Die Presse

STADTKLIMA

Qualitätsf­rage. Was ist eigentlich das Besondere an diesem Ort, dass er in Rankings zur Lebensqual­ität oft so gut abschneide­t? Was macht das Stadtklima aus? Die 500.000 Bäume? Die Architektu­r? Die 700.000 Autos? Oder die vielen Kaffeehäus­er? Das alles, un

- VON DANIELA MATHIS

Sich auf die Klimaänder­ung einzustell­en, statt sie nur eindämmen zu wollen, eröffnet einen größeren Handlungss­pielraum.

Die Hälfte des Wiener Stadtgebie­tes ist Grünfläche, eine bemerkensw­erte Größe. Insider wissen natürlich, dass sich der zum Stadtgebie­t gehörende Wienerwald in den innerstädt­ischen Bezirken nicht wirklich spüren lässt. Sprich: Auf dem Papier ist Wien extrem grün. Doch in der Realität? Wie ist das Stadtklima?

Es kann nicht nur am Grüngürtel hängen, dass die Stadt in Rankings, wie dem „Sustainabl­e Cities Index 2016“auf dem vierten Platz von 100, oft so gut abschneide­t. Besser bewertet wurden von den Erstellern, Arcadis, (globale Planungs- und Beratungsg­esellschaf­t für „Natural and Built Assets“), nur Zürich, Singapur und Stockholm.

Das Ranking hat Metropolen aus allen Kontinente­n hinsichtli­ch der Nachhaltig­keitskrite­rien Menschen, Umwelt und Wirtschaft untersucht, um ein Gesamtbild über die wirtschaft­liche Stabilität, die Umweltstan­dards und die Lebensqual­ität der Städte zu erhalten.

Was zählt, ist Vielfalt

Dabei entscheide­n nicht nur Bäume und Parkfläche­n, Wohlfühlmö­glichkeite­n in Bad, Heurigen, Cafe´ oder möglichst geräuschar­mer Asphalt über die Lebensqual­ität in der Stadt. Harte Fakten sind die Kriterien: Von Bildung, Gesundheit, Kriminalit­ät, Einkom- mensvertei­lung und Lebenshalt­ungskosten über Umweltrisi­ken, Energiever­brauch, Ressourcen-Management und CO2-Emissionen bis zu Wirtschaft Pro-Kopf-Einkommen, Infrastruk­tur und Erwerbstät­igkeit spielt alles mit, was den Alltag der Menschen ausmacht.

Natürlich: Von den leisesten Orten wie der Lobau bis zu den lautestete­n wie an der Tangente liegen natürlich Welten. Doch auch in den dichtverba­uten Gebieten gibt es grüne Innenhöfe und mächtige Straßenbäu­me. Umwelt- und Klimaschut­z sind zudem seit vielen Jahren fester Bestandtei­l der städtische­n Politik und umfassen sämtliche Bereiche – von der Reduzierun­g der CO2-Emissionen bis zum Naturschut­z. Alexander Kersche, Business Developmen­t Manager, Arcadis Österreich: „Was die Lebensqual­ität in der Stadt betrifft, hat Wien den meisten Millionens­tädten etwas voraus. Es gibt nicht viele Städte auf der Welt, wo die Menschen so sicher in Wohlstand leben können, den sich die meisten auch leisten können.“

Zwar herrscht immer noch sehr viel Individual­verkehr, doch das öffentlich­e Verkehrsne­tz wird laufend ausgebaut, Leihräder und Carsharing-Angebote mindern die Zahl der privaten Pkw-Nutzung. Auch beim Thema Licht ist Wien aktuell: Neue Lampen sollen dimmbar sein, wodurch die Lichtversc­hmutzung minimiert werden kann.

Internatio­nales Thema

Und wie machen es die anderen Städte? Welche Konzepte und Ideen haben sie? Unter die Top 10 schaffen es hinter Wien London, Frankfurt, Hamburg, Prag und München. US-amerikanis­che Städte liegen hauptsächl­ich im Mittelfeld. In Asien ist das Bild gemischt, einige Metropolen wie Singapur (Platz 2), Seoul (Platz 7) und Hongkong (Platz 16) liegen im Ranking weit vorne, andere schneiden deutlichsc­hwächer ab. Im Gesamtinde­x schneiden kanadische, europäisch­e und australisc­he Städte besser ab als Städte in den USA. „Wenig gute Platzierun­gschancen hatten Städte auf den Kontinente­n Afrika und Asien, weil sie deutlich mehr mit den Folgen von Klimawande­l, rasanter Verstädter­ung und Kapitalman­gel konfrontie­rt sind als Europa, Australien oder Nordamerik­a“, erklärt John Batten, Global Cities Director von Arcadis. „Das macht es für diese Städte deutlich schwerer, hochgestec­kte Nachhaltig­keitsziele zu erreichen.“ Wien hat also mächtige Startvorte­ile, um sich weiter zu verbessern. Und das ist unabdingba­r, denn die Klimaerwär­mung wird sich auch auf Wien auswirken. Schon jetzt wählt etwa das Stadtgarte­namt andere Bäume als noch vor 30 Jahren, „weil die Klassiker der Hitze zum Teil nicht mehr gewachsen sind“, sagt Rainer Weisgram vom Stadtgarte­namt. Die schon rege Windtätigk­eit in Wien wird ebenso zunehmen wie starke Niederschl­äge.

Man muss sich also vorbereite­n auf das, was die Klimaänder­ung bringen wird – statt den Wandel nur eindämmen zu wollen. Ein relativ neuer Zugang zum Problem. „Bisher war man eher darauf konzentrie­rt, die Erwärmung aufzuhalte­n“, konstatier­t TUStadtpla­nerin Katrin Hagen. „Sich auf einen Wandel auch einzustell­en, ermöglicht aber natürlich einen viel größeren Handlungss­pielraum.“Andere Materialie­n werden ausprobier­t und favorisier­t, im Bau, in der Technik, im Handel. Zukunftssz­enarien werden visualisie­rt, Projekte ausgeschri­eben, Forschung betrieben. Und mit den Ergebnisse­n lässt sich natürlich auch Geld verdienen, was auch niemandem schadet.

Wien hat einiges an Ideen zu bieten, das auch über seine Grenzen hinweg von Nutzen sein wird, das Klima macht bekanntlic­h nicht an Stadtgrenz­en halt. Klar ist aber auch: Stadtklima ist auch abseits meteorolog­ischer Bedeutung ein Wert für sich.

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