Mit Mama Senta Berger am Set
Akademietheater. Simon Verhoevens Flüchtlingskomödie „Willkommen bei den Hartmanns“kommt am 19. 11. als Theaterstück heraus. Der Regisseur und Sohn von Senta Berger über seine Mutter, Wien, deutsche Politik und Willkommenskultur.
Simon Verhoeven („Willkommen bei den Hartmanns“) im Interview über seine Mutter, Wien und die Willkommenskultur.
Die Presse: Wie war es, mit Ihrer Mutter Senta Berger zu drehen? Simon Verhoeven: Es war schön. Und natürlich witzig, am Set ständig vor dem gesamten Team „Mama“zu sagen. Dadurch ergab sich eine familiäre Atmosphäre.
Sind Sie Teil des Produktionskonzerns Senta Berger und Michael Verhoeven? Nein. Den gibt es ja so gar nicht mehr. Ich war immer recht selbstständig und meine Eltern fanden das auch gut. Sie haben mich nie sonderlich unterstützt. Natürlich hätten sie mich nicht unter einer Brücke schlafen lassen, aber in diesem Geschäft muss sich jeder mühsam durchsetzen, egal aus welcher Familie er kommt.
Hatten Sie es als Sohn berühmter Eltern schwerer oder leichter mit Ihrer Karriere? Schwer zu sagen. Ich wollte schon als Kind Filmemacher werden. Ich habe relativ lang kämpfen müssen, meine Projekte durchzusetzen. Jetzt läuft es seit einigen Jahren gut. Aber das kann sich wieder ändern.
Letztlich haben Sie es geschafft. Na ja. So jung bin ich auch nicht mehr. Ich habe manches versucht. Das Filmstudium in New York habe ich abgeschlossen.
Ihr Film „Männerherzen“zeigt den sensiblen Mann von heute in seinem Widerspruch zwischen Macho und Weichei. Kann sein. „Männerherzen“entstand so: Ich ging damals noch ins Fitnessstudio und sah all diese Männer an den Geräten, die mir so seltsam und traurig vorkamen, aber auch irrsinnig komisch. Ich habe mich gefragt, was machen die alle sonst?
Handelt der Film von Ihren Freunden? Auch. Manche Geschichten sind reine Fiktionen. Andere sind sicher inspiriert durch meinen Freundeskreis. In dieser Zeit, 2009, gab es mehrere Krisen, in meinem Leben und bei Bekannten. Davon habe ich sicher gezehrt. Schreiben finde ich übrigens ziemlich aufreibend. Man geht die Wände hoch bis so eine Figur zum Leben erwacht – und man verbringt Jahre mit so einem Film.
In Ihrer jüngsten Komödie, „Willkommen bei den Hartmanns“, geht es um einen Flüchtling, der von einer deutschen Upperclass-Familie aufgenommen wird. Wie viele Leute haben den Film gesehen? In Deutschland fast vier Millionen. Er war der erfolgreichste Film des Jahres. Das hätte keiner erwartet. Als ich angefangen habe, das Drehbuch zu schreiben, war das Flüchtlings-Thema noch kein so großes wie jetzt. Es geht um eine bürgerliche Familie, die in sich zerstritten ist. Durch die Aufnahme des Flüchtlings entstehen alle möglichen großen und kleinen wahnwitzigen Situationen.
Wenn so viele Leute den Film angeschaut haben, werden die jetzt nicht sagen: Schon wieder Film im Theater? Gibt es viel Film im Theater? Für mich ist das etwas sehr Besonderes. Angelika Hager hat den Text geschrieben. Das Theaterstück ist sehr anders als der Film, es ist österreichisiert, schriller, böser, nicht naturalistisch.
Mögen Sie Theater? Ja. Meine Eltern haben eine große Liebe zum Theater. Als Kind habe ich tolle Sachen gesehen. Was ich nicht schätze, ist, wenn alle nackt sind, drei Stunden herumschreien und ich das Stück nicht erkenne.
Ist „Willkommen bei den Hartmanns“ein Plädoyer für Angela Merkels Politik? Überhaupt nicht. Ich bin eher kritisch, was Merkels Politik angeht. Letztlich ist mein Film mehr eine politisch unkorrekte Gesellschaftssatire. Er gibt mehr Fragen als Antworten. Er teilt nach links und rechts aus. Die Hartmanns sind instabil. Die Frau, Lehrerin in Pension, ist einsam, ihr Mann, ein Chefarzt, will seine Jugend festhalten. Instabil ist richtig. Die Frau sucht ein Projekt. Sie will helfen. Ich war viel in Flüchtlingsunterkünften. Ein Unterkunftsleiter sagte mir, die Rentner rennen uns die Bude ein. Das ist rührend. Nur: Man kann den Leuten Jacken geben und etwas Deutsch beibringen, aber was ist die Perspektive? Was bedeutet der Zuzug von Migranten für unsere Schulen und für unsere Zukunft?
Sie sind skeptisch bezüglich der deutschen Willkommenskultur. Wir müssen lernen, mehr zu differenzieren. Ich denke, die Merkelsche Politik hatte keinen Plan und den hat sie immer noch nicht. Man müsste ein Integrationsministerium schaffen, die Fragen und Probleme der Menschen ernst nehmen und sie nicht pauschal in die rechte Ecke stellen. Sonst bleiben sie irgendwann in der rechten Ecke.
Deutschland hat Vollbeschäftigung und einen Budgetüberschuss von 14 Milliarden Euro. Es ist schwer zu verstehen, warum die Menschen so unzufrieden sind. Die Deutschen sind, glaube ich, nicht generell unzufrieden. Aber es gibt Themen, die in deutschen Medien lang nicht besprochen wurden. Die Mehrheit der Deutschen will einfach keine größere Ausbreitung des Islam. Und das hat nichts mit Rassismus zu tun. Da sind viele dabei, die nicht die AfD wählen. Die Linken behandeln dieses Thema bisher kaum. Daher punkten die Rechten mit rassistischen Tönen. Das ist bedauerlich und sehr problematisch.
