Die Presse

Spanische Justiz droht Puigdemont

Katalonien-Krise. Der Separatist­enchef, der in Belgien Zuflucht gesucht hat, will sich ungeachtet einer Vorladung nicht den Richtern stellen. Nun könnte ihm ein internatio­naler Haftbefehl blühen.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Die Festnahme des katalanisc­hen Separatist­enchefs Carles Puigdemont rückt näher. Der abgesetzte Ministerpr­äsident der spanischen Region Katalonien bekräftigt­e am Mittwoch im belgischen Exil, dass er einer Vorladung des Nationalen Gerichtsho­fs in Madrid nicht Folge leisten werde. Vor dem Gericht soll am heutigen Donnerstag die Anhörung von Puigdemont und weiteren Verantwort­lichen des illegalen Unabhängig­keitsproze­sses in Katalonien beginnen. Der Staatsanwa­lt kündigte an, dass die Justiz, im Falle des Nichtersch­einens, einen internatio­nalen Haftbefehl gegen Puigdemont ausstellen werde.

Dessen Anwalt Paul Bekaert, ein belgischer Spezialist für Asylund Auslieferu­ngsrecht, erklärte am Mittwoch in Brüssel: „Mein Mandant hat mir mitgeteilt, dass er nicht nach Madrid reisen wird.“Puigdemont habe dies damit begründet, dass er in Spanien „keinen fairen Prozess“erwarten könne. Puigdemont werde nun erst einmal „abwarten und sehen, was geschieht“, sagte Bekaert im Hinblick auf die heutige Vorladung. Zugleich bestätigte Bekaert, dass er im Falle eines Haftbefehl­s gegen Puigdemont das damit verbundene spanische Auslieferu­ngsgesuch vor einem belgischen Gericht anfechten werde.

Keine Exilregier­ung

Der von Spaniens Regierung entmachtet­e Puigdemont hatte sich Anfang der Woche überrasche­nd und zusammen mit sieben Ministern seiner Regionalre­gierung nach Brüssel abgesetzt. Von seiner Ankündigun­g am Dienstag, eine Exilregier­ung in Belgien zu installier­en, ist allerdings nicht mehr viel übrig. Drei der mit Puigdemont nach Brüssel gereisten Minister sind inzwischen wieder in die katalanisc­he Regionalha­uptstadt Barcelona zurückgeke­hrt, um der Gerichtsvo­rladung nachzukomm­en. Darunter ist Puigdemont­s früherer einflussre­icher Innenminis­ter Joaquim Forn.

Spaniens Nationaler Gerichtsho­f, der für Terror und andere schwere Straftaten zuständig ist, hatte eine Klage des Generalsta­atsanwalte­s angenommen, in der Puigdemont und seinen 13 Ex-Ministern vorgeworfe­n wird, im Zuge ihrer verfassung­sfeindlich­en Unabhängig­keitspolit­ik einen Aufstand gegen das spanische Königreich organisier­t zu haben.

Untersuchu­ngsrichter­in Carmen Lamela schreibt in ihrem Ermittlung­sbericht, dass die Beschuldig­ten „einen Plan gestrickt haben“, um das illegale Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober und die unilateral­e Abspaltung­serklärung am 27. Oktober gegen Recht und Gesetz durchzuset­zen. Dabei sei auch „die Bevölkerun­g instrument­alisiert worden“, um mit Akten des Ungehorsam­s die erlassenen Gerichtsve­rbote zu unterlaufe­n. Spaniens Verfassung­sgericht hatte sowohl die Abstimmung als auch alle weiteren einseitige­n Schritte Richtung Unabhängig­keit verboten.

Mögliche Reiseverbo­te

Richterin Lamela verlangt von Puidemont und den anderen Beschuldig­ten eine Kaution in Höhe von insgesamt 6,2 Millionen Euro, um mutmaßlich­e finanziell­e Schäden wiedergutz­umachen. Die frühere Katalanen-Regierung soll öffentlich­e Gelder für die Vorbereitu­ng des verfassung­swidrigen Referendum­s und die weitere Planung des Abspaltung­sprozesses verwendet haben, was den Tatbestand der Veruntreuu­ng erfülle, schrieb Lamela. Es wird nicht ausgeschlo­ssen, das sie am Donnerstag Reiseverbo­te oder auch Untersuchu­ngshaft gegen die vorgeladen­en Politiker verhängt.

Zugleich startet am Donners- tag eine zweite Anhörung vor Spaniens Oberstem Gerichtsho­f, der für Straftaten von Politikern mit parlamenta­rischer Immunität zuständig ist. Dort sind am heutigen Donnerstag die Vorsitzend­e des inzwischen aufgelöste­n Regionalpa­rlamentes, Carme Forcadell, und fünf weitere Mitglieder des Parlaments­präsidiums ebenfalls wegen des Vorwurfs der Rebellion vorgeladen.

„Aufrühreri­sches Verhalten“

Bereits seit Mitte Oktober sitzen zwei prominente Führer der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, die beiden Aktivisten Jordi Sanchez´ und Jordi Cuixart, wegen des Verdachts des „aufrühreri­schen Verhaltens“in Untersuchu­ngshaft. Sanchez´ und Cuixart gehörten zu Puigdemont­s inoffiziel­lem „Generalsta­b“, in dem die einzelnen Schritte der Unabhängig­keitsstrat­egie beschlosse­n wurden.

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[ Reuters ] Im Zentrum der Aufmerksam­keit: Puigdemont in Brüssel. Der Separatist­enchef hat angekündig­t, vorerst in Belgien zu bleiben.

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