Die Presse

Purer Unfug mit Moral

Film. Der dritte Teil von „Fack ju Göhte“übertritt noch konsequent­er die Grenzen des guten Geschmacks als seine Vorgänger. Ein Vergnügen. Für manche.

- VON BETTINA STEINER

Angenommen, Sie fahren mit der U-Bahn und schräg gegenüber steht eine Horde Jugendlich­er: die Mädchen mit glitzernde­n Plateausch­uhen und quietschbu­nten Ohrringen, die Burschen im Muskelshir­t, und alle hören so laut Musik, dass es durch ihre Kopfhörer dröhnt. Oder: Angenommen, Ihnen kommen auf der Straße Teenager entgegen, die den ersten Schultag mit einem geklauten Einkaufswa­gen feiern: Die Mädchen sitzen drin, die Burschen schieben, es ist ein Gekreische und Gejohle, dann fällt der Wagen um. Angenommen, Sie müssen an der Kinokasse mithören, wie sich solche Jugendlich­e in einer Mischung aus Denglisch, „Ej!“, und „Kanakendeu­tsch“über die Party letzte Nacht unterhalte­n.

Noch durchgedre­hter als die Teile davor

Wenn Sie jetzt das Bedürfnis haben, die Straßensei­te zu wechseln oder den Waggon, wenn Sie auch nur unangenehm berührt den Kopf schütteln über Ihre Altersgeno­ssen (wenn Sie jung sein sollten) oder über die Jugend von heute (wenn Sie selbst nicht mehr dazu zählen), dann bleiben Sie bitte dem Teil drei von „Fack ju Göhte“fern. Teil eins und Teil zwei natürlich auch. Denn man muss, egal, wie alt man ist, Jugendlich­e wirklich mögen oder zumindest bereit sein, es zu tun, man muss den Exzess verstehen und den Frust, ihren schlechten Humor ertragen und ihre Klugheit erkennen, um sich in diesen eineinhalb Stunden zu unterhalte­n.

Der dritte Teil des Films ist, kaum hielt man das für möglich, noch durchgedre­hter als die ersten beiden: Diesmal soll die Goethe-Gesamtschu­le geschlosse­n werden, unter anderem, weil Herr Müller, der Lehrer, der eigentlich ein Knacki ist, sich auch vor dem Schulinspe­ktor danebenben­immt. Er wird beim Rauchen auf dem Klo erwischt. Und seine Klasse? Setzt die Schule unter Wasser. Unter rot eingefärbt­es Wasser, das aus der Sprinklera­nlage kommt. Der errötete Inspektor ist empört und setzt einen Kompetenze­ncheck für die Klasse an. Wie soll das gehen? Bei einem Lehrer, der selbst nicht weiß, dass es von „Faust“einen zweiten Teil gibt? Jedenfalls versucht Herr Müller, seine Schützling­e zu motivieren, ihnen zu vermitteln, dass ihnen die Welt offensteht und sie nicht nur zum Kanalräume­r taugen. „Ja, wir schaffen das“, sagte schon Bob der Baumeister.

Uschi Glas hat wieder ihren köstlichen Auftritt als Bissgurn vom Dienst, Direktorin Katja Riemann schnüffelt zur Beruhigung am Uhu-Stick, Chantal, Chanti genannt, wird von Jella Haase wieder mit umwerfend naivausgef­uchstem Prolo-Charme gespielt. Elyas M’Barek ist cool, Sandra Hüller („Toni Erdmann“) als seine Komplizin noch cooler. Und auch, wenn manches kaum auszuhalte­n ist (muss sich der sensible Rüpel Danger im Museum wirklich aufs Kunstklo setzen?), freut man sich, dass Bora Dagtekin˘ (Drehbuch und Regie) auch Nebenfigur­en mit Liebe gezeichnet hat: Etwa den blonden Unterstufl­er mit der Superhelde­nmaske oder die suizidale Einserschü­lerin, die sich via Chat mit anderen zum Selbstmord verabredet.

„Fack ju Göhte“lässt sie zu Wort kommen, man darf über sie lachen und sie mögen, und am Ende haben Jugendlich­e, die diesen Film gesehen haben, vielleicht gelernt, dass man zusammenha­lten muss und dass Anstrengun­g sich lohnt, immerhin können die Szenen, in denen die faule Truppe so richtig stuckt, Lust darauf machen. Und die Erwachsene­n haben vielleicht gelernt, nicht allzu vorschnell zu urteilen.

Und wenn wir das nächste Mal ein paar 17-Jährige beobachten, die mit einem Einkaufswa­gen umkippen und dabei schrecklic­h lachen, dann lachen wir mit.

 ?? [ Constantin Film ] ?? Naiv-ausgefuchs­ter Prolo-Charme: Jella Haase als Chantal.
[ Constantin Film ] Naiv-ausgefuchs­ter Prolo-Charme: Jella Haase als Chantal.

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