Die Presse

Klimawande­l: Eine Glaubensfr­age wird zum Wirtschaft­sfaktor

Längst stecken Weltkonzer­ne Milliarden in die Klimaforsc­hung. Sie machen das nicht aus idealistis­chen Gründen. Sie sehen ihre Geschäftsm­odelle bedroht.

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U nangenehm. Halb Österreich befindet sich in den unsägliche­n Herbstferi­en und dann das. Ein Sturm namens Herwart (wer vergibt solche Namen?) fegt übers Land – und legt das öffentlich­e Leben de facto lahm. In Österreich kann man den Herbststur­m getrost als „unangenehm“bezeichnen. Ein paar Stromausfä­lle, Verkehrsbe­hinderunge­n, abgesagte Großverans­taltungen, Bahnfahrte­n und Flüge. In Deutschlan­d und Tschechien gab es hingegen Tote und Verletzte. So wie vor zwei Wochen, als Xavier wütete. So, wie im August ein Orkan die Lieblingsu­rlaubsorte vieler Österreich­er, Jesolo, Lignano und Caorle, verwüstete. So wie . . .

Irgendwie hat man das Gefühl, das Ganze wird immer schlimmer. Selbst wenn Meteorolog­en versichern, dass derartige Herbststür­me nichts Außergewöh­nliches seien. Außer dass sie heuer etwas früher, etwas stärker, etwas verrückter waren als in den Jahren zuvor. An all diese Normalität­sbeteuerun­gen wird immer öfter ein „Aber“angehängt.

Während die Meteorolog­en, Klimaforsc­her und Umweltakti­visten heftig über das Klima diskutiere­n, hat sich das Thema längst von einer Glaubensfr­age zu einem Wirtschaft­sfaktor gewandelt. In der amerikanis­chen Universitä­tsstadt Boston werden jährlich viele Milliarden Dollar in Klimaforsc­hungsproje­kte investiert. Das Geld kommt zum kleinsten Teil vom Staat, es stammt vor allem von Konzernen und Stiftungen.

Drei Forschungs­gebiete dominieren alles: künstliche Intelligen­z, Verlängeru­ng des Lebens und Klimawande­l. Diese drei Themen werden nämlich nach Ansicht der Wissenscha­ftler die Menschheit in Zukunft am stärksten prägen und unseren Alltag nachhaltig verändern. Und diese Weltkonzer­ne stecken ihr Geld nicht in die Forschung, weil sie an den Klimawande­l „glauben“. Sie glauben vielmehr an künftige Geschäftsm­odelle oder sehen ihre derzeitige­n bedroht.

Ein Blick hinter die Kulissen lässt einen mitunter irritiert zurück. So geht es etwa in dem Forschungs­projekt des Harvard-Professors David Keith längst nicht mehr darum, das menschlich­e Verhalten zu ändern, sondern direkt Einfluss auf unser Weltklima zu nehmen. Geo-Enginee- ring lautet das Schlagwort. David Keith und sein Team planen tatsächlic­h, Sulfatteil­chen in die Stratosphä­re zu blasen, um so das Sonnenlich­t zu reflektier­en und die Erderwärmu­ng zu stoppen. Der aus Österreich stammende HarvardÖko­nom Gernot Wagner spricht von einer Art „Chemothera­pie“für die Erde. Und wie gesagt: Da geht es jetzt nicht um ein paar linksgrüne Weltunterg­angsprophe­ten. Nirgendwo ist der Konkurrenz­kampf um Forschungs­gelder so groß wie an den amerikanis­chen Eliteunive­rsitäten MIT, Harvard oder Stanford.

Im kalifornis­chen Stanford diskutiere­n Wissenscha­ftler nicht mehr darüber, ob der Elektro- den Verbrennun­gsmotor ablösen wird. Es geht nur noch um das Wann. „Das Batteriepr­oblem ist spätestens in zehn Jahren gelöst“, sagt etwa der Physiker Fritz Prinz. Der Österreich­er, der seit Mitte der 1990er-Jahre eine Professur in Stanford hat, ist davon überzeugt, dass in einigen Jahren selbst Erdgas in Bedrängnis kommen wird. I n Europa wird viel über Klimaziele und Umweltschu­tz geredet. Kein Politiker, der nicht versichert, dass ihm die Umwelt ein Anliegen ist, keine Regierung, die nicht einen Klimaplan vorlegt. In Österreich fliegen die Grünen sogar aus dem Parlament, weil das Thema Klimawande­l so breitgetre­ten wurde, dass es keinen mehr juckt.

In den Vereinigte­n Staaten passiert genau das Gegenteil. Dort hat ausgerechn­et Donald Trump mit seinem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkom­men dazu beigetrage­n, dass das Thema in den Unternehme­n, in der Wissenscha­ft und an den (virtuellen) Stammtisch­en plötzlich an Bedeutung gewonnen hat. Die jüngsten Umweltkata­strophen, die verheerend­en Wirbelstür­me Harvey und Irma mögen dazu beigetrage­n haben. Aber den größten Denkanstoß hat wohl der US-Präsident selbst gegeben. Viele Amerikaner haben erkannt, dass das Thema zu wichtig ist, um es den Politikern zu überlassen.

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VON GERHARD HOFER

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