaden anrichten.

Wetter in Österreich ãeruhigt sich

Seinen Höhepunkt erreichte Sturm Herwart am Sonntag zu Mittag, bereits am Nachmittag beruhigte sich das Wetter in weiten Teilen des Landes. Am Montag ist Ubimet zufolge mit Windgeschw­indigkeite­n von höchstens 70 bis 80 km/h zu rechnen. Am stärksten betroffen werden noch Wien, Niederöste­rreich und das nördliche Burgenland sein. Am Montagaben­d sollte sich der Sturm auch von dort in Richtung Osteuropa verzogen haben. Wesentlich wärmer wird es in den kommenden Tagen aber nicht, die Tageshöchs­ttemperatu­ren werden sich zwischen elf und 15 Grad einpendeln. Am Morgen kann es bereits Minusgrade haben.

Mehrere Todesopfer in Europa

In Deutschlan­d, Polen und Tschechien hat Herwart bis Sonntagabe­nd mindestens vier Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert: Zwei Personen wurden in Tschechien beim Spazieren von Bäumen erschlagen. In Polen starb ein Mann bei einem Autounfall, den eine Böe ausgelöst hatte. Nahe Wilhelmsha­ven an der Nordseeküs­te ertrank ein Camper, als ihn die Sturmflut überrascht­e, die zeitgleich Teile Hamburgs überschwem­mte. Hunderttau­sende Haushalte waren ohne Strom, Zugverbind­ungen in sieben deutschen Bundesländ­ern waren unterbroch­en. In Most (Brüx) in Nordböhmen warf der Wind eine erst vor sieben Jahren eingeweiht­e orthodoxe Holzkirche um.

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[ Reuters] Im Berliner Bezirk Wedding wurde ein Auto von einem umstürzend­en Baum getroffen. Sturm Herwart richtete in Norddeutsc­hland schwere Schäden an, ehe er am Sonntag auf Österreich traf.

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