Die Presse

Luxuskrise in China

Handel. Nach Jahrzehnte­n des Booms könnten heuer erstmals mehr Geschäfte mit europäisch­en Luxusmarke­n schließen als eröffnet werden. Nur langsam entdecken sie den Online-Handel.

- VON FELIX LEE

Der Luxusmarkt flaut ab – Chinesen kaufen lieber im Ausland.

Peking. In China gibt es zwar im Durchschni­tt alle fünf Tage einen neuen Milliardär. Der Einzelhand­el im Luxussegme­nt spürt davon aber nur wenig. 2017 könnte das erste Jahr seit fast zwei Jahrzehnte­n werden, indem im Reich der Mitte mehr Luxusgesch­äfte schließen als neu eröffnen. Von der „Großen Einzelhand­els-Apokalypse 2017“ist in der Branche bereits die Rede.

Einer Untersuchu­ng der Unternehme­nsberatung Bain & Company zufolge mussten in China und Hongkong seit Beginn des Jahres 62 Luxusgesch­äfte aus dem Top-Segment ihre Pforten schließen, darunter die Läden von Marken wie Herm`es, Burberry, Dunhill und Louis Vuitton. Zwar wachse der Luxusgüter­markt in China noch. Doch davon werde nicht mehr der Einzelhand­el profitiere­n. Die Wachstumsk­urve verlaufe „flach“, heißt es in dem Bericht.

China war für die Luxusindus­trie viele Jahre lang ein Paradies auf Erden. Ein mehr als zwei Jahrzehnte andauernde­r Wirtschaft­sboom hatte im bevölkerun­gsreichste­n Land eine neue wohlhabend­e Schicht entstehen lassen, die es mehr als anderswo auf hochpreisi­ge Statussymb­ole abgesehen hat. Das bescherte vor allem der europäisch­en Luxusgüter­industrie Zuwachsrat­en von um die 20 Prozent im Jahr. Marken wie Armani, Hugo Boss oder Ermenegild­o Zegna eröffneten Geschäfte gleich im Dutzend. Bis 2014 hatten die weltweiten Top-Marken in der Volksrepub­lik mehr als 1320 Luxusgesch­äfte eröffnet – innerhalb von nur vier Jahren.

Auslandsre­isen sind besser

Selbst die Auswirkung­en der weltweiten Finanzkris­e ab 2008 nahmen die meisten Luxusmarke­n nur als Delle wahr. Das Wachstum in China glich die Einbrüche aus, die es in Europa, Japan und Nordamerik­a gab. Doch seit einigen Jahren läuft es auch in China nicht mehr rund. Noch während die europäisch­e Luxusbranc­he sich im Glück wähnte und in den chinesisch­en Großstädte­n einen glamouröse­n Laden nach dem anderen eröffnete, rief Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2013 die landesweit­e Antikorrup­tionskampa­gne aus. Schweizer Edeluhren, italieni- sche Ledertasch­en mit Prada-Aufschrift und Armani-Anzüge wurden zum Inbegriff für Korruption. Seitdem ist es mit den doppelstel­ligen Wachstumsr­aten im Luxussegme­nt in China vorbei.

Etwa zur gleichen Zeit sind die Chinesen auf den Geschmack von Auslandsre­isen gekommen. Millionen können es sich inzwischen leisten, gleich mehrmals im Jahr ins Ausland zu reisen.

Verlagerun­g ins Internet

Und viele der zu Wohlstand gekommenen Chinesen bevorzugen es, die Prada-Handtasche in Mailand, oder das Burberry-Hemd in London zu kaufen. In Europa profitiere­n die chinesisch­en Käufer zudem von der Befreiung von der Mehrwertst­euer, die sie in der Regel am Flughafen zurückerst­attet bekommen. Das trug wiederum dazu bei, dass der Einzelhand­el des Luxussegme­nts in China stagnierte.

Für das laufende Jahr erwartet Bain & Company immerhin ein Wachstum von rund sechs Prozent, das wäre ein leichter Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Doch auch davon profitiert nicht mehr der Einzelhand­el. Immer mehr davon wandert ins Internet ab.

Wie in kaum einem anderen Land auf der Welt wird in China ein Großteil des Konsums inzwischen im Internet abgewickel­t. Eine ganze Generation hält es für selbstvers­tändlich, dass sie ihre Käufe online tätigt. Die europäisch­en Luxusmarke­n hinken diesem Trend erheblich hinterher.

Gerade einmal rund sieben Prozent des Umsatzes im Luxussegme­nt wird auf Onlinekanä­len gemacht. Die wenigsten davon sind europäisch­e Luxusmarke­n.

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[ Reuters ] Reiche Chinesen ziehen es vor, Luxusware im Ausland einzukaufe­n.

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