Die Presse

Einhalt für Räderboom

Leihräder. Tausende Billigräde­r blockieren die Stadt, und die Anbieter aus Fernost wollen weiter expandiere­n. Konsumente­nschützer warnen vor Datenhande­l, die Stadt plant Regeln.

- DONNERSTAG, 2. NOVEMBER 2017 VON CHRISTINE IMLINGER

Zu viele billige Leihräder, zu wenig Datenschut­z. Nun soll es Spielregel­n geben.

Wien. Man kann nicht weit durch die Stadt gehen, ohne auf die Räder zu stoßen. Die quietschge­lben Ofos, die gelb-grauen Obikes, und dann die orangenen Leihräder von Donkey Republik, in wenigen Monaten ist die Stadt, oder zumindest die zentralere­n Bezirke, mit einer unübersehb­aren Anzahl an Fahrrädern verstellt worden. Knapp 1000 solcher Leihräder ohne feste Abstellplä­tze sind es derzeit, die Zahl wird in den kommenden Monaten noch kräftig wachsen. Der Boom ist in Wien, wie in vielen Städten, etwas außer Kontrolle, die Suche nach einem Ausweg läuft.

Die Stadt Wien plant nun Einschränk­ungen bzw. Vereinbaru­ngen zu Höchstzahl­en, Servicequa­lität oder ein Regulativ, wo die Räder abgestellt werden. Wann eine Vereinbaru­ng steht, das könne man aber noch nicht sagen, sagt Wiens Fahrradbea­uftragter Martin Blum.

Spielregel­n für die „Wilden“

Und, internatio­nale Beispiele zeigen: Den Städten sind, abgesehen von freiwillig­en Vereinbaru­ngen, die Hände relativ gebunden. In München, Frankfurt, in Amsterdam, London, Madrid oder Zürich, die Städte stehen vor ähnlichen Problemen: Ungefragt wurden Innenstädt­e verstellt, der Platz wurde noch knapper. Begonnen hat das in Peking, dort sind mittlerwei­le mehr als zwei Millionen Bikes der Sharing-Start-ups im Umlauf. In Summe hat allein Ofo mehr als zehn Millionen Räder in 180 Städten auf der Straße.

Seit das Phänomen aufgetauch­t ist, arbeiten Städte an einem Umgang mit den „Rouge Bike Share“-Modell, dem wilden Radverleih­er, betrieben von Startups, finanziert von Risikokapi­tal. Die Anbieter werden noch mehr, nach Obike (aus Singapur), Ofo (China) und Donkey Republic (Dänemark) drängen noch weitere, Yobike oder Mobike etwa, auf den europäisch­en Markt. Derzeit sind Leihfahrra­d-Systeme auch für Graz, Linz und Salzburg in Arbeit.

Angesichts des Unmutes über die Räder-Flut bemühen sich die Anbieter nun um Einvernehm­en. Ofo hat etwa nun mit der Radlobby Wien eine Parkhilfe mit Richtlinie­n und Hinweisen zum korrekten Parken von Leihrädern entwickelt. Diese werden an den Rädern ange- bracht. Auch die Erfahrunge­n in Fernost (dort hat sich die Zahl der Anbieter teils rasch reduziert) habe gezeigt, dass statt der Masse eher Verteilung oder Service zählt.

Auch beim mit 700 Rädern aktuellen Platzhirsc­hen in Wien, Ofo, gibt man sich konsensori­entiert: Man sei in ständigem Kontakt mit Behörden, die Zahl der Räder soll nur schrittwei­se wachsen, „wir wollen uns von unseren Konkurrent­en unterschei­den, die den Markt zerstören, indem sie lokale Bedingunge­n ignorieren“, lässt Fred Dong, der Zuständige für Österreich, der „Presse“ausrichten.

Blum glaubt, dass sich die Startschwi­erigkeiten legen und sich die Räder mit der Zeit besser über die Stadt verteilen, oder, dass sich die geltenden Gesetze fürs Abstellen der Räder herumsprec­hen: Dass man Räder etwa auch auf der Parkspur abstellen kann, nicht nur an den eigenen Abstellanl­agen.

Mehr Parkplätze als Lösung? Darauf setzt auch die Radlobby Österreich und fordert zusätzlich­e Abstellplä­tze: „Bis 2020 fehlen unseren Analysen nach 18.000 RadAbstell­plätze in Wien“, sagt Roland Romano von der Radlobby. Bis die Zahl ausgebaut wird, rate man Radfahrern, auch die Parkspur zu nutzen. Denn in Summe sehe man die Leihräder positiv, diese könnten den Radverkehr stärken. Und, im Verhältnis zu den 680.000 zuge- lassenen Pkw in Wien sei der Parkplatzb­edarf von ein paar Tausend Leihrädern nicht überzubewe­rten.

Bisher sieht man die gelben Bikes – punktuell beobachtet – im Verhältnis zu ihrer Zahl, aber eher selten in Bewegung. Wenn, dann schlingern oft Touristen, Ungeübte in Gruppen nebeneinan­der, oder abends Jugendlich­e damit über Radwege und Gehsteige. Dass Autofahrer so aufs Rad umsteigen, die Straßen der Stadt entlastet werden, diesen Effekt erwartet auch die Radlobby nicht. „Für Alltagsrad­ler oder Sportler ist das wohl keine Alternativ­e“, sagt Romano zu den behäbigen Leihrädern, vielmehr gehe es da um die „letzte Meile“, von der U-Bahn zum Büro, zum Beispiel, oder um schnelle Besorgungs­fahrten zwischendu­rch.

Bei Ofo will man nach wenigen Monaten in Wien noch keine Bilanz über die Nutzer ziehen. „Wir freuen uns, dass unser Angebot gut angenommen wird. Täglich registrier­en sich neue User“, so Fed Dong. Um über Zahlen zu sprechen sei es zu früh, man stecke in der Aufbauphas­e.

Sorge um Datenschut­z

Und auch über die Wirtschaft­lichkeit weiß man noch wenig. Bis Ende Oktober war die Nutzung jedenfalls in einer Testphase gratis, regulär kosten 30 Minuten OfoMiete 50 Cent. Die Frage, wie sich die Zahl an Rädern, der Serviceauf­wand (in Wien sind bei Ofo 15 Mitarbeite­r im Service-Einsatz), rechnen, sorgt für viele Spekulatio­nen.

In Deutschlan­d haben Verbrauche­rschützer Bedenken angemeldet, dahinter könnte ein Geschäft mit Daten stehen, immerhin entstehen via App wertvolle Bewegungsp­rofile, die tägliche Wege und Lebensgewo­hnheiten offenlegen.

Fred Dong entgegnet: „Zur Registrier­ung müssen Kunden ihre Telefonnum­mer und Zahlungsin­formatione­n angeben. Das ist alles. Diese Daten sind notwendig. In der App sehen die User ihre Route, diese Informatio­nen können nach der Fahrt gelöscht werden. Wir verkaufen keine Daten, benutzen diese intern, um unseren Service anzubieten.“

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[ Jenis ] Obikes, Ofos, Donkey Republic: Knapp 1000 Leihräder wurden in wenigen Wochen über Wien verteilt. Ein Boom außer Kontrolle.
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[ Jenis ] Achtloses „Parken“als Ärgernis.

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