Einhalt für Räderboom
Leihräder. Tausende Billigräder blockieren die Stadt, und die Anbieter aus Fernost wollen weiter expandieren. Konsumentenschützer warnen vor Datenhandel, die Stadt plant Regeln.
Zu viele billige Leihräder, zu wenig Datenschutz. Nun soll es Spielregeln geben.
Wien. Man kann nicht weit durch die Stadt gehen, ohne auf die Räder zu stoßen. Die quietschgelben Ofos, die gelb-grauen Obikes, und dann die orangenen Leihräder von Donkey Republik, in wenigen Monaten ist die Stadt, oder zumindest die zentraleren Bezirke, mit einer unübersehbaren Anzahl an Fahrrädern verstellt worden. Knapp 1000 solcher Leihräder ohne feste Abstellplätze sind es derzeit, die Zahl wird in den kommenden Monaten noch kräftig wachsen. Der Boom ist in Wien, wie in vielen Städten, etwas außer Kontrolle, die Suche nach einem Ausweg läuft.
Die Stadt Wien plant nun Einschränkungen bzw. Vereinbarungen zu Höchstzahlen, Servicequalität oder ein Regulativ, wo die Räder abgestellt werden. Wann eine Vereinbarung steht, das könne man aber noch nicht sagen, sagt Wiens Fahrradbeauftragter Martin Blum.
Spielregeln für die „Wilden“
Und, internationale Beispiele zeigen: Den Städten sind, abgesehen von freiwilligen Vereinbarungen, die Hände relativ gebunden. In München, Frankfurt, in Amsterdam, London, Madrid oder Zürich, die Städte stehen vor ähnlichen Problemen: Ungefragt wurden Innenstädte verstellt, der Platz wurde noch knapper. Begonnen hat das in Peking, dort sind mittlerweile mehr als zwei Millionen Bikes der Sharing-Start-ups im Umlauf. In Summe hat allein Ofo mehr als zehn Millionen Räder in 180 Städten auf der Straße.
Seit das Phänomen aufgetaucht ist, arbeiten Städte an einem Umgang mit den „Rouge Bike Share“-Modell, dem wilden Radverleiher, betrieben von Startups, finanziert von Risikokapital. Die Anbieter werden noch mehr, nach Obike (aus Singapur), Ofo (China) und Donkey Republic (Dänemark) drängen noch weitere, Yobike oder Mobike etwa, auf den europäischen Markt. Derzeit sind Leihfahrrad-Systeme auch für Graz, Linz und Salzburg in Arbeit.
Angesichts des Unmutes über die Räder-Flut bemühen sich die Anbieter nun um Einvernehmen. Ofo hat etwa nun mit der Radlobby Wien eine Parkhilfe mit Richtlinien und Hinweisen zum korrekten Parken von Leihrädern entwickelt. Diese werden an den Rädern ange- bracht. Auch die Erfahrungen in Fernost (dort hat sich die Zahl der Anbieter teils rasch reduziert) habe gezeigt, dass statt der Masse eher Verteilung oder Service zählt.
Auch beim mit 700 Rädern aktuellen Platzhirschen in Wien, Ofo, gibt man sich konsensorientiert: Man sei in ständigem Kontakt mit Behörden, die Zahl der Räder soll nur schrittweise wachsen, „wir wollen uns von unseren Konkurrenten unterscheiden, die den Markt zerstören, indem sie lokale Bedingungen ignorieren“, lässt Fred Dong, der Zuständige für Österreich, der „Presse“ausrichten.
Blum glaubt, dass sich die Startschwierigkeiten legen und sich die Räder mit der Zeit besser über die Stadt verteilen, oder, dass sich die geltenden Gesetze fürs Abstellen der Räder herumsprechen: Dass man Räder etwa auch auf der Parkspur abstellen kann, nicht nur an den eigenen Abstellanlagen.
Mehr Parkplätze als Lösung? Darauf setzt auch die Radlobby Österreich und fordert zusätzliche Abstellplätze: „Bis 2020 fehlen unseren Analysen nach 18.000 RadAbstellplätze in Wien“, sagt Roland Romano von der Radlobby. Bis die Zahl ausgebaut wird, rate man Radfahrern, auch die Parkspur zu nutzen. Denn in Summe sehe man die Leihräder positiv, diese könnten den Radverkehr stärken. Und, im Verhältnis zu den 680.000 zuge- lassenen Pkw in Wien sei der Parkplatzbedarf von ein paar Tausend Leihrädern nicht überzubewerten.
Bisher sieht man die gelben Bikes – punktuell beobachtet – im Verhältnis zu ihrer Zahl, aber eher selten in Bewegung. Wenn, dann schlingern oft Touristen, Ungeübte in Gruppen nebeneinander, oder abends Jugendliche damit über Radwege und Gehsteige. Dass Autofahrer so aufs Rad umsteigen, die Straßen der Stadt entlastet werden, diesen Effekt erwartet auch die Radlobby nicht. „Für Alltagsradler oder Sportler ist das wohl keine Alternative“, sagt Romano zu den behäbigen Leihrädern, vielmehr gehe es da um die „letzte Meile“, von der U-Bahn zum Büro, zum Beispiel, oder um schnelle Besorgungsfahrten zwischendurch.
Bei Ofo will man nach wenigen Monaten in Wien noch keine Bilanz über die Nutzer ziehen. „Wir freuen uns, dass unser Angebot gut angenommen wird. Täglich registrieren sich neue User“, so Fed Dong. Um über Zahlen zu sprechen sei es zu früh, man stecke in der Aufbauphase.
Sorge um Datenschutz
Und auch über die Wirtschaftlichkeit weiß man noch wenig. Bis Ende Oktober war die Nutzung jedenfalls in einer Testphase gratis, regulär kosten 30 Minuten OfoMiete 50 Cent. Die Frage, wie sich die Zahl an Rädern, der Serviceaufwand (in Wien sind bei Ofo 15 Mitarbeiter im Service-Einsatz), rechnen, sorgt für viele Spekulationen.
In Deutschland haben Verbraucherschützer Bedenken angemeldet, dahinter könnte ein Geschäft mit Daten stehen, immerhin entstehen via App wertvolle Bewegungsprofile, die tägliche Wege und Lebensgewohnheiten offenlegen.
Fred Dong entgegnet: „Zur Registrierung müssen Kunden ihre Telefonnummer und Zahlungsinformationen angeben. Das ist alles. Diese Daten sind notwendig. In der App sehen die User ihre Route, diese Informationen können nach der Fahrt gelöscht werden. Wir verkaufen keine Daten, benutzen diese intern, um unseren Service anzubieten.“