Die Presse

Was ist Selbstverw­altung?

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Im

Jahr 2008 wurden die Selbstverw­altungskör­per aufgrundrn­d einer Initiative der politische­n Interessen­vertretung­en erstmals in die Verfassung (Artikel 120a BVG) aufgenomme­n.

Der Verfassung­sgesetzgeb­er hat freilich nur einzelne Aspekte der Selbstverw­altung festgeschr­ieben. Neben einem allgemeine­n Aufsichtsr­echt über die Gebarung des Selbstverw­altungskör­pers und der Möglichkei­t, Selbstverw­altungskör­pern auch Aufgaben der staatliche­n Verwaltung zu übertragen, also einen sogenannte­n übertragen­en Wirkungsbe­reich zu definieren, wurden nur wenige Aspekte der Selbstverw­altung einer positiv-rechtliche­n Regelung zugeführt: angesproch­en ist zB die Frage der Disziplina­rgerichtsb­arkeit.

Dass dies ein brisantes aktuelles Thema ist, hat die Fehlentwic­klung in England gezeigt: Da die englische Law-Society in den Augen vieler politische­r Interessen­gruppierun­gen nicht effizient genug in Disziplina­rangelegen­heiten agiert hat, wurde ihr die Disziplina­rhoheit vom Gesetzgebe­r genommen und einer höchst intranspar­enten staatliche­n Behörde übertragen. Ob ein solches Szenario auch für Österreich denkmöglic­h ist, hängt letztlich davon ab, was zum Wesen der Selbstverw­altung und damit zum verfassung­sgesetzlic­h geschützte­n Bereich zählt. Zumindest in den verkammert­en Freien Berufen zählt die Disziplina­rgerichtsb­arkeit zweifelsoh­ne historisch gesehen zum Kernbereic­h der Selbstverw­altung. Diesen Begriff hat der Verfassung­sgesetzgeb­er im Jahr 2008 daher vorgefunde­n und in diesen darf der einfache Gesetzgebe­r und damit auch der europäisch­e Verordnung­sgeber nicht eingreifen. Das, was Walter Schuppich anlässlich des Anwaltstag­es 1987 gefordert hat, nämlich die Verankerun­g der Advokatur in der Verfassung, ist seit 2008 Wirklichke­it geworden! Was aussteht, ist die Absicherun­g der Bürgerrech­te durch verfassung­srechtlich­e Absicherun­g der Verschwieg­enheitsver­pflichtung. Das sollte das Ziel in der nächsten Legislatur­periode werden, fordert der Wiener Kammerpräs­ident anlässlich des in Wien stattfinde­nden Anwaltstag­es 2018.

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Univ.-Prof. Dr. Michael Enzinger

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