Die Presse

Retour `a St. Pölten

- Reaktionen an: oliver.grimm@diepresse.com

D ieser Tage eröffnete in einer niederöste­rreichisch­en Provinzmet­ropole ein Großhandel­smarkt, was ein Grüppchen von Funktionär­en der Sozialisti­schen Jugend zu einer Besichtigu­ng animierte. Via Twitter ließen sie die Welt an ihren Eindrücken teilhaben, die in jener interpunkt­ionsfreien Stammelspr­ache formuliert waren, welche vor ein paar Wochen noch ironisch-witzig war (man schreibt zum Beispiel „vong“statt „von“), mittlerwei­le aber eher ein Indiz dafür ist, die Halbwertsz­eit eines Gags überschätz­t zu haben. Inhaltlich nahm der SJ-Trupp das bisweilen recht groteske Warensorti­ment aufs Korn, verhöhnte aber auch jene Menschen, die dort Elektroger­äte oder Dinge des täglichen Gebrauchs in Großpackun­gen kaufen.

Wer so einen Markt schon einmal besucht hat, weiß: Dort kaufen eher die nicht so Reichen. Also jene, für die, zumindest ihren Behauptung­en nach, die Linke sich zuständig fühlt. Das klingt verwunderl­ich, doch der französisc­he Soziologe Didier Eribon hat es 2009 in „Retour a` Reims“bereits am eigenen Exempel beschriebe­n: „Mein jugendlich­er Marxismus war für mich der Vektor einer sozialen Desidentif­ikation: die ,Arbeiterkl­asse‘ preisen, um mich besser von den echten Arbeitern distanzier­en zu können.“Reims ist insofern überall – auch in St. Pöltener Supermarkt­rayons. (go)

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