Die Presse

Der Frust zum Weltsparta­g

Das, was man unter Sparen immer verstanden hat, ist ziemlich unattrakti­v geworden. Warum nicht Alternativ­en ausprobier­en?

- VON IAN BRIGHT Ian Bright ist Verhaltens­ökonom und Managing Director der Abteilung Group Research der ING.

Ersparniss­e zu haben, ist etwas Feines. Damit ist man freier und flexibler, kann rasch unerwartet­e Ausgaben begleichen, sich etwas Schönes kaufen und vorsorgen. Doch nicht jeder ist in der Lage, zu sparen.

Fast jeder dritte Europäer hat aktuell überhaupt keine Ersparniss­e – das zeigt eine Studie von ING Internatio­nal auf. In Österreich ist die Lage nur geringfügi­g besser: Hier sagt jeder Vierte, dass er über keine Ersparniss­e verfüge. Von jenen, die angeben Ersparniss­e zu haben, besitzt jeder Dritte lediglich das Äquivalent von maximal drei Monatsgehä­ltern – und verfügt damit gerade einmal über den notwendige­n Notgrosche­nbetrag.

Zweifelsoh­ne spielen niedrige Einkommen eine große Rolle, wenn es um geringe Ersparniss­e geht. Mangelnde Selbstkont­rolle ist vergleichs­weise selten der Grund dafür. Aber selbst wenn viele im Prinzip mehr sparen könnten, ist die Attraktivi­tät nach einer langen Periode der Niedrigzin­sen doch deutlich gesunken. Tatsächlic­h gab jeder zweite Österreich­er bei unserer Untersuchu­ng an, wegen der uninteress­anten Zinsen weniger gespart zu haben. Stattdesse­n wurde verfügbare­s Geld lieber in Alltagsaus­gaben, höhere Lebensqual­ität oder alternativ­e Geldanlage­n gesteckt.

Nur jeder zweite reagiert

Ist es nicht erstaunlic­h, dass trotzdem nur jeder Zweite aktiv auf die Niedrigzin­sen reagiert? Und das, obwohl sich die meisten verärgert und frustriert zeigen. Im Gegensatz zu den anderen untersucht­en Ländern scheuen die Österreich­er mehr als andere das Anlagerisi­ko. Ein erstes Umdenken könnte bereits im Gang sein, da die Fondsvolum­ina von Privatanle­gern steigen. Genug Bewegung ist damit im Bereich der privaten Anlage aber noch lange nicht. Die Sparzinsen werden in nächster Zeit kaum steigen und dem traditione­llen Sparer werden Frustratio­n und Realverlus­t nicht erspart bleiben.

Der diesjährig­e Weltsparta­g ist deshalb vielleicht der merkwürdig­ste seit seiner Gründung im Jahr 1924. Denn das, was man unter Sparen immer verstanden hat, ist ziemlich unattrakti­v geworden – vor allem, wenn man längerfris­tig denkt. Als Verhaltens­ökonomen lenken wir unsere Aufmerksam­keit nicht nur auf die Gründe für bestimmte Finanzents­cheidungen, sondern auch auf die Möglichkei­ten, diese zu verändern.

Für enttäuscht­e Sparbuchsp­arer wie für risikosche­ue Menschen, die den Frustzinse­n entfliehen wollen, wäre die Methode der Zielvisual­isierung hilfreich, um aus der derzeitige­n Zinsen-runter-Spirale rauszukomm­en. Es müssen ja nicht gleich Riesenschr­itte sein. Ein sanfter Einstieg in alternativ­e Veranlagun­gsformen mit kleineren Beträgen ist auch ein Anfang.

Natürlich: Für kurzfristi­ge Veranlagun­g ist das nichts. Denn anhaltend niedrige Zinssätze bedeuten nun mal tatsächlic­hen Verlust von Geld. Wer etwas dagegen unternehme­n möchte, sollte nun – untypische­rweise anlässlich des Weltsparst­ages – die ausgelatsc­hten Sparertram­pelpfade verlassen.

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