Was sollte geschehen? Man könnte der AfD schneller das Wasser abgraben, wenn man ehrlicher und kritischer mit dem Thema Islam umgeht und was er bei den Deutschen für Gefühle weckt. Da muss es Kritik geben an den erzkonservativen Aspekten dieser Religion. Da frage ich mich, wo ist hier die Linke? Das ist ihr Thema. Der Katholizismus wurde wegen seiner patriarchalischen und ewig gestrigen Wirkungsweise zurecht zusammengestutzt. Religionskritik ist eine linke Aufgabe. Beim Islam passiert sie nicht. Schade. Denn nur so könnte man den liberalen Islam unterstützen. Und der braucht Hilfe!
Mir scheint: In den deutschen Medien versucht man Toleranz zu propagieren, man befasst sich aber wenig mit den Realitäten in städtischen Randbezirken. Die deutschen Medien haben Angst, Wasser auf die Mühlen der Rechten zu leeren. Das ist verständlich. Aber es wird niemandem ein Gefallen erwiesen, wenn man über die problematischen Seiten der Einwanderung schweigt. Mein Film versucht die verschiedenen Perspektiven dieses diffizilen Themas zu zeigen. Und er ist eine Metapher dafür, wie ich Deutschland erlebe.
Sind Sie pessimistisch? Oft. Aber die Komödie hilft mir, das zu ertragen. Ich bin Realist. Trotz Ihrer ernsten Gedanken haben Sie sich für ein Lustspiel entschieden. Trotzdem, aber auch logischerweise. „Willkommen bei den Hartmanns“ist meine Sicht auf Chaos und Widerspruch der Welt, anhand eines Mikrokosmos.
Was bringt Sie selber zum Lachen? Mein Sohn. Aber auch allgemein über Menschen kann ich lachen. Und über mich selbst natürlich. Das ist wichtig.
Welche Filmkomödien mögen Sie? Ich bin eher geprägt von der klassischen Hollywood-Komödie. „Das Appartement“von Billy Wilder ist zum Beispiel einer meiner Lieblingsfilme.
Das ist aber schon ein Weilchen her. Alt aber gut. Als Kind habe ich gern Charlie Chaplin oder Inspector Clouseau gesehen, später Lubitsch-Filme. Aber ich schau mir auch Sachen wie „Die nackte Kanone“oder „Monty Python“an. Ich liebe menschliche intelligente Komödien und anarchische aus den 1980ern. Früher war ja alles überschaubarer. Da ist ein Film pro Woche herausgekommen, jetzt sind es acht oder mehr.
Ich glaube: Film, speziell der amerikanische, hat heute die stärkste Wirkung. Auch politisch, mehr als Nachrichten. Ich weiß nicht, ob der amerikanische Film noch in Zukunft diesen starken Einfluss haben wird. Mir scheint, das Fernsehen wird jetzt wieder stärker. Denken Sie an „House of Cards,“„Game of Thrones“, „Breaking Bad“, meine Freundin schaut gern „Downton Abbey“. TV-Serien prägen unsere Kultur momentan am meisten, denke ich.
Die US-Kultur hat auch was Stromlinienförmiges: Power, Fitness, Money, Erfolg. Amerika hat alles. Großartige, wunderbare Seiten und entsetzliche, reaktionäre. Daher kommt ja auch die Zerrissenheit, die durch Präsident Trump noch offenbarer geworden ist. Arm und Reich, schwarz und weiß, links und rechts, alles wird extremer, denke ich. Aber auch in Europa gibt es diese Tendenzen, in der Schweiz, in Frankreich, in Schweden, in Österreich, in Deutschland.
Kommen wir zu weniger schweren Themen. Hatten Sie eine glückliche Kindheit? Ich hatte eine sehr glückliche Kindheit. Meine Mutter hat viel gedreht. Aber sie ist auch für einen Nachmittag zu uns geflogen. Sie ist eine extrem leidenschaftliche Mutter, man kann auch mit ihr streiten. Sie hat zu allem eine Meinung. Sie ist sehr gerade und sozial und hat einen proletarischen Stolz.
Ihre Mutter ist ein Sexsymbol – und für viele noch immer eine Fata Morgana. Senta Berger ist die Sophia Loren aus Wien, habe ich oft gehört. Als Kind habe ich mich daran gewöhnen müssen, es war selbstverständlich, dass man angeguckt wurde. Es sind oft Leute auf uns zugekommen, manche waren nett, andere auch aufdringlich: „Handkuss, gnädige Frau!“Für mich als Junge war das nicht schön. Es gab immer Getuschel und oft laut. Ich habe auch negative Seiten des „Berühmtseins“kennen gelernt.
Was war Ihr markantestes Erlebnis? Wir waren noch klein, mein Bruder und ich. Wir waren in Salzburg. Meine Mutter hat die Buhlschaft gespielt. Ständig haben uns Fotografen umringt und gerufen: „Senta Berger!“Plötzlich hat mein Bruder gefragt: „Wer ist denn diese blöde Senta Berger?“Für ihn war meine Mutter eben nicht Senta Berger, sondern Mama. Diese Episode ist sehr vielsagend für unser Aufwachsen.
Sind Sie öfter in Wien? Ich liebe Wien, die Kaffeehäuser, Parks, das Essen, die surreale Schönheit der Stadt. Meine Großeltern waren ja aus Wien. Das Wiener Gefühl ist mir sehr, sehr nahe.