STADTKLIMA
Qualitätsfrage. Was ist eigentlich das Besondere an diesem Ort, dass er in Rankings zur Lebensqualität oft so gut abschneidet? Was macht das Stadtklima aus? Die 500.000 Bäume? Die Architektur? Die 700.000 Autos? Oder die vielen Kaffeehäuser? Das alles, un
Sich auf die Klimaänderung einzustellen, statt sie nur eindämmen zu wollen, eröffnet einen größeren Handlungsspielraum.
Die Hälfte des Wiener Stadtgebietes ist Grünfläche, eine bemerkenswerte Größe. Insider wissen natürlich, dass sich der zum Stadtgebiet gehörende Wienerwald in den innerstädtischen Bezirken nicht wirklich spüren lässt. Sprich: Auf dem Papier ist Wien extrem grün. Doch in der Realität? Wie ist das Stadtklima?
Es kann nicht nur am Grüngürtel hängen, dass die Stadt in Rankings, wie dem „Sustainable Cities Index 2016“auf dem vierten Platz von 100, oft so gut abschneidet. Besser bewertet wurden von den Erstellern, Arcadis, (globale Planungs- und Beratungsgesellschaft für „Natural and Built Assets“), nur Zürich, Singapur und Stockholm.
Das Ranking hat Metropolen aus allen Kontinenten hinsichtlich der Nachhaltigkeitskriterien Menschen, Umwelt und Wirtschaft untersucht, um ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Stabilität, die Umweltstandards und die Lebensqualität der Städte zu erhalten.
Was zählt, ist Vielfalt
Dabei entscheiden nicht nur Bäume und Parkflächen, Wohlfühlmöglichkeiten in Bad, Heurigen, Cafe´ oder möglichst geräuscharmer Asphalt über die Lebensqualität in der Stadt. Harte Fakten sind die Kriterien: Von Bildung, Gesundheit, Kriminalität, Einkom- mensverteilung und Lebenshaltungskosten über Umweltrisiken, Energieverbrauch, Ressourcen-Management und CO2-Emissionen bis zu Wirtschaft Pro-Kopf-Einkommen, Infrastruktur und Erwerbstätigkeit spielt alles mit, was den Alltag der Menschen ausmacht.
Natürlich: Von den leisesten Orten wie der Lobau bis zu den lautesteten wie an der Tangente liegen natürlich Welten. Doch auch in den dichtverbauten Gebieten gibt es grüne Innenhöfe und mächtige Straßenbäume. Umwelt- und Klimaschutz sind zudem seit vielen Jahren fester Bestandteil der städtischen Politik und umfassen sämtliche Bereiche – von der Reduzierung der CO2-Emissionen bis zum Naturschutz. Alexander Kersche, Business Development Manager, Arcadis Österreich: „Was die Lebensqualität in der Stadt betrifft, hat Wien den meisten Millionenstädten etwas voraus. Es gibt nicht viele Städte auf der Welt, wo die Menschen so sicher in Wohlstand leben können, den sich die meisten auch leisten können.“
Zwar herrscht immer noch sehr viel Individualverkehr, doch das öffentliche Verkehrsnetz wird laufend ausgebaut, Leihräder und Carsharing-Angebote mindern die Zahl der privaten Pkw-Nutzung. Auch beim Thema Licht ist Wien aktuell: Neue Lampen sollen dimmbar sein, wodurch die Lichtverschmutzung minimiert werden kann.
Internationales Thema
Und wie machen es die anderen Städte? Welche Konzepte und Ideen haben sie? Unter die Top 10 schaffen es hinter Wien London, Frankfurt, Hamburg, Prag und München. US-amerikanische Städte liegen hauptsächlich im Mittelfeld. In Asien ist das Bild gemischt, einige Metropolen wie Singapur (Platz 2), Seoul (Platz 7) und Hongkong (Platz 16) liegen im Ranking weit vorne, andere schneiden deutlichschwächer ab. Im Gesamtindex schneiden kanadische, europäische und australische Städte besser ab als Städte in den USA. „Wenig gute Platzierungschancen hatten Städte auf den Kontinenten Afrika und Asien, weil sie deutlich mehr mit den Folgen von Klimawandel, rasanter Verstädterung und Kapitalmangel konfrontiert sind als Europa, Australien oder Nordamerika“, erklärt John Batten, Global Cities Director von Arcadis. „Das macht es für diese Städte deutlich schwerer, hochgesteckte Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.“ Wien hat also mächtige Startvorteile, um sich weiter zu verbessern. Und das ist unabdingbar, denn die Klimaerwärmung wird sich auch auf Wien auswirken. Schon jetzt wählt etwa das Stadtgartenamt andere Bäume als noch vor 30 Jahren, „weil die Klassiker der Hitze zum Teil nicht mehr gewachsen sind“, sagt Rainer Weisgram vom Stadtgartenamt. Die schon rege Windtätigkeit in Wien wird ebenso zunehmen wie starke Niederschläge.
Man muss sich also vorbereiten auf das, was die Klimaänderung bringen wird – statt den Wandel nur eindämmen zu wollen. Ein relativ neuer Zugang zum Problem. „Bisher war man eher darauf konzentriert, die Erwärmung aufzuhalten“, konstatiert TUStadtplanerin Katrin Hagen. „Sich auf einen Wandel auch einzustellen, ermöglicht aber natürlich einen viel größeren Handlungsspielraum.“Andere Materialien werden ausprobiert und favorisiert, im Bau, in der Technik, im Handel. Zukunftsszenarien werden visualisiert, Projekte ausgeschrieben, Forschung betrieben. Und mit den Ergebnissen lässt sich natürlich auch Geld verdienen, was auch niemandem schadet.
Wien hat einiges an Ideen zu bieten, das auch über seine Grenzen hinweg von Nutzen sein wird, das Klima macht bekanntlich nicht an Stadtgrenzen halt. Klar ist aber auch: Stadtklima ist auch abseits meteorologischer Bedeutung ein Wert für sich.