Kursanstiege sind (noch) kein Grund zur Panik
Börsen. Vor allem in den USA sind die Aktienkurse in den vergangenen Jahren den Unternehmensgewinnen davongelaufen. Doch hat das teilweise gute Gründe. Und wer sich fürchtet, kann auch auf Asien ausweichen.
Wien. Auf die Mahnungen derer, die vor einer Blase bei den gehypten GAFAM-Werten (Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft) warnen, wollte am Freitag schon wieder keiner hören. Der Onlinehändler Amazon, die Google-Mutter Alphabet, aber auch Microsoft haben es erneut geschafft, die hochgesteckten Erwartungen des Marktes zu übertreffen. Ihre Aktien reagierten mit Kurssprüngen auf die jüngsten Quartalszahlen.
Auch die allgemeine Börsenrallye will noch kein Ende nehmen. Der US-amerikanische Dow Jones oder der deutsche DAX haben vergangene Woche schon wieder Rekordhochs erreicht. Befeuert wurden die Kurse auch von der Europäischen Zentralbank, die nur sehr langsam von ihrer lockeren Geldpolitik abgehen will.
Doch wie erkennt man eigentlich, ob Aktien teuer sind? Steile Kursanstiege allein sind noch kein Indiz für eine Überhitzung; sie könnten durch hohe Gewinnsteigerungen gerechtfertigt sein.
Zudem waren die Kursanstiege in den vergangenen Jahren weniger stark als etwa in den Neunzigern, und die Rallye fiel nicht zuletzt deswegen so kräftig aus, weil die Kurse in der Finanzkrise tief abgestürzt waren.
US-Papiere sind teuer
Dennoch: Zumindest in den USA sind die Aktienkurse den Unternehmensgewinnen davongelaufen. Wie aus einem Analysebrief der Schoellerbank hervorgeht, haben sich die geschätzten Gewinne pro Aktie im breit gefassten amerikanischen Aktienindex S&P 500 seit 1990 verfünffacht, die Kurse hingegen mehr als verachtfacht. So unterschiedlich waren Kurs- und Gewinnanstieg zuletzt zu Zeiten der Dotcom-Blase in den 2000erJahren. Ein schlechtes Zeichen?
Nicht unbedingt. Die Zinsen sind deutlich niedriger als damals, Alternativen zu Aktien somit rar. Versprachen zehnjährige USStaatsanleihen damals sechs Prozent Rendite pro Jahr, sind es derzeit 2,4 Prozent. Zudem erwartet der Markt Steuererleichterungen in den USA. Auch sei das Kurs-Gewinn-Verhältnis im S&P 500 (auf Basis der erwarteten Gewinne) mit 20 niedriger als um die Jahrtausendwende mit 26.
Allerdings sollte man genauer hinsehen, welche Papiere man kauft, raten die Schoellerbank-Experten. So gefallen ihnen Gesund- heits- und IT-Firmen besser als Ölfirmen (bei denen die Gewinnschätzungen gefallen sind, während sich die Kurse stabil hielten).
Bessere Chancen sieht man aber außerhalb der USA. Während Nordamerika im Weltaktienindex mit 59 Prozent gewichtet ist, sind es in den Schoellerbank-Aktienportfolios nur 35 Prozent. In Hongkong und Japan sind die Gewinne in den vergangenen zehn Jahren stärker gestiegen als die Aktienkurse. Die japanischen Unternehmen seien kaum verschuldet; zudem habe sich unter der Abe-Regierung die Aktienkultur verbessert.
Auch bei der Zürcher Kantonalbank setzt man vor allem auf Aktien aus Europa und den Schwellenländern. Für Japan spreche zudem die wohl noch lange lockere Geldpolitik. (b. l.)