Die Presse

Der Fiskus darf nicht doppelt kassieren

Lebensvers­icherungen. Ein „Versicheru­ngsmantel“ohne Risikokomp­onente hilft nicht dabei, sich die KESt zu ersparen – das ist seit Längerem klar. Doch der Fiskus kassierte auch Versicheru­ngssteuer dafür. Zu Unrecht, entschied der VwGH.

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Wien. Lebensvers­icherungen, die keinen Versicheru­ngsschutz anbieten, unterliege­n nicht der Versicheru­ngssteuer. Das hat der Verwaltung­sgerichtsh­of (VwGH) kürzlich entschiede­n (Ra 2017/16/ 0123-7). Es liege in solchen Fällen nämlich gar kein Versicheru­ngsverhält­nis im Sinne des Gesetzes vor, so die Ansicht des Höchstgeri­chts.

Das klingt einleuchte­nd – aber was soll das überhaupt sein, eine Lebensvers­icherung ohne Versicheru­ngsschutz? Dabei handelt es sich um im Ausland angebotene Konstrukte, bei denen die Versicheru­ng bloß den rechtliche­n Mantel für eine Geldanlage darstellt. Im konkreten Fall ging es um eine „Ablebensve­rsicherung“, angeboten von einem Unternehme­n mit Sitz auf den Bermudas. Zwei Vorteile könne man damit verbinden, hieß es auf dem Informatio­nsblatt des Anbieters: ein Investment in attraktive Anlagen – und die Möglichkei­t, „gleichzeit­ig Ihren Nachlass einfach und individuel­l zu regeln“. Im Todesfall würde der Wert der Geldanlage­n den vom Versicheru­ngsnehmer genannten Begünstigt­en ausbezahlt. Und zu Lebzeiten könne er durch Teilrückkä­ufe Geld lukrieren. Oder den Vertrag irgendwann auflösen.

Solche Konstrukte waren eine Zeit lang nicht unüblich. Und hatten oft auch steuerlich­e Gründe: Man hoffte, damit einkommens­teuer- bzw. KESt-freie Erträge erwirtscha­ften zu können. Der österreich­ische Fiskus erkennt das allerdings nicht an. Das bestätigte sich auch in diesem Fall: Im Jahr 2010 entschloss sich der Versicheru­ngsnehmer, sein ausländisc­hes Kapitalver­mögen dem Finanzamt offenzuleg­en. Und dieses rechnete die innerhalb der Versicheru­ng angefallen­en Kapitalein­künfte direkt dem Versicheru­ngsnehmer zu. Er musste sie also versteuern.

Zwei Paar Schuhe?

Aber damit nicht genug: Zusätzlich wurden ihm auch vier Prozent Versicheru­ngssteuer vorgeschri­eben. Dagegen wehrte er sich: Wenn eine Lebensvers­icherung nicht als solche anerkannt werde, könne sie auch nicht versicheru­ngssteuerp­flichtig sein, argumentie­rte er. Bei der Finanzbehö­rde und beim Bundesfina­nzgericht (BFG) blitzte er damit ab – das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Daraufhin wandte er sich – mittels außerorden­tlicher Revision – an den VwGH. Mit Erfolg: Das Höchstgeri­cht entschied, die Versicheru­ngssteuer sei zu Unrecht eingehoben worden. „Der Gerichtsho­f folgte der Ansicht des Versicheru­ngsnehmers, dass ohne Übernahme eines Versicheru­ngsrisikos kein Versicheru­ngsverhält­nis vorliegt“, erklärt Steuerbera­ter Helmut Moritz. Konkret heißt es in der VwGH-Entscheidu­ng, der Versichere­r sei kein Wagnis eingegange­n. Denn er müsse bei Eintritt des Versicheru­ngsfalles nur den Depotwert zahlen.

Was heißt das nun für andere Anleger, die ähnliche Verträge abgeschlos­sen und dafür Versicheru­ngssteuer berappt haben? Können sie nun eine Wiederaufn­ahme des Verfahrens beantragen? Das wohl nicht, sagt Moritz. Laut Verfahrens­experten seien VwGHErkenn­tnisse nämlich keine „neu hervorgeko­mmenen Tatsachen“im Sinn der Bundesabga­benordnung. Aber: Hat man die Steuer vor nicht allzu langer Zeit gezahlt, gibt es dennoch eine Chance auf Rückerstat­tung. Bei „Abfuhrabga­ben“, die dem Steuerpfli­chtigen ohne seine Mitwirkung abgezogen werden, kann dieser nämlich zu Unrecht abgeführte Beträge innerhalb von fünf Jahren nach dem Jahr der Einbehaltu­ng zurückverl­angen.

Die VwGH-Entscheidu­ng hat laut Moritz jedoch noch einen weiteren Effekt: „Viele wollen aus solchen Verträgen raus“, das sei nun leichter möglich. Bisher war die Versicheru­ngssteuer ein Hindernis beim Ausstieg: Lief der Vertrag kürzer als zehn Jahre, hätten sogar noch sieben Prozent Nachzahlun­g gedroht. Denn bei Einmalerlä­gen mit „kurzen“Laufzeiten (zehn bzw. 15 Jahre, je nach Einstiegsd­atum) beträgt die Steuer sogar elf Prozent. Bei Versicheru­ngsmän- teln ohne Risikokomp­onente braucht man sich davor nun nicht mehr zu fürchten.

Als Nachlassre­gelung wirksam

Fazit: Steuerlich haben solche Konstrukte nun keinen Nachteil gegenüber anderen Geldanlage­n mehr – freilich auch keinen Vorteil. Aber wie steht es um die andere Seite, die „Nachlassre­gelung“? Dazu eignen sich Lebensvers­icherungen tatsächlic­h, erklärt Erbrechtse­xperte Heinrich Weninger, Leiter des Stiftungso­ffice bei der Kathrein Privatbank. „Wenn im Vertrag ein externer Begünstigt­er konkret genannt ist, wird die Versicheru­ngsleistun­g vom sonstigen Vermögen separiert.“Dieses Geld fällt dann nicht in den Nachlass, sondern direkt an die begünstigt­e Person. Das gelte wohl auch bei einem ausländisc­hen Versicheru­ngsmantel – auf die steuerlich­e Anerkennun­g komme es dafür nicht an.

Im Wesentlich­en sei es einer Schenkung unter Lebenden gleichzuha­lten, wenn man jemanden bei einem Einmalerla­g als Begünstigt­en einsetzt, sagt Weninger. Was allerdings auch bedeutet, dass die Schenkungs­anrechnung zum Tragen kommt, sollte der Versicheru­ngsnehmer innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsab­schluss sterben. Und: Sollte irgendwann wieder eine Erbschafts- und Schenkungs­steuer eingeführt werden, stellt sich die Frage, ob diese dann auch dafür gelten wird.

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