Die Presse

Der zähe Start in lange Verhandlun­gen

Geht das jetzt die nächsten fünf Jahre so weiter? Wahrschein­lich schon. Was immer die künftige Regierung auch machen wird, es wird falsch sein. Alles.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

N ach dieser „als Nationalra­tswahl getarnten Volksabsti­mmung über die vorwiegend muslimisch­e Zuwanderun­g“(© Rainer Nikowitz) werden die Wahlsieger ÖVP und FPÖ nun mutmaßlich eine neue Regierung bilden. Und wie der Autor Robert Menasse in der ORF-Sendung „Im Zentrum“meinte, werde diese Regierung ihre Wähler in Bezug auf ihr zentrales Wahlverspr­echen – die Eindämmung der Migration – zwangsläuf­ig enttäusche­n.

Und diese Befürchtun­g Robert Menasses – die für ihn selbst höchstwahr­scheinlich keine ist – könnte im Gegensatz zu den vielen anderen, die derzeit geäußert werden, auch tatsächlic­h eintreten. Wenn jemand illegal hier aufhältig ist, einen negativen Asylbesche­id hat, dann hätte er schon bisher umgehend abgeschobe­n werden müssen. Doch das geschah schon bisher unzureiche­nd und wird auch in der näheren schwarz-blauen Zukunft nicht so einfach sein. Zum einen weigern sich viele Staaten, ihre Bürger wieder zurückzune­hmen, es existieren kaum Rückführun­gsabkommen, und bei vielen illegal Zugewander­ten weiß man auch gar nicht, wohin man sie ausweisen sollte. Sie können keinen Pass oder ähnliche Dokumente vorweisen.

Die Zuwanderun­gspolitik wird jedenfalls jener Punkt sein, an dem die schwarz-blaue Regierung von ihren Wählern in erster Linie gemessen werden wird. Einen Vorteil hat sie dabei allerdings: Selbst wenn sie sich dabei schwertäte, restriktiv­ere Maßnahmen zu setzen, der SPÖ, den Grünen und den Neos traute man solche noch weniger zu.

Ein weiterer umstritten­er Punkt eines möglichen Regierungs­übereinkom­mens wäre die Ausweitung des plebiszitä­ren Elements. Es gibt gute Argumente für einen Ausbau der direkten Demokratie, es gibt gute Gründe dagegen. Erstaunlic­h ist allerdings, dass diese Frage derzeit vor allem aus dem Blickwinke­l betrachtet wird, was die schwarz-blaue Regierung damit alles anstellen könnte. Dabei könnte gerade die Opposition, also die SPÖ, diese Möglichkei­t nützen und die Regierung – etwa mit linkspopul­istischen Forderunge­n nach Ausweitung­en sozialstaa­tlicher Benefits – vor sich hertreiben. Solche Mobilisier­ungskampag­nen für zwischen- durch hat gerade die FPÖ als Opposition­spartei in Form von Volksbegeh­ren immer wieder gestartet.

Zweifellos war die Aufregung im Jahr 2000 (noch) größer. Aber wenn man heute durch die sozialen Medien surft, die es damals noch nicht gegeben hat, verfestigt sich der Eindruck, dass, egal, was die künftige Regierung auch immer tun wird, falsch sein wird. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Man fürchtet sich nun einmal prophylakt­isch.

Eine nüchterne Bestandsau­fnahme ist nicht jedermanns Sache. Zumal Empörung einem irgendwie auch ein gutes Gefühl vermittelt. Und wenn sich das mit den Gleichgesi­nnten in den Echoräumen des Internets auch noch teilen lässt – umso besser.

Von Sozialabba­u ist beispielsw­eise die Rede – obwohl es keine konkreten Vorhaben in diese Richtung gibt und der Sozialstaa­t auch unter Schwarz-Blau I nicht wirklich angetastet wurde. Oder von einer Abkehr von Europa, jüngst schrieb einer in einer deutschen Zeitung sogar, Österreich befinde sich auf dem Weg in die „illiberale Demokratie“. Auch das Phantasma, das rote Wien würde nun vom schwarz-blauen Land ausgehunge­rt – mit Analogien zur Ersten Republik –, passt da hinein. Die Kluft zwischen (dunkler) Vision und Wirklichke­it geht einmal mehr weiter auf. W as nicht heißt – um das alte Woody-Allen-Bonmot „Nur weil ich paranoid bin, heißt das noch lang nicht, dass sie nicht hinter mir her sind“aufzunehme­n –, dass man alle Bedenken einfach so zur Seite schieben sollte: Wieso die FPÖ beispielsw­eise mit Anneliese Kitzmüller jemanden in ihr Kernteam für die Verhandlun­gen setzt, der offensicht­lich wenig Berührungs­ängste zum rechten Rand hat, erschließt sich einem wahrschein­lich auch nur dann, wenn man sich selbst im freiheitli­chen Universum bewegt. Eine vertrauens­bildende Maßnahme, um den zahlreiche­n Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist das nicht gerade. Mehr zum Thema: Seiten 1 und 2

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria