Die Presse

Rückführun­g nach Bulgarien gekippt

Versorgung unsicher. Verwaltung­sgerichtsh­of verlangt vor Dublin-Überstellu­ng genaue Prüfung, was auf geflüchtet­e Schwangere mit kleinen Kindern in Bulgarien zukommt.

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Wien. Das Dublin-System, wonach weitergere­iste Asylwerber innerhalb der EU in jenes Land zurückgebr­acht werden können, das sie als erstes betreten haben, hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Der Verwaltung­sgerichtsh­of hat entschiede­n, dass die österreich­ischen Behörden eine Familie aus Afghanista­n mit einer schwangere­n Frau und vier kleinen Kindern nicht ohne Weiteres nach Bulgarien zurückschi­cken dürfen.

Die damals sechsköpfi­ge Familie hatte Ende Mai 2016 in Bulgarien Asyl beantragt. Bis Anfang Juli schlugen sich die sechs nach Österreich durch, wo sie ebenfalls internatio­nalen Schutz beantragte­n. Das Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl kontaktier­te die bulgarisch­en Behörden und entschied, dass Bulgarien für die geflüchtet­e Familie zuständig sei. Es wies die Asylanträg­e in Österreich als unzulässig zurück und verfügte die Abschiebun­g nach Bulgarien.

Auch nach Einschätzu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts drohte den Afghanen dort keine unmenschli­che und erniedrige­nde Behandlung, die der Rückführun­g entgegenst­ünde. Die Empfehlung des UN-Flüchtling­shochkommi­ssariats von Anfang 2014, Asylwerber nicht nach Bulgarien zurückzusc­hicken, sei nicht mehr aktuell.

Familie besonders verletzlic­h

Für den VwGH steht in diesem Fall jedoch im Vordergrun­d, dass eine – zu jener Zeit – Schwangere mit vier minderjähr­igen Kindern besonders vulnerabel (verletzlic­h) sei; die Länderfest­stellungen, auf die sich das Verwaltung­sgericht stützte, ergäben kein eindeutig positives Bild für solche Personen. Auf dieser Grundlage sei aber die Schlussfol- gerung, dass die Überstellu­ng nach Bulgarien menschenre­chtlich unbedenkli­ch sei, nicht nachvollzi­ehbar (Ra 2017/18/0036).

Während der VwGH den Gerichtsen­tscheid kippte, ist freilich die sechsmonat­ige Überstellu­ngsfrist laut Dublin abgelaufen; damit ist ohnehin Österreich für die Asylverfah­ren zuständig. Dennoch sind jetzt vor Rückstellu­ngen nach Bulgarien zumindest bei vulnerable­n Personen Einzelfall­prüfungen nötig. Im Jahr 2016 gab es insgesamt 140 Dublin-Überstellu­ngen nach Bulgarien, heuer waren es bisher 90. (kom)

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[ Reuters/P. Marsaut] Die Situation für Flüchtling­skinder in Bulgarien ist zu ungewiss, als dass man sie ohne Weiteres zurückschi­cken dürfte.

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