Fusionen sind künftig öfter meldepflichtig
Neuregelung. Bei Fusionen wollen die Wettbewerbshüter jetzt auch den Kaufpreis wissen. Ist er hoch, kann Prüfpflicht bestehen.
420 nationale Unternehmenszusammenschlüsse wurden im Vorjahr von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) geprüft. Um 54 mehr als im Jahr 2015, um 182 mehr als 2010. Die steigenden Zahlen sind ein gutes Zeichen, sie untermauern den konjunkturellen Aufschwung: Brummt die Wirtschaft, tut sich tendenziell auch mehr am Transaktionsmarkt.
Künftige Anstiege könnten aber auch einen anderen Grund haben: Seit 1. November gilt eine neue gesetzliche Regelung. Und diese weitet die Fusionskontrolle aus. Bisher bestand nur bei Überschreitung bestimmter Umsatzschwellen Anmeldepflicht bei der Behörde – jetzt kommt es darüber hinaus auch auf den Kaufpreis an. Die Anmeldepflicht werde auf Fallkonstellationen ausgedehnt, „in denen Unternehmen zu einem hohen Preis gekauft werden, auch wenn die Umsätze unterhalb der bisherigen Schwellen liegen“, erklärt Peter Matousek, Geschäftsstellenleiter der BWB.
Daten wichtiger als Umsatz
Konkret müssen Unternehmen Fusionen bei der Behörde anmelden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: Gemeinsame Umsatzerlöse der am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen von mehr als 300 Millionen Euro weltweit und mehr als 15 Millionen Euro im Inland. Und ein „Wert der Gegenleistung“, also ein Kaufpreis, von mehr als 200 Millionen Euro. Das Unternehmen, das übernommen werden soll, muss zudem in „erheblichem Umfang“im Inland tä- tig sein. Daneben bleibt auch die bisherige, rein umsatzbezogene Regelung weiterhin in Geltung.
Warum ist es aber zu der Neuregelung gekommen? Die Digitalisierung ist der Grund – auch wenn das Wort in dem Gesetz nicht vorkommt. Es gehe um die „Vermeidung von Monopolbildungen im sensiblen digitalen Wirtschaftsbereich“, heißt es in den Erläuterungen dazu. Die Wettbewerbsbehörden sollen zum Beispiel dann eine Prüfkompetenz haben, „wenn ein verbleibender österreichischer Plattformbetreiber von einem internationalen Konkurrenten übernommen werden soll und dadurch eine marktbeherrschende Position entsteht“. Bei digitalen Unternehmen liege der Wert oft nicht so sehr im Umsatz, „sondern vielmehr in Daten, an denen vor allem große Unternehmen interessiert sind“. Weshalb künftig auch Zusammenschlüsse kontrolliert werden sollen, bei denen Unternehmen, die nur geringe Umsätze erzielen, zu einem hohen Preis gekauft werden.
Europarechtlich vorgegeben ist das nicht, bis jetzt hat in der EU nur Deutschland eine ähnliche Regelung. Deutschland und Österreich hätten da nun eine Vorreiterrolle, sagt Matousek. Greifen werden die neuen Regeln allerdings nicht nur in der digitalen Welt: Laut dem BWB-Juristen liegt der Behörde schon jetzt ein Fall vor, der damit rein gar nichts zu tun hat. Es gehe um ein Hochhaus in Wien, die Anmeldepflicht ergebe sich da nur aus dem Standort. Sein Fazit: „Es wird mehr Fälle geben, als man glaubt. Nicht nur aus der Industrie 4.0. Auch aus der Industrie 1.0“.
Frage der Interpretation
Bei der „wirkungsorientierten Folgenabschätzung“zu dem Gesetz sah man das noch anders: Die Rede war da von etwa fünf Fällen mehr pro Jahr, ausgehend von Transaktionszahlen aus der Start-up-Szene. Was aber zu kurz greifen dürfte.
Die Zahl der Fälle ist aber nicht der einzige Unsicherheitsfaktor. Manches ist auch auslegungsbedürftig: So könnte strittig sein, was genau unter dem „Wert der Gegenleistung“zu verstehen ist. Die Erläuterungen geben hier immerhin Anhaltspunkte: Zur Gegenleistung zählen demnach „alle Vermögensgegenstände und sonstigen geldwerten Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss erhält (Kaufpreis)“, und zwar „zuzüglich des Wertes etwaiger vom Erwerber übernommener Verbindlichkeiten“. Fraglich könn- te aber zum Beispiel sein, wie übernommene Aktien zu bewerten sind.
Auch was unter „erheblicher“Inlandstätigkeit zu verstehen ist, lässt Spielraum für Interpretationen. Anzunehmen sei das etwa, wenn sich ein Standort des zu erwerbenden Unternehmens im Inland befindet, steht dazu in den Erläuterungen. Ansonsten hänge